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Verena Knauf

Die Rolle der Generalklauseln in den Zivilentscheidungen des Obersten Gerichts der DDR von 1950 bis 1958


I. Einleitung

II. Rahmenbedingungen für die Herausbildung der Begründungskultur der Zivilentscheidungen

A. Funktion des 1949 gegründeten Obersten Gerichts

B. Rechtstheoretische Vorgaben im Hinblick auf die Auslegung des BGB

III. Die Rolle der Generalklauseln in den Zivilentscheidungen

A. Die Sittenwidrigkeit von Verträgen - § 138 BGB

B. Der Rückgriff auf "Treu und Glauben" - § 242 BGB

C. § 826 BGB

D. § 157 BGB

IV. Fazit


I. Einleitung

Das 1955 in erster Auflage erschienene, einzige Zivilrechtslehrbuch der Deutschen Demokratischen Republik (DDR)1 grenzte sich scharf von einem möglichen Missbrauch der Generalklauseln2 als Umwertungsinstrumente ab, indem es offene Kritik an der übermäßigen Verwendung der Generalklauseln in der Weimarer Zeit und während des Nationalsozialismus übte. Der Verfasser des betreffenden Abschnitts, Hans Kleine, kritisierte, dass es im Interesse des Monopolkapitals damals nötig erschienen sei, das Recht der Wirtschaftslage anzupassen. Diese Anpassung sei hauptsächlich durch die Generalklauseln erfolgt:3

"Die Normen des BGB hörten auf, für die Entscheidungen der Gerichte allein maßgebend zu sein. Es erfolgte eine ständig sich erweiternde Auslegung der §§ 157, 138, 242 und 826 BGB. Die 'guten Sitten' und 'Treu und Glauben'... sind die das Zivilrecht im Imperialismus beherrschenden dehnbaren Prinzipien... Es war wahrhaftig nur noch ein kleiner Schritt von der Generalklausel zum Führerbefehl."4

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Es stellt sich die Frage, ob sich diese Warnung vor der Möglichkeit des Missbrauchs der §§ 157, 138, 242 und 826 BGB in der Rechtspraxis durchgesetzt hat oder ob das Oberste Gericht von dem Flexibilisierungsinstrumentarium der Generalklauseln bei der Umwertung des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) häufig Gebrauch machte, um dieses den neuen gesellschaftlichen Verhältnissen anzupassen.5

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Hans-Peter Haferkamp stellte die These auf, dass für die Umwertung des BGB in der frühen DDR nicht traditionelle juristische Methode, sondern offen politische Argumentation im Vordergrund gestanden habe.6 Ein Rückgriff auf die Generalklauseln sei daher nicht maßgeblich für die Urteilsbegründungen gewesen. Haferkamp stützte seine Analyse auf eine Untersuchung der rechtstheoretischen Grundlagen und der veröffentlichten Zivilentscheidungen des Obersten Gerichts der DDR, des höchsten Zivilgerichts des neugegründeten Staates.

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Eine systematische Untersuchung der unveröffentlichten Zivilverfahren dieses Gerichts gab es bislang noch nicht.7 Ziel des Aufsatzes ist die Schließung dieser Forschungslücke.
Die Veröffentlichungspraxis war gelenkt.8 Das Oberste Gericht der DDR hatte eine Anleitungs- und Lenkungsfunktion gegenüber den unteren Instanzgerichten, die es unter anderem durch die gezielte Veröffentlichung bestimmter Entscheidungen ausübte. Die Auswahl der für eine Veröffentlichung in der amtlichen Entscheidungssammlung OGZ und in der Neuen Justiz (NJ) geeigneten Entscheidungen erfolgte primär unter dem Gesichtspunkt der Anleitung der Rechtsprechung. Für die Veröffentlichung wurden die Entscheidungen gekürzt und in der NJ, die vom Ministerium der Justiz, dem Obersten Gericht und dem Generalstaatsanwalt der DDR gemeinsam herausgegeben wurde, teilweise mit Anmerkungen versehen.

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Daraus ergibt sich folgende Fragestellung: War die Veröffentlichungspraxis repräsentativ für die tatsächliche Rechtspraxis des Obersten Gerichts bezogen auf die Rolle der Generalklauseln? Es lag die Vermutung nahe, dass die Veröffentlichungen den Zivilprozessalltag nicht wahrheitsgetreu widerspiegelten und es in einigen Fällen Abweichungen gegenüber den unveröffentlichten Entscheidungen gab.

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In den veröffentlichten Zivilentscheidungen des Obersten Gerichts nahm der Rückgriff auf Generalklauseln zahlenmäßig einen geringen Raum ein.9
Zur Beantwortung der Ausgangsfrage wurden 989 Zivilentscheidungen des Obersten Gerichts der DDR in Kassations- und Berufungsverfahren im Wege statistischer Erfassung untersucht. Das Kassationsverfahren war eine spezielle Verfahrensart, die 1949 neu eingeführt wurde. Dieses Verfahren stand anders als das Berufungsverfahren nicht unter der Herrschaft der beteiligten Prozessparteien. Es diente der Wahrung der Rechtseinheit und dem Interesse der Allgemeinheit, eingeleitet wurde es durch den Generalstaatsanwalt und ab 1952 auch durch den Präsidenten des Obersten Gerichts. Entscheidungen unterer Instanzen konnten entweder aufgehoben oder mit Weisungen versehen zu erneuter Prüfung an diese zurückverwiesen werden. Die Prozessparteien hatten in diesem Verfahren keinen Einfluss auf den Verfahrensablauf.

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In die statistische Erhebung wurden 486 Berufungs- und 503 Kassationsentscheidungen einbezogen. Insgesamt wurden 246 der erfassten Zivilentscheidungen veröffentlicht. Untersucht wurde jede Berufungs- und jede zweite während des Untersuchungszeitraumes verkündete Kassationsentscheidung. Die untersuchten Zivilprozessakten enthielten Urteile und Beschlüsse. Die gewählte Vorgehensweise eröffnet die Möglichkeit eines Vergleichs der beiden unterschiedlichen Verfahrensarten anhand der annähernd gleich großen Datenbasis.

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Eine Gegenüberstellung der beiden Verfahrensarten und der Veröffentlichungspraxis hinsichtlich dieser Verfahren ermöglicht die Untersuchung, ob Generalklauseln in den - aus politischen Gründen im Interesse der Allgemeinheit eingeleiteten - Kassationsverfahren eine größere Rolle als in den allein der Parteidisposition unterliegenden Berufungsverfahren spielten.

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Gegenstand der Untersuchung waren die im Bundesarchiv in Berlin-Lichterfelde vorhandenen Prozessakten des Obersten Gerichts sowie ergänzend einige Zivilentscheidungen aus dem Archiv der Bibliothek des Bundesgerichtshofes in Karlsruhe. Bearbeitet wurden die Entscheidungen des ersten (Geschäftszeichen 1 Zz für Kassationsverfahren und 1 Uz für Berufungsverfahren) und zweiten (Geschäftszeichen 2 Zz für Kassationsverfahren und 2 Uz für Berufungsverfahren) Zivilsenates des Obersten Gerichts. Das Prozessverzeichnis des Obersten Gerichts der DDR wies eine fortlaufende Nummerierung der Zivilentscheidungen (z.B. 1 Zz 1/50, 1 Zz 2/50...) aus. Bereits das ebenfalls damals erstellte Ablieferungsverzeichnis, in dem die für die Ablieferung an das staatliche Archiv ausgewählten Akten verzeichnet waren, enthielt nicht mehr alle fortlaufenden Aktenzeichen. Bei der Durchsicht der nunmehr im Bundesarchiv archivierten Akten fanden sich einige Schriftstücke mit Aktenzeichen, die nicht im Ablieferungsverzeichnis enthalten waren. Diese waren wohl damals versehentlich mit abgeheftet bzw. vor der Ablieferung an das staatliche Archiv nicht aussortiert worden. Hierbei handelte es sich um einseitige Beschlüsse, mit denen in wenigen Sätzen die Einleitung eines Kassationsverfahrens abgelehnt wurde. Dies legt die Vermutung nahe, dass diese inhaltlich wenig aussagekräftigen Schriftstücke bereits damals der Ablieferung und nachfolgenden Archivierung nicht für würdig befunden wurden.

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Kriterien der statistischen Erhebung waren zum einen die quantitative Erfassung der Verfahren, in denen mit den im Eingangszitat benannten Generalklauseln §§ 138, 157, 242 und 826 BGB argumentiert wurde. Aus der Anzahl der Entscheidungen, in denen auf diese Generalklauseln Bezug genommen wurde, können bereits erste Rückschlüsse auf die Bedeutung derselben für die Umwertung des BGB in der Rechtspraxis des Obersten Gerichts gezogen werden.

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In einem nächsten Schritt wurden die Prozessakten qualitativ ausgewertet. Die qualitative Auswertung umfasste eine Analyse der im Zusammenhang mit den benannten Generalklauseln verwendeten Argumentationslinien. Hierbei wurde auch der Verfahrensgegenstand erfasst, um darstellen zu können, ob Generalklauseln insbesondere in politisch brisanten Fällen Eingang in die Entscheidungen fanden oder ob es sich hauptsächlich um Verträge des täglichen Lebens handelte. Die Verfahren wurden nach Verfahrensgegenständen geordnet.

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Der Untersuchungszeitraum umfasst die Jahre 1949 bis 1958. Die Anpassung der Rechtspraxis an die veränderten gesellschaftlichen Verhältnisse war in den Anfangsjahren der DDR besonders drängend, da das BGB weiterhin galt und Instrumentarien zum Umgang mit den übernommenen Normen entwickelt werden mussten.10 Der Untersuchungszeitraum beginnt mit der Gründung des Obersten Gerichts im Dezember 1949 und endet mit der letzten Zivilentscheidung, die vor der Babelsberger Konferenz im April 1958 verkündet wurde. Die erste untersuchte Kassationsentscheidung wurde am 5. April 1950 verkündet,11 die letzte am 21. Februar 1958.12 Die erste untersuchte Entscheidung in Berufungssachen wurde am 6. Dezember 1952 verkündet,13 die letzte am 7. März 1958.14 Die Begrenzung der Untersuchung auf Urteile, die vor April 1958 verkündet wurden, hat rechtstheoretische Gründe. Ab der Babelsberger Konferenz, die vom 2. bis 3. April 1958 an der Deutschen Akademie für Staat und Recht 'Walter Ulbricht' (DASR) 15 in Potsdam-Babelsberg stattfand, galten veränderte theoretische Vorgaben für den Umgang mit übernommenen Rechtsnormen.16

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Zum Verständnis der rechtstheoretischen Grundlagen und der Rahmenbedingungen, unter denen die Richter des Obersten Gerichts ihre Entscheidungen fällten, werden diese in dem ersten Abschnitt dargestellt. Daran anschließend wird im nächsten Abschnitt auf die Ergebnisse der statistischen Erfassung eingegangen.

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II. Rahmenbedingungen für die Herausbildung der Begründungskultur der Zivilentscheidungen

Die Begründungskultur der Zivilentscheidungen war in den Fünfziger Jahren vielfältigen äußeren Einflüssen ausgesetzt. Hierzu zählen neben dem mit der Gründung der DDR erfolgten politischen Systemwechsel die Funktion des Obersten Gerichtes, die Auswahl und Vorbildung seiner Richter sowie die rechtstheoretischen Postulate der Rechtswissenschaft.

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Die Zivilrechtsprechung stand in den Anfangsjahren nach der Gründung der DDR vor der drängenden Herausforderung, die neuen ideologischen Vorstellungen vom Recht, seiner Funktion und der Art und Weise der Gesetzesanwendung unter Beachtung des weiterhin geltenden BGB in die Praxis umzusetzen. Jede Rechtspraxis wird in unterschiedlichem Maße geprägt durch die gesellschaftlichen Verhältnisse und ideologische Einflüsse. Insbesondere in der Zeit nach einem politischen Systemwechsel, in der die Kodifikation eigener Gesetze erst noch ansteht, müssen sich Rechtstheorie und -praxis damit auseinandersetzen, wie mit den übernommenen Gesetzen umzugehen ist.

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Bis zu der Kodifizierung neuer, eigener Gesetze müssen die übernommenen gesetzlichen Vorschriften so ausgelegt werden, dass sie den Anforderungen, die das neue politische System stellt, gerecht werden. Von der Staatsgründung der DDR bis zur Kodifizierung eines eigenen sozialistischen Zivilgesetzbuches vergingen 27 Jahre. Das Zivilgesetzbuch (ZGB) der DDR trat am 1. Januar 1976 in Kraft,17 bis dahin galt das BGB aus dem Jahr 190018 weiter. Seine Normen galten als "sanktioniert"19 und wurden weiterhin angewendet. Zwischen 1950 und 1958 wurden lediglich einzelne Rechtszweige ausgegliedert, erst später erfolgten weitere Ausgliederungen.20 Rechtstheorie und -praxis der DDR standen somit vor der Herausforderung, die Vorschriften des BGB, die auf den Säulen der Privatautonomie und Vertragsfreiheit, auf den Bedürfnissen einer liberalen Warenverkehrswirtschaft fußen, anwendbar zu machen auf die Anforderungen der Planwirtschaft, die beschränkte Vertragsfreiheit und die neuen Verfassungsbestimmungen. Sie mussten angepasst werden an die sozialistischen Vorstellungen von der Rolle des Rechts im Allgemeinen und des Zivilrechts im Besonderen.21

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A. Funktion des 1949 gegründeten Obersten Gerichts

Das Oberste Gericht der DDR wurde im Dezember 1949 mit Sitz in Berlin (Ost) gegründet. Es war als Leitungsorgan22 der Rechtsprechung konzipiert und sollte eine Vorbildfunktion für die unteren Instanzen entfalten.23 Hierfür erhielt es 1952 mit dem Gerichtsverfassungsgesetz24 die Kompetenz zum Erlass bindender Richtlinien.25 Zudem machte der Präsident des Obersten Gerichts die Direktoren der Bezirks- und Kreisgerichte im Wege individueller Anleitungen schriftlich auf Gesetzesverletzungen aufmerksam, z.B. auf die Nichtbeachtung von Weisungen, die das Oberste Gericht in einem Kassationsverfahren ausgesprochen hatte, welches dann an die untere Instanz zurückverwiesen wurde.26 Auch die Veröffentlichungen ausgewählter Entscheidungen des Obersten Gerichts in der amtlichen Entscheidungssammlung und in der NJ dienten der Steuerung der Rechtsprechung der unteren Instanzen.27 Neben dem Obersten Gericht übte das Ministerium der Justiz über Justizverwaltungsstellen eine Anleitungsfunktion aus.28

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1. Zuständigkeit des Obersten Gerichts

Das Oberste Gericht wurde zunächst als Kassationsinstanz eingerichtet. Die Kassation war ebenfalls Teil des Anleitungsmechanismus und diente der umfassenden Kontrolle der Rechtsprechung der unteren Instanzen. In Zivilsachen war das Oberste Gericht gem. §6 (1) 2) OGStAG29 zuständig für die Verhandlung und Entscheidung über den Antrag auf Kassation rechtskräftiger Entscheidungen.30 Es konnte Urteile und Beschlüsse unterer Instanzen aufheben oder mit bindenden Weisungen versehen zu erneuter Verhandlung an die Vorinstanz zurückverweisen.31 Dieses Rechtsmittel wurde zur Wahrung der Rechtseinheit und der Rechtsfortentwicklung im Interesse der Allgemeinheit geschaffen und nicht im Interesse der Beteiligten.32 Dies zeigt sich daran, dass letztere nicht kassationsantragsberechtigt waren. Die Berechtigung zur Kassationsantragstellung lag bei dem Generalstaatsanwalt.33 Ob ein Kassationsverfahren eingeleitet wurde, hing von politischen Erwägungen ab. Die Kassation konnte erfolgen, wenn die betreffende Entscheidung das Gesetz verletzte im Sinne der §§ 549 bis 551 der Zivilprozessordnung (ZPO) oder der Gerechtigkeit gröblich widersprach.34 Kassationsanträge konnten sogar noch innerhalb eines Jahres ab dem Eintritt der Rechtskraft der richterlichen Entscheidung gestellt werden.35 Nach § 14 OGStAG waren die Verfahrensregeln der ZPO anwendbar.

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In den ersten Jahren kamen Kassationsanregungen insbesondere aus der Bevölkerung.36 Eine systematische Durchsicht von Zivilentscheidungen mit dem Ziel der Bearbeitung und Klärung von Rechtsfragen im Kassationsverfahren gelang dem Obersten Gericht erst Ende der Fünfziger Jahre.37 Dies schrieb das Oberste Gericht selbst der unzureichenden Besetzung seiner Kassationsantragsabteilungen zu,38 die für die Bearbeitung aller Kassationsgesuche in Straf- und Zivilsachen zuständig waren.39

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Mit dem Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) vom 9. Oktober 1952 erweiterte sich die Zuständigkeit des Obersten Gerichts der DDR auf die Entscheidung über Berufungen in Zivilsachen gegen die von den Bezirksgerichten in erster Instanz erlassenen Entscheidungen.40 Gleichzeitig wurde neben dem Generalstaatsanwalt nun auch dem Präsidenten des Obersten Gerichts die Kassationsantragsbefugnis übertragen.41 Ob ein Kassationsantrag angenommen wurde, entschied das Plenum des Obersten Gerichts.42 Mit dem GVG wurde ein zweiter Zivilsenat eingerichtet. Die Zuständigkeiten der Zivilsenate waren nach Bezirken aufgeteilt.43

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2. Personelle Besetzung des Obersten Gerichts

Die politische Funktion der Richter des Obersten Gerichts zeigt sich sowohl bei der Richterwahl, ihrem engen Bezug zur Politik und zur Rechtstheorie, als auch im Rahmen der sich wandelnden, politischem Einfluss unterliegenden Richterausbildung, die zu einer Entprofessionalisierung des Justizpersonals unterer Instanzen führte. Dieses wurde aufgrund seiner geringeren methodisch-dogmatischen Grundbildung eher beeinflussbar für Weisungen und Vorgaben der Richter des Obersten Gerichts, die weiterhin überwiegend universitär ausgebildet waren. Die Wahl der Richter des Obersten Gerichts erfolgte durch die Volkskammer. Am 8. Februar 1950 wurden die ersten Richter gewählt.44 Präsident des Obersten Gerichts wurde Kurt Schumann45 , Vizepräsidentin Hilde Benjamin. Oberrichter als Senatsvorsitzende wurden Heinrich, Dr. Cohn und Stegmann. Daneben wurden acht beisitzende Richter für den bis 1952 einzigen Zivilsenat und die drei Strafsenate des Obersten Gerichts gewählt.46

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Benjamin war von 1949 bis 1953 Vizepräsidentin des Obersten Gerichts. Von 1949 bis 1967 war sie parallel dazu Abgeordnete der Volkskammer und Leiterin der Gesetzgebungskommission, die das neue GVG, das Jugendgerichtsgesetz (JGG), und die Strafprozessordnung (StPO) von 1952 ausarbeitete. Zwischen Juli 1953 und Juli 1967 war sie Justizministerin und seit 1954 zusätzlich noch Mitglied im Zentralkomitee der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED).47 Als eine der einflussreichsten Vertreterinnen rechtstheoretischer Postulate gewährleistete sie durch ihren engen Bezug zur Parteipolitik die Integration parteipolitischer und rechtstheoretischer Vorgaben in die Gerichtspraxis. Auch Schumann sowie die Oberrichter Heinrich und Cohn beschäftigten sich mit rechtstheoretischen Fragen und publizierten in der NJ.48

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Die Auswahl des Präsidenten, des Vizepräsidenten und der drei Oberrichter erfolgte im Februar 1950 unter Berücksichtigung aller in der DDR bestehenden politischen Parteien. Der Präsident Schumann gehörte der NDPD an, die Vizepräsidentin Benjamin der SED, von den Oberrichtern je einer der LDP, der CDU und der Bauern-Partei. Unter den restlichen acht waren sechs Richter SED-Mitglieder, einer gehörte der LDP, einer der CDU an.49

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In der SBZ erfolgte ab 1945 hinsichtlich des Justizpersonals ein radikaler Einschnitt, der zu einer Entprofessionalisierung der Rechtsanwendung und einer politisch-ideologischen Beeinflussbarkeit der Rechtsprechung führte.50 Schon 1945 wurden im Rahmen der Entnazifizierung 90 % aller belasteten Richter entlassen. Um den Personalmangel zu decken und ein weiteres Funktionieren der Justiz zu gewährleisten, wurden Schnellkurse zur Ausbildung von Volksrichtern eingeführt, die zunächst sechs Monate dauerten. 1954 endete die Volksrichterausbildung mit der Verlängerung der Lehrgänge auf drei Jahre und der Einführung eines abschließenden Staatsexamens. Parallel hierzu existierte seit Ende 1945 weiter die Juristenausbildung an den Universitäten.51 1950 waren neun der 13 Richter des Obersten Gerichts Akademiker, vier waren Absolventen der Richterschulen in Brandenburg und Bad Schandau.52

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B. Rechtstheoretische Vorgaben im Hinblick auf die Auslegung des BGB

Generalklauseln dienen als Flexibilisierungsinstrumentarien des Rechts. In der Zeit des Nationalsozialismus wurden sie von der Rechtstheorie und der Rechtspraxis als Instrument der Umwertung des BGB im Hinblick auf die veränderte Bedeutung des Rechts und die ausgrenzende Einstellung gegenüber einigen Bevölkerungsgruppen angesehen und vermehrt verwendet. In seiner Habilitation von 1968 "Die unbegrenzte Auslegung"53 untersuchte Bernd Rüthers die Bedeutung der juristischen Methode für die Umdeutung des BGB zur Zeit des Nationalsozialismus. Er stellte Folgendes fest:

"Die interpretative Anpassung eines Normkomplexes an radikal gewandelte politische Wertvorstellungen kann mit ähnlichen methodischen Instrumenten bewirkt werden, wie sie bei der Anpassung von Rechtsnormen an gewandelte wirtschaftliche und gesellschaftliche Sachverhalte zu beobachten sind."54

Seiner Ansicht nach dient "Methodenbewusstsein als Umdeutungsbremse,"55 mit dem Juristen die Ideologisierung des Rechts verhindern können.

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In der DDR standen Rechtstheorie und -praxis nach dem Zweiten Weltkrieg und der Staatsneugründung vor dem strukturell vergleichbaren Problem, das übernommene BGB auf die geänderten gesellschaftlichen Verhältnisse und die Verfassung von 1949 anzuwenden. Daran anknüpfend war zu untersuchen, welche Bedeutung in der Rechtstheorie und -praxis der DDR der Verwendung von Generalklauseln als Flexibilisierungsinstrumentarien beigemessen wurde.

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Nach der These von Haferkamp differierten die rechtstheoretischen Voraussetzungen in der DDR. Dies habe sich auch in der Rechtspraxis niedergeschlagen. Für die Umwertung des BGB in der Zivilrechtspraxis der frühen DDR habe nicht traditionelle juristische Methode, sondern politische Argumentation im Vordergrund gestanden.56

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Es stellt sich die Frage, ob die von Haferkamp für die vor 1958 veröffentlichen Zivilurteile des Obersten Gerichts der DDR aufgestellte These auf die unveröffentlichten zivilrechtlichen Entscheidungen des Obersten Gerichts der DDR übertragen werden kann, d.h. ob die Veröffentlichungspraxis hinsichtlich der Rolle der Generalklauseln repräsentativ war. Er kommt zu der Schlussfolgerung, dass in der DDR die Art und Weise der Anwendung eines überkommenen Gesetzes nicht aus dem juristischen Methodenkanon gefolgert werden konnte, sondern aus "polit-ökonomischen Kategorien" und letztlich aus den "wechselnden Vorgaben der Partei".57Haferkamp stellt heraus, dass in den frühen Jahren der DDR bereits eine "deutliche Absage an den Begründungswert juristischer Dogmatik" stattfand und sich hieraus ein "gegenüber der Zeit des Nationalsozialismus deutlich differierender Begründungsstil ergab, der mit den von Rüthers erarbeiteten methodischen Aspekten nicht adäquat fassbar sei."58

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Die Herausbildung einer eigenständigen sozialistischen Rechtswissenschaft und -theorie der DDR war in den frühen Fünfziger Jahren noch in der Entwicklung. Schon früh wurden jedoch der Begriff der "sozialistischen Gesetzlichkeit" und die sogenannte "Form-Inhalt-These" als leitende Grundsätze bei der Rechtsanwendung eingeführt. Es gab keine detaillierten Vorgaben zu Auslegungstechniken im klassischen Sinne eines Auslegungskanon. In den Fünfziger Jahren hat sich in der Rechtswissenschaft der DDR nur Traute Schönrath in ihrer - unveröffentlichten - Dissertation aus dem Jahr 1957 darum bemüht, nachzuweisen, dass sich eine sozialistische Auslegungsmethode entwickeln lasse.59 Insgesamt wurde in dieser Zeit wenig über Fragen der Auslegung reflektiert.60 Das 1955 erstmals erschienene und damals einzige Zivilrechtslehrbuch der DDR widmet Auslegungsfragen nur wenige Seiten.61 Dies kann als ein Indiz dafür gewertet werden, dass die Anwendung traditioneller bzw. die Entwicklung neuer Auslegungstechniken nicht im Vordergrund der rechtstheoretischen Postulate stand und sich die rechtstheoretischen Streitstände mit anderen Themen beschäftigten, wie der Herausbildung der Begriffe der sozialistischen Gesetzlichkeit und der Form-Inhalt-These. Erst im Jahr 1962 hielt Imre Szabo, ein ungarischer Rechtstheoretiker, vor der Deutschen Akademie der Wissenschaften in Ostberlin einen Vortrag über Fragen der Auslegung nach der sozialistischen Rechtstheorie, in dem er eine umfassende theoretische Abhandlung von Auslegungsfragen vornahm.62

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Zur Bestimmung der Rolle des Rechts im Allgemeinen und der Rechtsprechung im Besonderen führte Benjamin in einem Referat anlässlich der ersten Arbeitstagung des Obersten Gerichtes der DDR am 2. und 3. März 1951 wie folgt aus:

"Wir müssen uns bewusst sein, daß in der Rechtsprechung in entscheidendem Maße die Rolle des Überbaus zum Ausdruck kommt, aktiv fördernd auf die Gestaltung der ökonomischen Verhältnisse einzuwirken."63

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1. Die "Form-Inhalt-These" als Umwertungsinstrument

Bis zum Inkrafttreten des Zivilgesetzbuches der DDR vom 19. Juni 1975 am 1. Januar 1976 waren die Normen des BGB sanktioniert, dass heißt ihre Weitergeltung war anerkannt. Es herrschte in der Rechtstheorie und - praxis die einhellige Ansicht, dass die Normen mit der Gründung der neuen staatlichen Ordnung automatisch durch die Sanktionierung mit einem neuen Inhalt versehen wurden, sog. Form-Inhalt-These.64Aufgabe des Richters war das Erkennen dieses neuen Inhaltes.

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Die Form-Inhalt-These bildete neben dem Begriff der sozialistischen Gesetzlichkeit, auf den im folgenden Abschnitt eingegangen wird, einen leitenden Grundsatz für den Umgang mit den übernommenen Gesetzen und für den Vorgang der Umwertung derselben.

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Zu der Problematik, diesen neuen Inhalt zu erkennen, äußerte sich Benjamin wie folgt:

"Kann man bei solchen Gesetzen, die ihren Inhalt durch die Änderung der Staatsordnung erhalten haben, überhaupt von Auslegung sprechen? Man kann es m.E. nicht in dem gleichen Sinne, mit dem man innerhalb der gleichen Staatsordnung die Auslegung eines Gesetzes ändert... Wenn das Gesetz durch den neuen Staat seinen neuen Inhalt bekommt, dann ist das ein anderer Prozeß, als wenn innerhalb der gleichen Staatsordnung der Wechsel bestimmter ökonomischer oder sonstiger Faktoren zu einer neuen Auslegung eines Gesetzes führt".65

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Sie postulierte eine Abkehr von der Verwendung traditioneller juristischer Auslegungsmethoden zur Erkenntnis des Inhaltes umzuwertender Rechtsnormen. Neue Wege sollten in der DDR beschritten werden. Eine bewusste Abgrenzung zu den dogmatischen und formalistischen Fehlleistungen der nationalsozialistischen Rechtsanwendungslehre prägte die Rechtstheorie der DDR. Hier zeigt sich eine rechtstheoretische Position, die für die Umwertung übernommener Rechtsnormen andere Schwerpunkte als Rüthers in den Vordergrund stellt, für den methodische Instrumente den Umwertungsprozess hinsichtlich des BGB im Nationalsozialismus entscheidend prägten.66

34

In der ersten Auflage des 1955 in der DDR erschienenen Lehrbuches zum Allgemeinen Teil des BGB erfolgte eine deutliche Abgrenzung von dem aus Sicht der Verfasser im Nationalsozialismus erfolgten Missbrauch der Generalklauseln:

"Mit 'Treu und Glauben', 'gute Sitten', 'gesundes Volksempfinden' konnte jede gewünschte, den Interessen des Monopolkapitals entsprechende Entscheidung erzielt und begründet werden. Hand in Hand mit der Anwendung von Generalklauseln ging die Forderung auf Freistellung der Richter vom Gesetz."67

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Diese in der Lehrbuchliteratur postulierte Kritik an der missbräuchlichen Verwendung von Generalklauseln beeinflusste die Begründungskultur der Zivilentscheidungen, in denen nur vereinzelt auf Generalklauseln zurückgegriffen wurde, wie die Auswertung der Entscheidungen im nächsten Abschnitt zeigen wird.

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2. Die Beachtung der "sozialistischen Gesetzlichkeit" bei der Gesetzesanwendung

Bei der Anwendung von Gesetzen sollte stets die sozialistische Gesetzlichkeit beachtet werden. Bis 1958 wurde synonym auch der Begriff der demokratischen Gesetzlichkeit verwendet.68 Er blieb in der Begrifflichkeit abstrakt, für die Anwendung schwer zu handhaben und war im Laufe der Zeit inhaltlichen Änderungen unterworfen.69 Die Rechtswissenschaft definierte den Begriff nicht einheitlich. Eine Ansicht wandte ihn nur auf die Gesetzesanwendung und -beachtung an, eine andere von Benjamin unterstützte Ansicht weitete den Begriff aus und bezog ihn auch auf an Rechtsnormen zu stellende Anforderungen.70

37

Die demokratische Gesetzlichkeit setzte sich aus zwei Elementen zusammen. Die Gesetze waren strikt zu befolgen und gleichzeitig im Interesse der Werktätigen anzuwenden.71 Für die Gesetzesanwendung ist das Verhältnis von Parteilichkeit und Gesetzlichkeit von Bedeutung, denn es wurde von folgender Annahme ausgegangen:

"Die konsequente Anwendung unseres Rechts ist eine parteiliche Anwendung, denn das Recht selbst ist parteilich. Deshalb bedeutet Einhaltung der Gesetzlichkeit auch Wahrung der Parteilichkeit".72

38

Zur Verdeutlichung, wie diese Gesetzlichkeit in den Vorgang der Anwendung sanktionierter Gesetze integriert werden sollte, führte Werner Artzt73 im Jahr 1956 aus, dass sich diese nicht bei der Rechtsanwendung im konkreten Einzelfalle zeige, sondern vorab bereits bei der Feststellung des neuen Inhaltes einer sanktionierten Vorschrift.74 Diesen Vorgang erläuterte er folgendermaßen:

"Bei der Anwendung sanktionierten Rechts sind zwei gedankliche Vorgänge voneinander zu unterscheiden. Der erste besteht darin, daß der neue Inhalt des Gesetzes ermittelt wird. Diese Ermittlung des Inhalts geschieht unabhängig von den besonderen Bedingungen der Rechtsanwendung im konkreten Fall. Das ist schon deshalb erforderlich, weil der neue Inhalt des sanktionierten Gesetzes gleichermaßen für alle Fälle der Rechtsanwendung Geltung haben muß, also nicht bestimmt sein darf durch die besonderen Bedingungen nur eines einzelnen Falles der Rechtsanwendung, die ja gegenüber dem Allgemeinen den Charakter des Zufälligen an sich haben. Die Anwendung des Gesetzes hat dann konsequent zu erfolgen, ohne daß hier nunmehr nochmals Faktoren zu beachten wären, in denen die Parteilichkeit Ausdruck findet. Das gilt insbesondere für das Zivilrecht."75

39

Damit war vorgegeben, dass der Umwertungsvorgang nicht jeweils am konkreten vom Richter zu lösenden Fall durchgeführt werden sollte, sondern davon abstrahiert.

40

3. Hildes Benjamins Forderung nach einer neuen, politischen Art der Urteilsbegründung

Benjamin, damals Vizepräsidentin des Obersten Gerichts, forderte bereits im März 1951 in einem Grundsatzreferat auf der ersten Arbeitstagung des Obersten Gerichts der DDR eine neue Methode der Urteilsbegründung bei der Auseinandersetzung mit übernommenen Gesetzen und Rechtsbegriffen:

"Ich möchte dies die Methode der offensiven Begründung [Hervorhebung d. Verf.] nennen. Ich halte es für falsch, wenn wir eine Begründung damit anfangen, uns mit Reichsgerichtsentscheidungen oder Lehrmeinungen älterer oder auch westdeutscher Schriftsteller auseinanderzusetzen... Wir haben zunächst davon auszugehen, daß wir ein Gesetz nach unserer Ordnung, nach unseren Anschauungen anwenden und auslegen..."76

41

Dies deutet an, dass nicht traditionelle Methoden im Zentrum der Anwendung und Auslegung der Gesetze stehen, sondern andere Möglichkeiten genutzt werden sollten. Nach den Worten von Haferkamp ging es "nicht um gängige methodische Instrumentarien, sondern um offene Instrumentalisierung des alten Normenmaterials für politische Vorgaben."77 Da diese wechselten, hatten die Richter keine dauerhaften methodischen Vorgaben zur Hand, sondern mussten ihre Rechtsanwendung regelmäßig auf die Übereinstimmung mit denen der Partei überprüfen.

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III. Die Rolle der Generalklauseln in den Zivilentscheidungen

Welche Rolle spielte die Verwendung von Generalklauseln in den Zivilentscheidungen des Obersten Gerichts vor 1958? Haferkamp78 stellte heraus, dass die Generalklauseln in den veröffentlichten Zivilverfahren des Obersten Gerichts für die Umwertung des BGB in den Fünfziger Jahren nicht im Zentrum standen. Aus der Tatsache, dass die Veröffentlichungspraxis gelenkt war, folgt die Frage, ob dieses Ergebnis auf die gesamte Rechtspraxis des Obersten Gerichts übertragen werden kann. Es war zu untersuchen, ob die Begründungskultur der veröffentlichten Zivilentscheidungen repräsentativ für die gesamte Entscheidungspraxis des Obersten Gerichts war. Prägte der Rückgriff auf Generalklauseln die Begründungskultur der Zivilentscheidungen bei der Umwertung des BGB maßgeblich?

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Zunächst soll auf die Veröffentlichungspraxis allgemein eingegangen werden. Die überwiegende Anzahl der veröffentlichten Entscheidungen wurde zweimal veröffentlicht, zum einen in der NJ, zum anderen in der amtlichen Entscheidungssammlung OGZ. Von den 989 im Rahmen der statistischen Erfassung untersuchten Entscheidungen sind insgesamt 246 veröffentlicht worden, dies entspricht 24,9 %. Von den 486 untersuchten Berufungsentscheidungen wurden insgesamt 60 veröffentlicht, dies entspricht 12,3 %. Von den 503 untersuchten Entscheidungen in Kassationsverfahren wurden dreimal so viele veröffentlicht, insgesamt 186, d.h. 37,0 %. Diese höhere Zahl erklärt sich aus der Zielsetzung der Kassation und der mit diesem Verfahren verbundenen Anleitungsfunktion für die unteren Instanzgerichte.

Verfahrensart

Anzahl der untersuchten Entscheidungen

Anzahl der veröffentlichten Entscheidungen

Veröffentlichte Entscheidungen in Prozent

Berufungsverfahren

486

60

12,3 %

Kassationsverfahren

503

186

37,0 %

Berufungs- und Kassationsverfahren zusammen


989


246


24,9 %

44

A. Die Sittenwidrigkeit von Verträgen - § 138 BGB

Der Begriff der Sittenwidrigkeit ermöglicht dem Richter die Integration von Wertungen in die Rechtsanwendung.79 In der DDR hatte § 138 BGB "Klassencharakter".80 In insgesamt zehn der 246 statistisch erfassten, veröffentlichten Zivilentscheidungen des Obersten Gerichts81 erfolgte im Untersuchungszeitraum ein Rückgriff auf § 138 BGB82, dies entspricht 4,07 % der 246 veröffentlichten Verfahren. Hierunter befand sich lediglich eine Berufungsentscheidung.

45

Diese Zahl liefert ein verschobenes Bild. Tatsächlich wurde diese Generalklausel in der Urteilspraxis viel seltener verwendet, wie die Untersuchung der unveröffentlichten Verfahren im Folgenden zeigen wird.

46

Entscheidungstragend war § 138 BGB in zwei veröffentlichen Fällen im Zusammenhang mit Kriegslieferungsverträgen Anfang der Fünfziger Jahre,83 in einem Verfahren bezogen auf einen Ehegattenunterhaltsvergleich84 und in zwei weiteren Prozessen.85 Eine Ablehnung der Anwendung der Norm erfolgte in zwei Fällen,86 wobei in einem Fall zugleich auch die Anwendung des § 242 BGB abgelehnt wurde.87 In zwei Verfahren wurde § 138 BGB genannt, ohne entscheidungstragend zu sein.88 In einem weiteren Fall sollte das Landgericht die Sachlage erneut dahingehend prüfen, ob die Generalklauseln §§ 242 und 138 BGB entscheidungstragend seien.89

47

In den unveröffentlichten Entscheidungen nimmt der Bezug auf § 138 BGB im Verhältnis einen viel geringeren Raum ein. In siebzehn der 743 unveröffentlichten Berufungs- und Kassationsentscheidungen wurde auf ihn Bezug genommen, dies entspricht 2,29 %. Insgesamt erfolgte demnach in 27 der erhobenen 989 Entscheidungen ein Rückgriff auf die Generalklauseln, d.h. in 2,73 % der statistisch ausgewerteten Verfahren.

48

In den unveröffentlichten Kassationsentscheidungen floss eine Argumentation mit § 138 BGB zwölfmal in die Begründung ein. Entscheidungstragend war die Norm in einem Fall bezogen auf Kriegslieferungen,90 in vier Fällen hinsichtlich Kindesunterhalt91 sowie in einem weiteren Fall im Hinblick auf die Rückgewähr von Vermögenswerten, die während des Nationalsozialismus entzogen wurden.92 Abgelehnt wurde eine Anwendung des § 138 BGB in einer Entscheidung, 93 einmal war die Norm nicht entscheidungstragend.94 Eine erneute Prüfung des Sachverhalts durch die untere Instanz unter dem Gesichtspunkt der Entscheidungserheblichkeit der Generalklausel sollte in vier Fällen stattfinden.95

49

In den unveröffentlichten Berufungsentscheidungen wurde insgesamt fünfmal mit § 138 BGB argumentiert. Entscheidungstragend war § 138 BGB in zwei Fällen mit Bezug auf Kriegslieferungsverträge 96 und in einem weiteren Verfahren.97 In zwei Fällen wurde eine Anwendung des § 138 BGB bzw. des § 134 BGB98 abgelehnt.99

50

Nachfolgende tabellarische Übersicht fasst die Ergebnisse nochmals zusammen.

Verwendung des § 138 BGB:


Berufungs-
verfahren

Kassations-
verfahren

Berufungs- und
Kassations-
verfahren

Berufungs- und
Kassationsverfahren in Prozent

Unveröffentlichte Entscheidungen (743)


5


12


17


2,29 %

Veröffentlichte Entscheidungen (246)


1


9


10


4,07 %

Untersuchte Entscheidungen (989)


6


21


27


2,73 %

51

1. Die Nichtigkeit von Kriegslieferungsverträgen gem. §§ 134, 138 BGB

Die zu Beginn der Fünfziger Jahre zur Problematik der Kriegslieferungsverträge100 gefällten Entscheidungen nahmen eine Nichtigkeit dieser Verträge gem. §§ 134, 138 BGB an.

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Präzedenzfall zur der Problematik der Kriegslieferungsverträge war eine veröffentlichte Kassationsentscheidung vom 8. November 1950 - 1 Zz 37/50 -.101 Diese Entscheidung war nicht Teil der statistischen Erfassung, die nur jede zweite Kassationsentscheidung umfasste, sie wird jedoch nachfolgend zitiert, da das Oberste Gericht sich in seinen nachfolgenden Entscheidungen stets auf diesen Präzedenzfall berief. Die Klägerin, Herstellerin von Spreizhülsen für die Entfernung von Patronenhülsen aus Maschinengewehrläufen, machte Ansprüche gegen die mit dem Ausbau des Geräts beauftragte Verklagte geltend.102 Hier stellte das Oberste Gericht folgenden Leitsatz auf, auf den in nachfolgenden Entscheidungen Bezug genommen wurde:

"Rechtsgeschäfte, die die Lieferung von Kriegsmaterial für den von Hitler-Deutschland angezettelten Angriffskrieg zum Gegenstand haben, verstoßen gegen ein gesetzliches Verbot und gegen die guten Sitten und sind deshalb nichtig."103

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Das Oberste Gericht stellte fest:

"Kriegslieferungsverträge, durch die für einen verbrecherischen Angriffskrieg Kriegsmaterial geliefert wird, verstoßen in jedem Fall gegen die guten Sitten... Das Rechtsgeschäft, das den Gegenstand des Rechtsstreits bildet, ist also nach § 138 BGB nichtig. Auch ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung ist nicht gegeben. Diesem steht die Bestimmung des § 817 Satz 2 BGB entgegen, nach der die Rückforderung ausgeschlossen ist, wenn dem Leistenden ein Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten zur Last fällt."104

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In einem unveröffentlichten Urteil vom 15.11.1950 wird zur Begründung der Nichtigkeit eines Kriegslieferungsvertrags auf obenbenanntes Urteil vom 8.11.1950 verwiesen.105

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Ein weiteres statistisch erhobenes Kassationsverfahren aus dem Jahre 1950 zum Aktenzeichen 1 Zz 38/50, in dem die Entscheidung veröffentlich wurde, betraf die Nichtigkeit von Darlehensverträgen für Rüstungszwecke, die nach den für Kriegslieferungsverträge entwickelten Grundsätzen behandelt und gem. § 138 BGB als nichtig angesehen wurden. Ein Anspruch der klagenden neuen Bank aus ungerechtfertigter Bereicherung wurde hier bejaht, da diese nicht Rechtsnachfolgerin der aufgelösten Banken sei und sich die Verklagten daher nicht auf § 817 Satz 2 BGB berufen könnten.106Nathan führte in seiner Anmerkung zu diesem Urteil 1 Zz 38/50 in der NJ 1951, S. 27 ff., 28 aus, dass § 817 Satz 2 BGB mit dem Ausschluss des Rückforderungsanspruches den "Frevler selbst", der gegen die guten Sitten verstieß, und nach bisheriger Rechtsprechung auch seinen Rechtsnachfolger bestrafen solle.107 Die Klägerin, der das Eigentum an zwei enteigneten Firmen als Volkseigentum übertragen worden war, mache zwar eine Forderung der früheren Inhaber geltend, sei aber weder Rechtsnachfolger noch mache sie die Forderung für die bisherige Gläubigerin noch im eigenen Interesse geltend.108 Diese Konstruktion ermöglichte in obigem Verfahren die Bejahung eines Bereicherungsanspruchs trotz § 817 Satz 2 BGB.

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Das letzte veröffentlichte Verfahren mit Bezug auf die Problematik der Kriegslieferungsverträge stammte aus dem Jahr 1952. Es nutzte die von Nathan vorgegebene Argumentationslinie. Die Verklagte hatte Luftschutzbauten erstellt. Die Behörden vermittelten ihr hierfür Arbeiter, die weiterhin von ihren Stammfirmen entlohnt wurden. Der Verklagten wurden diese Beträge in Rechnung gestellt. Die Klägerin nahm die Verklagte wegen Zahlung eines Restbetrages in Anspruch. Das Amtsgericht hatte die Klage abgewiesen, es verwies darauf, dass die Klageforderung aus einem Geschäft entstanden sei, das Kriegslieferungen beinhalte. Das Oberste Gericht führte unter Verweis auf das oben erwähnte Urteil vom 8.11.1950 - 1 Zz 38/50 - aus, dass auch die Stellung von Arbeitskräften für die Errichtung von Luftschutzbauten als Kriegslieferung anzusehen und damit nichtig sei. Dies umfasse die Nichtigkeit der über die Lohnzahlungen getroffenen Abmachungen. Jedoch sei ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung begründet:

"Unstreitig waren die Arbeiter der beiden Firmen für die Verklagte tätig, ohne daß diese die Löhne für sie gezahlt hat... Die Verklagte ist daher um den Betrag der Lohnforderung... ohne Rechtsgrund bereichert. Damit aber hat den beiden Firmen ein Anspruch aus §§ 812 und 817 Satz 1 BGB in Höhe der gezahlten und der Verklagten in Rechnung gestellten Löhne zugestanden. Die Verklagte kann die Herausgabe der Bereicherung auch nicht unter Berufung auf § 817 Satz 2 BGB verweigern. Denn der Klägerin, der das Vermögen der beiden enteigneten Firmen unter Ausschluß der Rechtsnachfolge als Volkseigentum übertragen worden ist, und die überdies die Forderung weder für die bisherige Gläubigerin noch im eigenen Interesse geltend macht, kann dieser Einwand, wie der Senat bereits im Urteil vom 8. November 1950 - 1 Zz 38/50 - (OGZ 1 S. 55) ausgeführt hat, nicht entgegengehalten werden. Zwar verlangt der Strafcharakter dieser Vorschrift, daß derjenige, der durch seine Leistung selbst gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten verstoßen hat, seinen Anspruch auf Rückerstattung verwirkt hat. Indessen wird damit nicht das Bestehen der einen Anspruch begründenden Bereicherung an sich verneint, sondern nur dem ursprünglichen Geschäftspartner, dem die Kriegsunterstützung mit zur Last fällt, der Rechtsschutz für seinen Anspruch versagt. Die Klägerin aber, die als Prozeßpartei zur Geltendmachung des Bereicherungsanspruchs legitimiert ist, ohne Rechtsnachfolger zu sein, wird von der Vorschrift des § 817 Satz 2 BGB nicht betroffen (vgl. auch Nathan, NJ 1951, S. 28)."109

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In einem unveröffentlichten Berufungsverfahren aus dem Jahr 1952 hatte die Klägerin, eine Likörfabrik, bei der Verklagten Wein eingelagert. Kurz vor dem Einmarsch der Alliierten verkaufte die Verklagte den Wein und zahlte der Klägerin einen Teil des Erlöses. Über den Restbetrag stellte sie einen Scheck aus, der infolge der Bankensperre nicht eingelöst wurde. Diesen Restbetrag machte die Klägerin geltend. Das Oberste Gericht sah den gesamten Vertrag gem. §§ 134, 138 BGB als nichtig an. Einem Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung stehe § 817 Satz 2 BGB entgegen. Es argumentierte unter Verweis auf sein Urteil 1 Zz 37/50 vom 8. November 1950 (OGZ 1, 51) folgendermaßen:

"Die Klägerin bestreitet nicht, daß... über den eingelagerten Wein so, wie in vorangegangenen Fällen, zu Gunsten der Wehrmacht Verfügung zu gewärtigen war, behauptet aber, daß eine solche Anweisung von der zuständigen Bewirtschaftungsstelle noch nicht ergangen sei und vermeint, daraus den Schluss ziehen zu können, daß es sich nicht um ein Kriegslieferungsgeschäft gehandelt habe... Dabei ist zu beachten, daß zu dem Zeitpunkte des Abschlusses des Lagerungsvertrages alle solche Waren, wie Kaffee, Tee, Schokolade und auch Wein ausschließlich für die Versorgung der Offizierskasinos und Lazarette bereitgestellt waren. ... Es muss nach dem oben Ausgeführten davon ausgegangen werden, daß der Wein für die Wehrmacht eingelagert war... Kriegslieferungsverträge [sind] gemäss §§ 134, 138 BGB nichtig. Die[se]... Grundsätze gelten auch für Lagerungsverträge von Wehrmachtsgut, weil solche Verträge infolge ihrer unmittelbaren Verbindung mit Kriegslieferungsverträgen nicht anders als Kriegslieferungsverträge selbst zu beurteilen sind; sie dienten in gleicher Weise dem Kriege und seiner Verlängerung..."110

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In einem weiteren unveröffentlichten Berufungsverfahren aus dem Jahr 1953 wurde ein Kartoffellieferungsvertrag unter Verweis auf die Urteile 1 Zz 37/50 vom 8.11.1950 sowie 1 Zz 38/50 selben Datums als nichtig erachtet:

"Das angefochtene Urteil hat die der Klagforderung zugrundeliegenden Kartoffellieferungsverträge...rechtsirrtumsfrei als nichtige Kriegslieferungsverträge... infolge ihres unmittelbaren Einflusses auf die Kriegsführung mit der Versorgung der Truppen... [bewertet]. Der Einwand der Klägerin, daß die Ausführungen des Bezirksgerichts im vorliegenden Fall nicht zuträfen, weil nicht sie, sondern der Verklagte mit den Wehrmachtsdienststellen kontrahiert habe, ist unzutreffend..."111

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Die Argumentationslinie des Obersten Gerichts zu einer Nichtigkeit von Kriegslieferungsverträgen gem. §§ 134 und 138 BGB richtet sich in den nachfolgenden Entscheidungen nach den Präzedenzfällen 1 Zz 37/50 und 1 Zz 38/50, beide vom 8.11.1950. Die Argumente in den unveröffentlichten Entscheidungen variieren nicht gegenüber den in den veröffentlichten Entscheidungen verwendeten.

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Unabhängig von der Generalklausel ermöglichte die Konstruktion von Nathan volkseigenen Betrieben eine Umgehung des § 817 Satz 2 BGB, indem deren Rechtsnachfolgerschaft gegenüber den enteigneten Betrieben verneint wurde. Es galt die Annahme, dass zwar deren alte Forderungen geltend gemacht wurden, aber, so das Argument, weder für die bisherige Gläubigerin noch im eigenen Interesse.112 Hier trat offen politische Argumentation zu tage, um ein politisch erwünschtes Ergebnis zu erzielen. Die Generalklausel wurde hierzu nicht benötigt.

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2. Unterhaltsvergleiche und § 138 BGB

Die familienrechtlichen Vorschriften des BGB erfuhren bereits 1949 mit dem Inkrafttreten der Verfassung der DDR eine veränderte Auslegung.113 1952 entschied das Oberste Gericht in einem veröffentlichten Kassationsurteil über die Nichtigkeit eines Vergleiches über Ehegattenunterhalt gem. §§ 134, 138 BGB. Die Ehepartner hatten sich dahingehend verglichen, dass der Kläger an die Verklagte und sein Kind monatlichen Unterhalt in festgelegter Höhe zahlt, wobei der Kläger auf seine Rechte auf Änderung der Unterhaltshöhe (§ 323 ZPO) sowie eine Anrechnung etwaiger Einkünfte der Frau auf den Unterhalt verzichtete. In den Entscheidungsgründen führte das Oberste Gericht aus:

"Die Tatsache einer Ehescheidung, auch wegen alleinigen Verschuldens des Klägers, ist kein Freibrief für die geschiedene Frau, in der Spekulation auf die Unterhaltspflicht des Mannes ein Faulenzerleben zu führen. Es wurde ausdrücklich hervorgehoben, daß die Eröffnung einer solchen Möglichkeit gegen den Artikel 7 der Verfassung verstoßen würde, weil dadurch die Frau davon abgehalten wird, sich durch eine Erweiterung ihres Wissens und Könnens die Grundlage für ihre wirtschaftliche und gesellschaftliche Gleichberechtigung zu verschaffen... Mit dem Vergleich ist also gegen eine gesellschaftliche Pflicht verstoßen worden. Das bedeutet aber auch einen Verstoß gegen die guten Sitten. Ein Vergleich, welcher der Frau ein arbeitsloses Einkommen sichert und sie davon abhält, durch ihre Beteiligung an der Arbeit die Grundlage ihrer in Artikel 7 der Verfassung gegebenen Gleichberechtigung zu schaffen, ist zugleich auch ein Verstoß gegen das dem Artikel 7 zu entnehmende Verbot von Handlungen, die sich in ihrer Auswirkung gegen die Gleichberechtigung richten."114

Die erzieherische Funktion des Rechts trat im Familienrecht deutlich in Erscheinung115 und zeigt sich in der Argumentation obigen Urteils.

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Im Jahr 1954 lehnte das Oberste Gericht in einem unveröffentlichten Verfahren hingegen die Anwendung des § 138 BGB auf den Ehegattenunterhaltsvergleich ab. Der Unterhaltsverpflichtete wollte eine Verringerung der Unterhaltsbeträge erreichen, da die Verklagte eine Arbeit aufgenommen hatte. Das Oberste Gericht nahm hier keine Nichtigkeit des Vergleiches an, da der Unterhaltsbetrag gering und die Anrechnung eigenen Arbeitseinkommens der Frau in dem Vergleich nicht wirksam ausgeschlossen worden war, verwies die Sache jedoch zu erneuter Prüfung der Einkünfte der Verklagten an das Kreisgericht. In dem Vergleich war bestimmt, dass der Verpflichtete 75,00 DM monatlichen Unterhalt zahlen sollte, wobei das eigene Arbeitseinkommen der Berechtigten nicht angerechnet werden sollte. Der 1. Zivilsenat prüfte nun, ob in dieser Bestimmung ein Verzicht auf die Rechte auf Abänderung der Unterhaltshöhe gem. § 323 ZPO mit der Folge der Unwirksamkeit des Vergleichs zu sehen sei und verneinte dies.

"Ein so weitgehender Verzicht... kann jedoch in dem Vergleich nicht erblickt werden; denn er muß dahin ausgelegt werden, daß das Arbeitseinkommen der Frau nur solange nicht angerechnet werden soll, als ihr Gesamteinkommen... unter dem des Mannes zurückbleib[t] (§§ 133, 157 BGB),... Damit soll jedoch nicht gesagt werden, daß in allen Fällen, in denen die geschiedene Frau eigenes Arbeitseinkommen hat, der Unterhaltsanspruch wegfällt. Es wird vielmehr zu beachten sein, welche Höhe das eigene Arbeitseinkommen erreicht. So wird der Unterhaltsanspruch nicht schon dann wegfallen, wenn nur ein geringes oder vorübergehendes Arbeitseinkommen erzielt wird. Hierbei werden auch die Einkommens- und sonstigen Verhältnisse beider Parteien zu beachten sein."116

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In einem veröffentlichten Verfahren aus dem Jahr 1957 wurde eine Anwendbarkeit des § 138 BGB auf den streitigen Unterhaltsvergleich abgelehnt, da die Parteien hier nicht festgelegt hatten, dass die Höhe und Fortdauer der Unterhaltsleistungen unabhängig von einer Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Verpflichteten sein sollten.117

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Obige Ausführungen zeigen auf, dass die Argumentation der unveröffentlichten gegenüber den veröffentlichten Entscheidungen zum Themengebiet der Unterhaltsvergleiche keine Variation erfährt. Die Veröffentlichungspraxis war repräsentativ.

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3. § 138 BGB - Unterhalt für ein in Westdeutschland lebendes Kind

In einem unveröffentlichten Kassationsverfahren aus dem Jahr 1953 auf Erhöhung des Unterhaltes für ein in Westdeutschland lebendes Kind hatte der Verklagte, Vater des Kindes, den Klaganspruch im Verfahren vor dem Amtsgericht anerkannt. Es erging Anerkenntnisurteil. Die Abänderungsklage stützte sich auf die gestiegenen Lebenshaltungskosten in Westdeutschland. Das Oberste Gericht hob im Kassationsverfahren dieses Urteil auf und wies die Klage trotz des Anerkenntnisses mit der folgenden Begründung ab:

"Aus der Klagebegründung ergibt sich zweifelsfrei, dass sich die Klage gerade auf jene ständig zunehmende Verteuerung der Lebenshaltungskosten stützt, die als Folge der besonders nach 1947 gesteigert verhängnisvollen politischen Entwicklung in Westdeutschland zu verzeichnen ist und die am schärfsten durch die Regierung Adenauers im Interesse des amerikanischen und wiedererstehenden deutschen Imperialismus betriebene Remilitarisierung und den Generalkriegsvertrag gekennzeichnet ist. Das Oberste Gericht hat bereits mit seinem Urteil 1a Zz 23/52 vom 11.9.1952 (NJ Nr. 11/52 Verweis: 1a Zz 23/52, Art 3, 144 Verfassung) ausgesprochen, daß die Geltendmachung von Preissteigerungen in Westdeutschland mit dem Ziel einer Erhöhung von Unterhaltsleistungen nichts anders ist als die Abwälzung der Wiederaufrüstungskosten auf die Schultern der Werktätigen, und daß es der auf die Erhaltung und Verteidigung des Friedens gerichteten Politik der DDR widersprechen würde, eine Politik der Wiederaufrüstung auch nur indirekt zu unterstützen. Gerade eine solche Folge ergäbe sich aus dem hier angefochtenen Urteil, wenn es rechtsbeständig wäre. Es ist deshalb nicht rechtsbeständig, weil es in Widerspruch zur Verfassung der DDR steht, die im Art 3 festlegt, dass alle Staatsgewalt vom Volke ausgeht und dem Wohl des Volkes, dem Frieden und dem demokratischen Fortschritt dient. Dieses Gebot ist nicht nur programmatische Forderung, sondern unmittelbar geltendes, die Anwendung entgegenstehender Bestimmungen ausschließendes Recht (Art 144 der Verfassung). Das Gebot an die Bürger der DDR, nichts zu tun, was eine Mithilfe zur Finanzierung der Kriegspolitik der westdeutschen Regierung wäre, hat die Folge, daß rechtsgeschäftliche Handlungen, die dem Gebot zuwiderlaufen, als gegen die guten Sitten und das Gesetz- die Verfassung - verstoßend nichtig sind. Deshalb konnte auch das Anerkenntnis das Gericht nicht binden. Wenn auch grundsätzlich bei einem Anerkenntnis eine Prüfung der Schlüssigkeit des Klagbegehrens, damit eine Prüfung in tatsächlicher wie rechtlicher Hinsicht entfällt, so wird der Richter, wie das Oberste Gericht schon mehrfach ausgesprochen hat, doch nicht der Prüfung enthoben, ob der Wille der Parteien überhaupt imstande ist, die Rechtsfolge, so wie sie der Kläger für sich in Anspruch nimmt, zu erzeugen. Diese Frage war für den vorliegenden Fall angesichts der grundlegenden, in der Verfassung verankerten Pflichten der Bürger, im Sinne des demokratischen Fortschritts zu handeln, zu verneinen."118

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Hier fällt aus heutiger Sicht auf, dass das Oberste Gericht trotz des Anerkenntnisses in der Sache entschied. Da dem Zivilprozess der DDR der Grundsatz der Ermittlung der objektiven Wahrheit zugrunde lag,119 musste das Gericht auch bei einem Anerkenntnis gem. § 307 ZPO durch die verklagte Partei prüfen, ob dieses mit der Verfassung vereinbar war oder gegen Zweck und Inhalt der Gesetze verstieß.120 Insofern erklärt sich das obige Urteil aus den damals geltenden Auslegungsgrundsätzen zu § 307 ZPO, der nicht strikt angewendet werden sollte.

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Mit der gleichen Argumentation hinsichtlich des Unterhaltes wurde in drei weiteren unveröffentlichten Verfahren in den Jahren 1953 und 1954 eine Erhöhung des Kindesunterhaltes für ein in Westdeutschland lebendes Kind abgelehnt.121 In einer veröffentlichten Entscheidung aus dem Jahr 1952 wurde mit derselben Argumentation verfahren.122

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Es ist festzuhalten, dass zwischen den zu diesem Themenkomplex ergangenen veröffentlichten und unveröffentlichten Entscheidungen eine argumentative Kongruenz bestand und die Veröffentlichungspraxis repräsentativ war.

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B. Der Rückgriff auf "Treu und Glauben" - § 242 BGB

Die Anwendung des § 242 BGB123 war ebenfalls auf eine geringe Anzahl von Entscheidungen begrenzt. Innerhalb der 246 statistisch erfassten veröffentlichten Entscheidungen124 wurde im Untersuchungszeitraum insgesamt siebenmal auf § 242 BGB Bezug genommen, dies entspricht 2,84 %. Hierunter befand sich nur eine Berufungsentscheidung.

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Entscheidungstragend war § 242 BGB in zwei Anwendungsfällen.125 Eine Rückverweisung an die vorige Instanz in einem Kassationsverfahren mit der Weisung erneuter Überprüfung des Verfahrens auf eine mögliche Entscheidungserheblichkeit der Generalklauseln §§ 242 und 138 BGB trat in einem Fall auf.126 Eine Ablehnung der Anwendung des § 242 BGB erfolgte in vier Fällen,127 wobei einmal zugleich auch eine Anwendbarkeit des § 138 BGB abgelehnt wurde.128 Bei den letztgenannten Entscheidungen handelte es sich dreimal um die Ablehnung einer Verwirkung eines Anspruches wegen bloßer Untätigkeit des Gläubigers und einmal um den Präzedenzfall zu der Frage der Behandlung von sogenannten Trümmerhypotheken.

71

Innerhalb der 743 erhobenen unveröffentlichten Entscheidungen wurde in 22 Fällen mit der Generalklausel argumentiert, dies entspricht 2,96 %. Unter den 989 erfassten Entscheidungen fand folglich in 29 Fällen ein Rückgriff auf § 242 BGB statt, d.h. in 2,93 % der Prozesse.

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In den unveröffentlichten Berufungsentscheidungen nahm die Anwendung des § 242 BGB ebensoviel Raum ein wie in den unveröffentlichten Kassationsverfahren, nämlich elf Entscheidungen. Entscheidungstragend war § 242 BGB in vier Fällen.129 Als Auslegungshilfe gemeinsam mit §§ 133, 157 BGB diente § 242 BGB in einem Fall.130 In einem weiteren Verfahren war die Norm nicht entscheidungstragend.131 Eine Ablehnung der Anwendung der Generalklausel erfolgte in fünf Fällen, hierbei handelte es sich viermal um die Ablehnung der Verwirkung eines Anspruches wegen bloßer Untätigkeit des Gläubigers.132

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Innerhalb der unveröffentlichten Kassationsentscheidungen wurde ebenfalls elfmal mit § 242 BGB argumentiert. Entscheidungserheblich war § 242 BGB in drei Fällen.133 In einem Fall wurde die Norm erwähnt, ohne entscheidungserheblich zu sein.134 Eine Rückverweisung der Sache an die vorige Instanz mit der Weisung erneuter Überprüfung des Sachverhaltes auf eine mögliche Entscheidungserheblichkeit der Generalklauseln §§ 242 und 138 BGB sowie § 134 BGB erfolgte in zwei Fällen mit demselben Kläger, der Rechte aus einem Saatgutvermehrungsvertrag geltend machte.135 In fünf anderen Fällen wurde die Anwendung des § 242 BGB auf Trümmerhypotheken abgelehnt.136

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Nachfolgende tabellarische Übersicht fasst die Ergebnisse nochmals zusammen.

Verwendung des § 242 BGB:


Berufungs-
verfahren

Kassations-
verfahren

Berufungs- und
Kassations-
verfahren

Berufungs- und
Kassationsverfahren in Prozent

Unveröffentlichte Entscheidungen (743)


11


11


22


2,96 %

Veröffentlichte Entscheidungen (246)


1


6


7


2,84 %

Untersuchte Entscheidungen (989)


12


17


29


2,93 %

75

1. Die Ablehnung der Berufung auf die Einrede der Verjährung gem. § 242 BGB

In einem veröffentlichten Kassationsverfahren aus dem Jahr 1952 setzte das Oberste Gericht der Verjährungseinrede die Berufung auf "Treu und Glauben" entgegen. Ein ehemaliger Pächter, dem im Juni 1939 sein Land wegen "politischer Unzuverlässigkeit" entzogen worden war, klagte gegen den Ortsbauernführer, der sein Land übernommen hatte, auf Ersatz damals eingetretenen Getreideverlustes. Entscheidungstragend war die Frage, ob nach § 32 der 2. Kriegsmaßnahmenverordnung vom 27.09.1944 die Verjährungshemmung bis zum 31.12.1945 erhalten geblieben sei.

"... so waren doch gerade auf dem Gebiete der Rechtspflege die bis zum Ende des Jahres 1945 erreichten Erfolge noch keineswegs so groß, daß man berechtigt wäre, schon von einer Beseitigung des durch den Krieg verschuldeten Notstands zu sprechen... Aus diesen Gründen hat das Oberste Gericht schon in einer seiner ersten Entscheidungen vom 21. Juni 1950 - 1 Zz 6/50 - (OGZ I S. 14) die Fortgeltung der in der 2. Kriegsmaßnahmeverordnung enthaltenen Verjährungsvorschriften bejaht."137

76

Das Oberste Gericht argumentierte, dass sich der Verklagte gem. § 242 BGB nicht auf den Lauf der Verjährungsfrist vor der Einberufung des Klägers zur Wehrmacht im Dezember 1940 berufen könne:

"Unter diesen Umständen handelt derjenige, der sich damals an der Herbeiführung oder Aufrechterhaltung der gekennzeichneten terroristischen Zustände aktiv beteiligt hat, nach den politisch-moralischen Anschauungen unseres heutigen Staates wider Treu und Glauben, wenn er sich gegenüber einem vom nazistischen Terror Unterdrückten darauf beruft, er hätte durch Anrufung der Gerichte des gleichen verderblichen Systems Schutz gegen diese Verfolgungen nachsuchen müssen. Aus diesen Gründen greift die vom Verklagten erhobene Verjährungseinrede dem Kläger gegenüber nicht durch, da dem Verklagten die Berufung auf den Lauf der Verjährungsfrist in der Zeit vor der Einberufung des Klägers [zur Wehrmacht im Dezember 1940] nach Treu und Glauben zu versagen ist."138

Dies ist einer der wenigen Fälle, in denen eine politische Argumentation auf § 242 BGB gestützt und dadurch eine Berufung auf die Verjährung verneint wird.

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2. Die Behandlung der Schuldnerverpflichtungen bei den sogenannten "Trümmerhypotheken"

Zur Frage der Trümmerhypotheken139 entschied das Oberste Gericht in dem 1953 veröffentlichten Präzedenzfall in seinem Leitsatz wie folgt gegen eine Anwendung des § 242 BGB zugunsten der Hypothekenschuldner, deren Gebäude durch Kriegseinwirkungen Schäden erlitten hatten:

"Werden die auf einem Grundstück errichteten Gebäude durch Kriegseinwirkungen oder Kriegsfolgen beschädigt oder zerstört, so wird dadurch weder der Bestand einer auf dem Grundstück ruhenden Hypothek noch der ihr zugrunde liegenden Forderung berührt."140

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Das Amtsgericht hatte ausgeführt, der Schwerpunkt der Vertragsbeziehungen liege bei einer Hypothek nicht auf der schuldrechtlichen, sondern auf der dinglichen Seite, so dass es "Treu und Glauben" widerspräche, wenn der Gläubiger trotz Kriegszerstörung des Grundstückes weiter die vollen Zinszahlungen fordere. Das Oberste Gericht hielt dem entgegen, es sei kein Raum für eine Argumentation mit "Treu und Glauben" zur Reduktion der Zinszahlungen. Dies widerspreche dem Inhalt der §§ 1113 ff. BGB.

"Es ist aber nicht zulässig, unter Berufung, sei es auf Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches, wie §§ 157, 242 BGB, sei es auf Erkenntnisse und Erwägungen der politischen Ökonomie oder sonstiger Gesellschaftslehre, die Anwendung gesetzlicher Bestimmungen abzulehnen. § 242 BGB wie alle Auslegungsregeln des BGB sind in ihrem Wortlaut aufrechterhalten; der neue Inhalt, den gerade diese Bestimmung durch unseren Staat erhalten hat, bedeutet aber, daß sie nicht zur schrankenlosen Auflösung der Gesetzlichkeit verwendet werden dürfen, sondern auch ihre Anwendung der Förderung der Gesetzlichkeit dienen muß... Der Ausgangspunkt der in vorliegendem Fall vom Amtsgericht vorgenommenen Gesetzesumgehung ist eine unserem Recht fremde Auslegung des Wesens der Hypothek mittels einer willkürlichen Art Verlegung des Schwerpunktes auf die dingliche Seite, wie sich das Amtsgericht ausdrückt. An diese Schwerpunktverlegung wird dann zur Herbeiführung des erstrebten Zwecks, das persönliche Forderungsrecht abzulehnen, und zur Verdeckung des Bruches der Gesetzlichkeit die Treu und Glaubensregel des § 242 BGB angeschlossen, eine Methode, mit der Gerichte in der vergangenen Zeit im Falle der sogenannten Trümmerhypothek verschiedentlich zu Unrecht Verfolgung der persönlichen und dinglichen Ansprüche von Gläubigern abgelehnt haben. Sie haben sich dabei auch auf die vom ehemaligen Reichsgericht nach dem ersten Weltkrieg und unter den Verhältnissen der Inflation entwickelten Ausweitung der Lehre vom Wegfall der Geschäftsgrundlage berufen und sich für Berücksichtigung aller ihrer Meinung auch nur irgendwie in Betracht kommenden Gesichtspunkte allgemeiner wirtschaftlicher Art, wie auch des Entstehungsgrundes der Forderung, der persönlichen Verhältnisse der Parteien usw. eingesetzt. Da eine solche ins Uferlose führende Ausweitung von Grundsätzen von Treu und Glauben nicht unwidersprochen geblieben ist, erklärt sich das Bemühen, die willkürliche Auffassung von dem dinglichen Schwerpunkt und vom juristischen und ökonomischen Eigentum weiter zu 'fundieren'. Eine 'Fundierung' in diesem Sinne stellen die Ausführungen des Bezirksgerichts dar..."141

79

Das Oberste Gericht verwies darauf, dass das Bezirksgericht sich auf einen Artikel von Rudolph Gähler in der NJ 1952142 stützte, der durch einen Artikel von Hans Kleine in der NJ 1953143 als unrichtig offengelegt worden sei. Das Bezirksgericht hätte die Hypothekenvorschriften anwenden müssen.

"Denn, wenn sich ergibt, daß ein juristisches Gesetz nicht oder nicht mehr im Einklang mit den ökonomischen Verhältnissen steht, dann ist es Sache des Gesetzgebers, nicht des Gerichts, die juristischen Gesetze mit den ökonomischen Gesetzen in Einklang zu bringen. Das Gericht darf sich nicht Gesetzgebungsbefugnis anmaßen. Es ist desgleichen auch nicht zulässig, für die Anwendbarkeit der gesetzlichen Bestimmungen über die Hypothek... irgendwelche aus dem Gesetz nicht ersichtliche Erwägungen heranzuziehen, wie dies das Bezirksgericht tut. Es widerspricht unserer Gesetzlichkeit, mittels solcher Erwägungen und Umstände zur Ablehnung eines auf Grund des Gesetzes berechtigten Anspruches dinglicher oder obligatorischer Art zu gelangen... Es ist kein Grund ersichtlich, den Gläubigern mit aus 'Billigkeitsgründen' oder aus irgendwelchen außerhalb des Gesetzes liegenden Gründen aufgerichteten Konstruktionen ihre Rechte zu nehmen und sie schlechter zu stellen als die Gläubiger, die sich keine dingliche Sicherung einräumen ließen."144

80

Diese Entscheidung zeigt, dass der Begriff der "Gesetzlichkeit" den Richtern keine konkrete Auslegungshilfe bieten konnte und dass die Integration von Argumenten und Konstruktionen aus den rechtstheoretischen Aufsätzen der NJ in die Urteile ebenfalls keinen dauerhaften Lösungsweg eröffnete. Die in einem Aufsatz vorgegebene Argumentationslinie konnte sich verändern und ein Festhalten an dadurch überholten Argumenten zu dem Vorwurf falscher Gesetzesauslegung führen.

81

Eine unveröffentlichte Kassationsentscheidung aus dem Jahr 1953 lehnt unter Verweis auf obengenannte Entscheidung ebenfalls die Anwendung von § 242 BGB auf Trümmerhypotheken ab:

"Alle diese Ausführungen des Bezirksgerichts sind rechtlich irrig. Sie gehen von der Fehlauffassung aus, die in dem Artikel 'Praktische Folgerungen aus der Erkenntnis der realen Natur der Grundpfandrechte' in NJ 1952 S. 385 ff entwickelt wurde, wonach in Fällen gänzlicher oder teilweiser Zerstörung des der Sicherung des Gläubigers dienenden Grundstücks durch Kriegseinwirkung die Forderung des Gläubigers ganz oder teilweise erlösche oder zumindest nicht geltend gemacht werden könne. Das Bezirksgericht spricht sich zu den vom Amtsgericht zur Begründung herangezogenen Generalklauseln von Treu und Glauben bezw. [sic] Wegfall der Geschäftsgrundlage nicht aus. Dabei ist erkennbar, daß es im Sinne des genannten Artikels der Meinung ist, seine dem Artikel folgenden Ausführungen bedürfen keiner Bestätigung durch Treu- und Glaubensregeln oder Billigkeitserwägungen... So gehört das Urteil des Bezirksgerichts zu jenen Urteilen, die das Oberste Gericht in seinem Urteil 1 Zz 60/53 vom 20.8.1953 (NJ Nr. 20, S. 654/5) behandelt und als Fehlurteile gekennzeichnet hat: Um zu dem Ergebnis zu kommen, dem Gläubiger Befriedigung zu versagen, wird die Forderung und deren Sicherung vernachlässigt und unter Anwendung von Begriffen der politischen Ökonomie zu Konstruktionen Zuflucht genommen, die in dieser oder jener Ausdrucksweise aus der Theorie der Grundrente geprägt, die Rechtsprechung der Pflicht zur Anwendung der Bestimmungen des geltenden und in den §§ 1113 ff BGB festgelegten Hypothekenrechts entheben sollen."145

82

In der unveröffentlichten Kassationsentscheidung 1 Zz 188/53 wurde ebenfalls unter Verweis auf 1 Zz 60/53 die Anwendung von § 242 BGB auf Trümmerhypotheken abgelehnt.

"Das angefochtene Urteil gehört zu jenen,... die zu dem Ergebnis gelangen, daß bei gänzlicher oder teilweiser Zerstörung des der Sicherung der Forderung des Gläubigers dienenden Grundstücks durch Kriegseinwirkung die Forderung des Gläubigers ganz oder teilweise erloschen sei oder zumindest nicht geltend gemacht werden könne. Um zu einem solchen Ergebnis gelangen zu können, wurde die Zuflucht zu verschiedenen Konstruktionen genommen. So wurde... insbesondere zur Lehre vom Wegfall der Geschäftsgrundlage gegriffen... Es ist aber nicht zulässig, unter Berufung, sei es auf Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches, wie §§ 157, 242 BGB, sei es auf Erkenntnisse und Erwägungen der politischen Ökonomie oder sonstiger Gesellschaftslehre, die Anwendung gesetzlicher Bestimmungen abzulehnen. Die Gerichte der Deutschen Demokratischen Republik sind an die Gesetze, die der Ausdruck des Willens des Volkes ist, gebunden und sie müssen die sanktionierten Bestimmungen des Hypothekenrechts ohne Umwege und ohne die Gesetzlichkeit aufzulösen, anwenden... [Es ist] mit dem Grundsatz der Gesetzlichkeit unvereinbar..., für die Anwendbarkeit oder Nichtanwendbarkeit der hypothekenrechtlichen Bestimmungen des BGB eine Unterscheidung von Hypotheken nach dem Zweck, ihrer Begründung oder sonstigen Bedingungen ihrer Hingabe zu machen. Eine solche Unterscheidung zwischen Sicherungshypothek und 'gewöhnlicher 'Hypothek versucht auch das Kreisgericht, weil es hierzu von seinem Ausgangspunkt, dem erwähnten Artikel in der Neuen Justiz 1952 veranlaßt wird... [N]ach unserem geltenden Recht [ist] im Wesen und letzten Endes jede Hypothek akzessorisch... und [verfolgt] Sicherungszweck... Ebenso bedarf es keiner Befassung mit einzelnen gesetzlichen Regelungen, die auf alle Fälle weit davon entfernt sind, die Bestimmungen der §§ 1113 ff. BGB etwa außer Kraft setzen zu wollen. Es mag demgegenüber nur auf § 1 Abs. 1 der Verordnung der Deutschen Finanzverwaltung und der Deutschen Juristischen Verwaltung vom 4.6.1946 verwiesen werden, nach der niemand von der Verpflichtung frei wird, alte, vor dem 8.5.1945 entstandene Schulden nach Fälligkeit zu bezahlen, und die Gläubiger ungehindert das Recht haben, solche Schulden gerichtlich geltend zu machen... [D]ann, wenn durch Kriegseinwirkungen oder durch Kriegsfolgen ein bebautes Grundstück beschädigt oder zerstört wird, [wird] weder der Bestand einer darauf ruhenden Hypothek noch der ihr zugrunde liegenden Forderung berührt, demnach [sind] auch Zinsen in voller Höhe zu bezahlen..., und kein Grund ersichtlich ist, den Gläubigern, aus 'Billigkeitsgründen' oder aus welchen außerhalb des Gesetzes liegenden Gründen immer aufgerichteten Konstruktionen, ihre Rechte zu nehmen und sie schlechter zu stellen, als die Gläubiger, die sich keine dingliche Sicherheit einräumen ließen."146

83

In drei weiteren unveröffentlichten Kassationsentscheidungen aus den Jahren 1953, 1954 und 1955, in denen der Hypothekengläubiger Ansprüche auf Zahlung der Hypothekenzinsen geltend machte, wurde ebenfalls unter Verweis auf die Entscheidung 1 Zz 60/53 § 242 BGB nicht auf Trümmerhypotheken angewendet.147

84

Nachdem die Argumentationslinie für den Umgang mit der Problematik der Trümmerhypotheken 1953 mit dem Aufsatz von Kleine in der NJ geklärt war, folgte das Oberste Gericht dieser konsequent in seinem veröffentlichten Präzedenzfall aus demselben Jahr und in allen nachfolgenden, unveröffentlicht gebliebenen Entscheidungen zu diesem Themenkomplex. Es ist keine Diskrepanz hinsichtlich der verwendeten Argumente ersichtlich. Die Veröffentlichungspraxis war auch hier repräsentativ.

85

3. Die Ablehnung der Verwirkung von Ansprüchen gem. § 242 BGB

In mehreren Fällen wurde eine Verwirkung von Ansprüchen gem. § 242 BGB abgelehnt. Hierzu führte das Oberste Gericht in einem veröffentlichten Urteil vom 20. Juni 1951 erstmals aus:

"Eine Verwirkung der Ansprüche könnte nur dann in Frage kommen, wenn besondere Gründe vorlägen, nach denen die verspätete Geltendmachung der Forderung als ein Verstoß gegen Treu und Glauben angesehen werden müßte. Solche Gründe würden gegeben sein, wenn die Verklagte nach Lage der Verhältnisse berechtigt gewesen wäre, anzunehmen, daß die Forderungen... gegen sie nicht mehr geltend gemacht werden würden. Dafür fehlt es aber an jedem Anhalt... Sie mußte also damit rechnen, daß sie innerhalb der laufenden Verjährungsfrist... in Anspruch genommen werden würde."148

86

In dem veröffentlichten Verfahren 1 Zz 50/51 (Urteil vom 29.08.1951) lehnte das Oberste Gericht eine Verwirkung gem. §§ 242 und 138 BGB ab. Dem Kläger war eine Forderung am 22. September 1939 von zwei jüdischen Kaufleuten abgetreten worden. Der Kläger war der Schwiegervater eines der Kaufleute und selbst mit einer Jüdin verheiratet. Im Jahr 1949 machte er die Forderung im Klagewege geltend. Die Klage wurde von dem Amtsgericht und von dem Landgericht in zweiter Instanz wegen Verjährung abgewiesen. Das Oberste Gericht verwies die Sache mit folgender Begründung an das Amtsgericht zurück:

"[D]as Urteil des Landgerichts... unterstellt das Vorliegen eines Kontokorrentverhältnisses mit einer Verjährungsfrist von 30 Jahren für daraus entstandene Forderungen, sieht aber den Anspruch als verwirkt an, weil es dem Einwand des Klägers, er habe in der Zeit der nazistischen Gewaltherrschaft die Forderung nicht beitreiben können, keine Bedeutung beimißt. Dieser Einwand ist jedoch zu berücksichtigen. Wenn der Kläger auch nicht Jude war, so war er doch mit einer Jüdin verheiratet und hatte die Forderung von einer jüdischen Firma erworben. In einer Kleinstadt [war]... es in der Nazizeit dem Kläger tatsächlich unmöglich, die Forderung mit Aussicht auf Erfolg geltend zu machen. Darüber hinaus mußte er befürchten, daß er von den örtlichen nazistischen Machthabern des Verschiebens jüdischen Vermögens bezichtigt und verfolgt werden würde... Der Kläger hat unter dem Nationalsozialismus schwer gelitten... Das aus § 242 BGB abgeleitete Rechtsinstitut der Verwirkung sieht die Geltendmachung einer Forderung unter bestimmten Umständen bereits vor Ablauf der Verjährungsfrist als gegen Treu und Glauben oder gegen die guten Sitten verstoßend und daher als unzulässig an... Alleine aus der Untätigkeit des Gläubigers eine Verwirkung zu schließen, ohne daß eine Verjährung eingetreten ist, würde eine unbegründete und willkürliche Folgerung sein."149

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Entscheidungstragend war vorliegend die Ablehnung der Annahme einer Verwirkung der Forderung vor Ablauf der Verjährungsfrist gem. § 242 BGB. Die politisch-moralische Argumentation mit der Verfolgung des Klägers während des Nationalsozialismus war methodisch nicht notwendig. Der Verweis darauf, dass aus einer längeren Untätigkeit des Gläubigers noch keine Verwirkung folgt, hätte zur Begründung der Ablehnung einer Verwirkung des Anspruches ausgereicht.

88

Unter Verweis auf ebengenannte Entscheidung lehnte das Oberste Gericht in einem veröffentlichten Kassationsurteil 1951150 sowie in zwei unveröffentlichten Berufungsbeschlüssen aus dem Jahr 1954151 und einem Berufungsurteil aus dem Jahr 1956152 die Annahme der Verwirkung einer Forderung gem. § 242 BGB ab. In einem weiteren unveröffentlichten Berufungsbeschluss wurde 1955 die Verwirkung eines Anspruches mit der Begründung abgelehnt, dass der Schuldner "selbst den Anforderungen an Treu und Glauben im Geschäftsverkehr"153 nicht entsprochen habe.

89

Das Oberste Gericht folgte in allen nachfolgenden - veröffentlichten und unveröffentlichten - Zivilentscheidungen der Argumentation seines veröffentlichten Präzedenzfalles 1 Zz 50/51 vom 29.08.1951 zur Ablehnung der Verwirkung eines Anspruches allein wegen Untätigkeit des Gläubigers. Auch hier war die Veröffentlichungspraxis repräsentativ.

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4. § 242 BGB und die Problematik der Rechtsnachfolge bei Konsumgenossenschaften

In einem unveröffentlichten Berufungsverfahren aus dem Jahr 1958 stellte das Oberste Gericht fest, dass das Einstellen zunächst geleisteter Hypothekenzahlungen keinen Verstoß gegen § 242 BGB darstellte, da der jetzige Grundstückseigentümer, eine Konsumgenossenschaft, nicht Rechtsnachfolger des damaligen Grundstückskäufers sei.154 Das Urteil verweist auf das Urteil 1 Zz 78/51 vom 31.10.1951,155 dessen Leitsatz lautete:

"Die heutigen Gebietskörperschaften der Deutschen Demokratischen Republik sind ebensowenig identisch mit den Gebietskörperschaften des Hitlerstaates oder deren Rechtsnachfolger wie die Deutsche Demokratische Republik selbst. Sie haften daher nicht für deren Verbindlichkeiten, und zwar weder vertraglich noch aus anderen gesetzlichen Gründen."156

Hier führte die politisch motivierte Argumentation mit der fehlenden Rechtsnachfolgerschaft zu einer Ablehnung des Anspruches, § 242 BGB wird nur unterstützend erwähnt.

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5. Weitere Zivilverfahren mit Bezug auf § 242 BGB

1951 wurde in einer unveröffentlichten Kassationsentscheidung das Eintreten des Annahmeverzuges eines Gläubigers unter Verweis auf § 242 BGB verneint.157

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1953 führte das Oberste Gericht in einem weiteren unveröffentlichten Kassationsverfahren aus, zwar sei der betreffende Vertrag gem. §§ 117 bzw. 138 BGB nichtig, ein Zurückbehaltungsrecht gem. § 273 BGB könne jedoch trotzdem geltend gemacht werden. Vorliegend stehe der Geltendmachung des Zurückbehaltungsrechtes aber § 242 BGB entgegen.

"In rechtlicher Hinsicht ist zu beachten, daß... auch aus einem nichtigen Rechtsverhältnis ein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 BGB abgeleitet werden kann. Ebenso ist für den Begriff des Zusammenhanges bei Zurückbehaltungsrecht rechtlich eindeutig, daß dann, wenn ein solcher natürlicher Zusammenhang zwischen den beiderseitigen Ansprüchen vorliegt, die einseitige Geltendmachung des Anspruchs ohne Rücksicht auf den dem anderen zustehenden Anspruch als ein Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen würde, eben ein natürlicher Zusammenhang genügt; dabei kommt es darauf an, daß ein einheitliches Lebensverhältnis gegeben ist."158

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1954 entschied das Oberste Gericht in einem veröffentlichten Berufungsurteil wegen nur teilweiser Erfüllung der werkvertraglichen Leistungen durch einen Architekten über eine Herabsetzung der vom Architekten eingeklagten Gebühren für seine Tätigkeit gem. §§ 635, 242 BGB.159
1955 wurde § 242 BGB in einem unveröffentlichten Kassationsverfahren zur Ergänzung der vertraglichen Bestimmungen in einem Pachtvertrag zwischen Privatpersonen herangezogen.160

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1957 führte das Oberste Gericht in einem unveröffentlichten Berufungsverfahren, in dem es um Minderung des Kaufpreises von Waschmaschinen wegen Mängeln ging, aus, das es irrig sei, anzunehmen, ein Vertragspartner sei von seinen Vertragspflichten nach Treu und Glauben entbunden, wenn der andere Teil wesentliche Vertragsbestimmungen verletzt habe.161

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Im selben Jahr klagte die Deutsche Notenbank in einem unveröffentlichten Berufungsverfahren gegen einen der zwei persönlich haftenden Gesellschafter einer offenen Handelsgesellschaft auf Rückzahlung einer im Zuge der Währungsreform 1948 zu Unrecht erfolgten Vorzugsumwertung des Gesellschaftsvermögens im Verhältnis 1:1. Es gab Verhandlungen zwischen der Klägerin und dem Verklagten sowie dem zweiten persönlich haftenden Gesellschafter. Währenddessen lief die Verjährungsfrist ab. Das Oberste Gericht führte aus, dass sich der Verklagte nicht auf die Einrede der Verjährung berufen dürfe, denn

"[e]r selbst war es, der die Klägerin mit Bewußtsein von der Erhebung der Klage gegen ihn abzuhalten suchte. Wenn darüber die Verjährungsfrist des § 159 HGB abgelaufen ist, so verstößt es gegen Treu und Glauben, daß gerade der Verklagte daraus für sich Recht herzuleiten versucht."162

In dieser Entscheidung erfolgte eine Ausweitung des § 242 BGB auf einen Fall, in dem der Verklagte lediglich Verhandlungen über die Klageforderung führte und sich hinsichtlich des Eintritts der Verjährung kein arglistiges Verhalten zu Schulden kommen ließ.

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In einem weiteren unveröffentlichten Berufungsverfahren desselben Jahres verlegte das Oberste Gericht den Fristbeginn für die Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen bei einem Baumangel gem. § 242 BGB von der Abnahme des Bauwerkes auf die Urteilsverkündung. Die Verklagte hatte den Bau mangelhaft mit den falschen Materialien ausgeführt.163

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Ein gehäufter Rückgriff auf § 242 BGB zur Lösung politisch brisanter Fälle im Sinne der neuen Gesellschaftsordnung ist für den Untersuchungszeitraum nicht zu verzeichnen. Die in obigem Abschnitt aufgezeigten Zivilverfahren beleuchten eine in Maßen erfolgte Verwendung der Generalklausel hinsichtlich der unterschiedlichsten Sachverhalte.

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C. § 826 BGB

Zwar wurde § 826 BGB für die Sicherung des Zusammenlebens der Menschen "nach den Grundsätzen der sozialistischen Moral" eine "besondere erzieherische Bedeutung" zugesprochen,164 jedoch wurden während des Untersuchungszeitraumes lediglich zwei der untersuchten165 Urteile auf § 826166 BGB gestützt.167 In einem veröffentlichten Kassationsurteil aus dem Jahr 1950 nahm das Oberste Gericht eine zum Schadensersatz wegen Verdientsausfalls verpflichtende sittenwidrige Schädigung gem. § 826 BGB an. Der Kläger hatte sich im März 1944 der Verklagten und weiteren Personen gegenüber kritisch über den möglichen Kriegsausgang geäußert. Der nunmehr verstorbene Vater der Verklagten hatte den Kläger bei einem Personalamtsleiter der NSDAP denunziert. Dieser wurde daraufhin zu mehrmonatiger Haft verurteilt. Der Leitsatz des Obersten Gerichts lautete:

"Eine zum Schadensersatz verpflichtende sittenwidrige Handlung im Sinne des § 826 BGB liegt nicht nur dann vor, wenn der Anzeigende seine Denunziation eines Antifaschisten selbst an die Gestapo, die Polizei oder das Gericht gegeben, sondern auch dann, wenn er sie einer Person weitergegeben hat, von der er nach menschlichem Ermessen annehmen mußte, daß diese weitere Schritte unternehmen würde."168

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In einem unveröffentlichten Kassationsverfahren im Jahr 1957 wurde ebenfalls § 826 BGB angewendet. Hier ging es um die Möglichkeit der Schädigung von Volkseigentum durch gutgläubigen Erwerb von Gegenständen, die einen Bankkredit sicherten. Klägerin war eine Kreissparkasse, Verklagte der Käufer von Gegenständen, die er von einem Kreditnehmer der Klägerin gekauft hatte. Die Klägerin verlangte die Herausgabe der Sachen, da sie deren Eigentümerin sei. Der Fall wurde an das Kreisgericht zur erneuten Überprüfung einer Anwendbarkeit des § 826 BGB hinsichtlich des Vorliegens von Vorsatz zurückverwiesen. Der Kreditnehmer hatte mit der Sparkasse Folgendes vereinbart:

"Das Eigentum an den in Ausnutzung dieses Berechtigungsscheines erworbenen Sachen hat der Käufer auf die ausstellende Sparkasse übertragen."169

100

Das Oberste Gericht führte aus, dass diese Vereinbarung mangels näherer Bezeichnung der übereigneten bzw. zu übereignenden Sachen keine Sicherungsübereignung darstelle. Daher sei ein Anspruch der Klägerin aus Eigentumsrecht nicht gegeben. Es gelte jedoch grundsätzlich Folgendes:

"Wer Sachen von deren Privateigentümer durch Vertrag mit diesem erworben hat, kann sie allerdings auch dann behalten, wenn der Privateigentümer die Sachen mit Hilfe eines staatlichen und noch nicht zurückgezahlten Kredits erworben hatte, aber ihm, dem Erwerber, dies unbekannt war. Das gilt auch dann, wenn diese Unkenntnis auf Fahrlässigkeit, sogar auf grober Fahrlässigkeit, beruht. Anders ist die Rechtslage aber dann, wenn der Erwerber gewußt hat, daß der staatliche Kredit nicht zurückgezahlt und diese Zurückzahlung auch nicht in absehbarer Zeit zu erwarten war,... Wer auf diese Weise bewußt dem Kreditschuldner ermöglicht, den kreditausgebenden Träger von Volkseigentum zu schädigen, fügt dem Volkseigentum in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise vorsätzlich Schaden zu und ist daher dessen Träger gemäß § 826 BGB zum Ersatz verpflichtet... Es wird also nunmehr zu prüfen sein, ob dem Verklagten Vorsatz zur Last fällt."170

101

Das Oberste Gericht behandelte § 826 BGB differenziert, ohne die Norm zu politischen Zwecken zu instrumentalisieren. Eine Aussage zur Repräsentativität der Veröffentlichungen muss hier, da § 826 BGB nur in zwei der untersuchten Zivilentscheidungen angewendet wurde, unterbleiben.

102

D. § 157 BGB

Ein Rückgriff auf § 157 BGB171 erfolgte im Untersuchungszeitraum lediglich in vier der 989 statistisch erfassten Zivilverfahren. Es handelte sich jeweils um Fälle ohne jegliche politische Brisanz. 1951 wurde in einem veröffentlichten Kassationsverfahren, in dem das Eigentum an einem Pferd streitig war, eine Erklärung gem. § 157 BGB als Genehmigung der Verfügung eines Nichtberechtigten ausgelegt.172 In einem unveröffentlichten Kassationsverfahren aus dem Jahr 1954 diente die Norm der Auslegung eines Vertrages über den Tausch von Porzellan zwischen zwei Privatpersonen.173 § 157 BGB wurde 1955 und 1956 in zwei veröffentlichten Berufungsverfahren als Auslegungshilfe herangezogen, einmal bezogen auf einen Versicherungsvertrag ,174 das zweite Mal zur Ermittlung der sich aus einem Lottospielvertrag ergebenden Nebenpflichten.175

103

Von der Möglichkeit, in politisch brisanten Fällen § 157 BGB zu instrumentalisieren, wurde kein Gebrauch gemacht. Die obigen Verfahren behandeln Vertragsprobleme des täglichen Lebens. Wegen der geringen Anzahl der Verfahren mit Bezug auf diese Norm kann eine Aussage zur Repräsentativität der Veröffentlichungspraxis hinsichtlich der Verwendung des § 157 BGB nicht getroffen werden.

104

IV. Fazit

Die in der amtlichen Entscheidungssammlung des Obersten Gerichts (OGZ) sowie in der NJ veröffentlichten Zivilentscheidungen des Obersten Gerichts boten trotz der Lenkungsfunktion der Veröffentlichungen einen repräsentativen Einblick in die tatsächliche Urteilspraxis dieses Gerichts, sofern dies die Begründungskultur hinsichtlich der Generalklauseln betrifft. Die Vermutung hat sich nicht bestätigt, dass die Veröffentlichungspraxis in einigen Fällen ein verschobenes Bild vom Zivilprozessalltag zeichnete.

105

Festzuhalten ist jedoch als Ergebnis der quantitativen Analyse, dass die Veröffentlichungspraxis nicht repräsentativ war, soweit dies die Häufigkeit der Argumentation mit § 138 BGB betraf. In überdurchschnittlich vielen veröffentlichten Verfahren wurde diese Norm einbezogen. Der Vergleich mit den unveröffentlichten Entscheidungen führt zu der Schlussfolgerung, dass § 138 BGB im Zivilprozessalltag insgesamt eine geringere Rolle gespielt hat, als bisherige Analysen veröffentlichter Entscheidungen vermuten ließen. Bezüglich der Verwendung des § 242 BGB war keine Diskrepanz zwischen der Häufigkeit der Verwendung der Norm in den veröffentlichten und in den unveröffentlichten Entscheidungen ersichtlich.

106

In den Kassationsverfahren wurde in 21 Fällen mit § 138 BGB argumentiert, in den Berufungsverfahren nur insgesamt in 6 Fällen. Dies erklärt sich aus der politischen Funktion des Kassationsverfahrens. Demgegenüber kam § 242 BGB in beiden Verfahrensarten in gleichem Maße zur Anwendung. § 826 BGB und § 157 BGB kamen nur in einer geringen Anzahl von Fällen vor, so dass ein Vergleich beider Verfahrensarten wenig sinnvoll erscheint.

107

Das Postulat der Rechtstheorie der DDR, Generalklauseln nicht zu "missbrauchen", wie dies aus Sicht ihrer Vertreter in der Weimarer Zeit und während des Nationalsozialismus geschehen war, wurde auch in der Rechtspraxis des Obersten Gerichts beachtet. Für die Umwertung des BGB in den Anfangsjahren der DDR stand sowohl in der Rechtswissenschaft als auch in den Zivilentscheidungen des Obersten Gerichts der DDR die offen politische Argumentation gegenüber der Verwendung des traditionellen methodischen Flexibilisierungsinstrumentariums der Generalklauseln im Vordergrund.

108

Die Verwendung von Generalklauseln nahm insgesamt innerhalb der unveröffentlichten Entscheidungen des Obersten Gerichts in Kassations- und Berufungsverfahren quantitativ nur einen geringen Raum ein. Sie erfolgte in zwei bis drei Prozent der Fälle. Ergebnis der Betrachtung der rechtstheoretischen Rahmenbedingungen und der qualitativen Auswertung der Zivilverfahren ist, dass der Bedeutung traditioneller juristischer Methode im Rahmen der Umwertungsbemühungen kein besonderer Wert beigemessen wurde. Folglich wurde keine Notwendigkeit des gehäuften Rückgriffs auf die Generalklauseln zur Anpassung der Normen des BGB an die geänderten gesellschaftlichen Verhältnisse gesehen. Abgesehen von den wenigen Fällen zu den oben genauer beleuchteten Themengebieten Kriegslieferungsverträge, Trümmerhypotheken, Ehegattenunterhaltsvergleiche und Kindesunterhalt wurden die Generalklauseln hauptsächlich in Fällen des täglichen Lebens ohne besonderen Politikbezug angewendet. Keineswegs standen sie in den Gründungsjahren der DDR im Zentrum der Umwertungsbemühungen des Obersten Gerichts. Die von Haferkamp in der Untersuchung der veröffentlichten Entscheidungen gewonnenen Erkenntnisse hinsichtlich der Rolle der Generalklauseln für die Zivilrechtspraxis der DDR lassen sich auf die unveröffentlichten Entscheidungen übertragen. Die Veröffentlichungspraxis war hinsichtlich der den Generalklauseln inhaltlich zugedachten Rolle repräsentativ. Die veröffentlichten Entscheidungen spiegeln die Wirklichkeit des Zivilprozessalltages wahrheitsgetreu wider, sofern dies die Argumentationslinien bei Anwendung der Generalklauseln betrifft.

109

Wegen der veränderten rechtstheoretischen Zielsetzungen nach der Babelsberger Konferenz 1958 ist eine Übertragung der bei der Untersuchung der unveröffentlichten Entscheidungen bis 1958 gewonnenen Erkenntnisse auf die Begründungskultur nach 1958 nicht ohne weiteres möglich. Rückschlüsse auf die Bedeutung der Generalklauseln für die Zivilverfahren nach 1958 lassen sich ohne eine weiterführende empirische Untersuchung fortlaufender Entscheidungen des Obersten Gerichts nicht ziehen. Es liegt jedoch die Vermutung nahe, dass mit fortschreitender Ausgliederung von Rechtszweigen aus dem BGB und der Kodifizierung eigener sozialistischer Gesetze ein Rückgriff auf das Flexibilisierungsinstrumentarium der Generalklauseln in den Zivilentscheidungen des Obersten Gerichts der DDR in noch geringerem Maße als in den Fünfziger Jahren notwendig erschien.

110


Fußnoten:

1Hans Kleine u. a., Das Zivilrecht der Deutschen Demokratischen Republik. Allgemeiner Teil, 1. Aufl., Berlin (Ost) 1955, ebenso ders. u.a., a.a.O., 2., unveränd. Aufl. Berlin (Ost) 1958. Herausgeber des Lehrbuches war das 1952 gegründete Deutsche Institut für Rechtswissenschaft. 1959 erfolgte seine Eingliederung als Prorektorat für Forschung in die Deutsche Akademie für Staats- und Rechtswissenschaft 'Walter Ulbricht' (DASR), vgl. Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen, DDR Handbuch, Bonn 1975, S. 23.

2 Generalklauseln sind gesetzliche Vorschriften, die unbestimmte Rechtsbegriffe auf der Tatbestands- oder Rechtsfolgenseite enthalten (z.B. "Verkehrssitte"). Der Richter muss hier bei der Rechtsanwendung eine Wertung vornehmen. Demgegenüber stehen die bestimmten Rechtsbegriffe (z.B. "Sache"), bei denen die Möglichkeiten der Auslegung begrenzt sind, weil der Sinn der Begriffe durch den Sprachgebrauch bereits eng umschrieben ist, vgl. Bernd Rüthers, Die unbegrenzte Auslegung. Zum Wandel der Privatrechtsordnung im Nationalsozialismus, 5., erw. Auflage Heidelberg 1997, 211f.

3Kleine in: ders. u.a. (wie Anm. 1, 1. Aufl. 1955), S. 57; ebenso ders. u.a. (wie Anm. 1, 2. Aufl. 1958), S. 59.

4Kleine,a.a.O.

5 Es ist nicht möglich, ohne Untersuchung der Zivilprozesse von der Rechtstheorie unmittelbar auf die Rechtspraxis zu schließen. Der Versuch, von der nationalsozialistischen Privatrechtstheorie auf die Rechtspraxis Rückschlüsse zu ziehen, zog nur bedingt richtige Folgerungen nach sich, Rainer Schröder, Zivilrechtsprechung in der DDR während der Geltung des BGB. Vorüberlegungen zu einem Forschungsprojekt mit vergleichender Betrachtung des Zivilrechts im Dritten Reich und in der Bundesrepublik, in: Heinz Mohnhaupt/Dieter Simon (Hg.), Vorträge zur Justizforschung: Geschichte und Theorie, Band 2, F.a.M. 1993, S. 527 ff., 537.

6Hans-Peter Haferkamp, Begründungsverhalten des Reichsgerichts zwischen 1933 und 1945 in Zivilsachen verglichen mit Entscheidungen des Obersten Gerichts der DDR vor 1958, in: Rainer Schröder (Hg.), Zivilrechtskultur der DDR Band 2 (= Zeitgeschichtliche Forschungen 2/1), Berlin 2000, S. 15 ff. , S. 19.

7 Bisherige Untersuchungen stützen sich auf veröffentlichte Entscheidungen des Obersten Gerichts der DDR. Eine fundierte Darstellung der Rechtstheorie der DDR unter Epochenbildung mit einer Untersuchung veröffentlichter Urteile des Obersten Gerichts liefert Inga Markovits, Sozialistisches und bürgerliches Zivilrechtsdenken in der DDR (= Abhandlungen zum Ostrecht, Heft 7), Köln 1969. Eine Untersuchung der Auslegungstheorie im Zivilrecht der DDR und der Zivilrechtspraxis des Obersten Gerichts bis zum Ende der 60er Jahre bei Heide Pfarr, Auslegungstheorie und Auslegungspraxis im Zivil- und Arbeitsrecht der DDR (Schriften zur Rechtstheorie, Heft 30), Berlin 1972. Eine Auseinandersetzung mit der Zivilrechtsprechung der DDR unter Einbeziehung veröffentlichter Urteile des Obersten Gerichts bei Schröder (wie Anm. 5), S. 527 ff., S. 563 ff. Jens Wanner untersucht die Rolle des § 138 BGB in der Zivilrechtsprechung des Obersten Gerichts der DDR anhand der veröffentlichten Urteile: Die Sittenwidrigkeit der Rechtsgeschäfte im totalitären Staate: eine rechtshistorische Untersuchung zur Auslegung und Anwendung des § 138 Absatz 1 BGB im Nationalsozialismus und in der DDR, Ebelsbach 1996. Einige veröffentlichte Entscheidungen des Obersten Gerichts zum BGB analysiert Jürgen Löbbe, Sozialistische Rechtsanwendung. Dargestellt an der sozialistischen Rechtstheorie und der Rechtsprechung des OG der DDR zum ZGB (Schriftenreihe Studien zur Rechtswissenschaft, Band 19), S. 156f.

8Pfarr (wie Anm. 7), S. 15; Haferkamp (wie Anm. 6), S. 29.

9 Vgl. unten Abschnitt III. A., B., C., und D. sowie Haferkamp (wie Anm. 6), S. 41f.

10 Vgl. allgemein zu der Problematik der Übernahme alter Gesetze in der DDR Günther Klinger, in: Kleine u.a. (wie Anm. 1, 2. Aufl. 1958), S. 101 - 104.

11 Urt. v. 5.4.1950 - 1 Zz 1/50 - Bundesarchiv (BArch) DP 2 Nr. 3414 - OGZ 1,7 - NJ 1950, S. 213.

12 Urt. v. 21.2.1958 - 1 Zz 5/58 - BArch DP 2 Nr. 3469 - OGZ 6, 131 - NJ 1958, S. 613.

13 Beschl. v. 6.12.1952 - 1 Uz 3/52 - BArch DP 2 Nr. 3417. Bei der davor archivierten Entscheidung 1 Uz 1/52 war kein Verkündungsdatum angegeben.

14 Urt. v. 7.3.1958 - 2 Uz 1/58 - BArch DP 2 Nr. 3593.

15 Die DASR diente als Institution des Ministerrates der Aus- und Weiterbildung von leitenden Mitarbeitern des Staatsapparates und der Justiz. Schwerpunkt der Tätigkeit der DASR zwischen 1953 und 1963 war die Juristenausbildung, so dass sie strukturell als 5. juristische Fakultät der DDR neben den Universitäten in Berlin (Ost), Halle, Jena und Leipzig bestand, vgl. Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen, DDR Handbuch, Bonn 1975, S. 23f.; zur Geschichte der DASR vgl. etwa Ulrich Bernhardt, Die Deutsche Akademie für Staats- und Rechtswissenschaft 'Walter Ulbricht' 1948 - 1971, F.a.M. 1997.

16 Zur umfassend erforschten Babelsberger Konferenz vgl. etwa: Jörn Eckert (Hg.), Die Babelsberger Konferenz vom 2./3. April 1958, Rechtshistorisches Kolloquium 13.-16. Februar 1991, Baden-Baden 1993; ders., Die Babelsberger Konferenz - Legende und Wirklichkeit, in: Deutscher Bundestag (Hg.), Materialien der Enquete-Kommission "Aufarbeitung von Geschichte und Folgen der SED-Diktatur in Deutschland" (12. Wahlperiode des Bundestages), Band IV: "Recht, Justiz und Polizei im SED-Staat", Baden-Baden 1995, S. 69-116; Hartmut Soell, Überblick zu den historischen Rahmenbedingungen der Babelsberger Konferenz, a.a.O., S. 90 ff.; Stefan Güpping, Die Bedeutung der 'Babelsberger Konferenz' von 1958 für die Verfassungs- und Wirtschaftsgeschichte der DDR, Berlin 1997.

17 Zivilgesetzbuch der Deutschen Demokratischen Republik vom 19. Juni 1975, GBl. I Nr. 27, S. 465.

18 Bürgerliches Gesetzbuch vom 18. August 1896.

19 Vgl. zur Sanktionierung der Rechtsnormen etwa Klinger, in: Kleine u.a. (wie Anm. 1, 2. Aufl. 1958), S. 104; Werner Artzt, Zur Rolle des Zivilrechts beim Aufbau des Sozialismus in der Deutschen Demokratischen Republik, NJ 1956, S. 65 ff., 67; Urt. v. 20.8.1953 - 1 Zz 60/53 - OGZ 2, 215 ff., 219 sowie Pfarr (wie Anm. 7), S. 35-38.

20 Zu der Problematik der Ausgliederungen Rainer Schröder, Geschichte des DDR Rechts, Jura Heft 2, 2004, S. 73 ff., 79; Uwe-Jens Heuer, Rechtsverständnis in der DDR, in: ders. (Hg.), Die Rechtsordnung der DDR. Anspruch und Wirklichkeit, Baden-Baden 1995, S. 67; Gerhard Dilcher, Vom Bürgerlichen Gesetzbuch zu den "Rechtszweigen" - Sozialistische Modernisierung oder Entdifferenzierung des Rechts?, in: ders. (Hg.), Rechtserfahrung DDR: Sozialistische Modernisierung oder Entrechtlichung der Gesellschaft?, Berlin 1997, S. 99-109.

21 Vgl zum Begriff des Zivilrechts Dornberger,Kleine und Klinger, in: Kleine u.a. (wie Anm. 1, 1. Aufl. 1955), Abschnitt I-VI, S. 7 - 141. Rückblickend zeigt sich, dass die DDR gegenüber der BRD als Folge der Planwirtschaft und der Entdifferenzierung von Moral und Recht eine niedrigere Zivilprozessrate hatte, Rainer Schröder, Zivilprozess in der DDR: Vorurteil und Realität, in: ders. (Hg.), Zivilrechtskultur der DDR Band 1 (Zeitgeschichtliche Forschungen Band 2/1), Berlin 1999, S. 89 ff., 96f., 110-113, 141f.

22 Die Veröffentlichungen und allgemein die Informationstätigkeit des Obersten Gerichts dienten der Leitung der Rechtsprechung, s. Rudi Beckert, Informationspolitik des Obersten Gerichts der DDR auf dem Gebiet des Zivilrechts, in: Rainer Schröder (Hg.), Zivilrechtskultur der DDR (Zeitgeschichtliche Forschungen Band 2/3), Berlin 2001, S. 79-88. Gemeinsam mit dem Ministerium der Justiz wurden Revisionen der gesamten Tätigkeit unterer Gerichte durchgeführt, Hilde Benjamin, Die Zusammenarbeit der drei zentralen Justizorgane bei der Aufsicht der Rechtsprechung, NJ 1954, 716f.

23 Hierzu s. Andreas Gängel, Das Oberste Gericht der DDR - Leitungsorgan der Rechtsprechung - Entwicklungsstationen, in: Hubert Rottleuthner, Steuerung der Justiz in der DDR: Einflußnahme der Politik auf Richter, Staatsanwälte und Rechtsanwälte, Köln 1994, S. 253 - 286 sowie Rainer Schröder, Justiz in den deutschen Staaten seit 1933: Prolegomena zu einem Justizvergleich, http://fhi.rg.mpg.de/articles/9910schroeder.htm 25.10.1999, Rz. 12.

24 § 58 GVG. Das GVG ist am 15. Oktober 1952 in Kraft getreten, § 69 des Gesetzes über die Verfassung der Gerichte der Deutschen Demokratischen Republik (Gerichtsverfassungsgesetz) vom 2. Oktober 1952, GBl. d. DDR Nr. 141 vom 9. Oktober 1952, S. 988.

25 Die Richtlinien blieben zahlenmäßig beschränkt, sie wurden erst erlassen, wenn die Lenkung der Rechtsprechung der unteren Instanzen durch die Kassation nicht ausreichend erschien, vgl. Gängel (wie Anm. 23), S. 262.

26Gängel (a.a.O.), S. 260 mit Fußnote 36.

27 Daneben gab es eine Fülle weiterer schriftlicher Anleitungsmöglichkeiten, s. die Übersicht bei Hubert Rottleuthner, Zur Steuerung der Justiz in der DDR, in: ders (wie Anm. 23), S. 33 sowie die im Anhang des Buches abgedruckte Übersicht über die Materialien zur Steuerung der Justiz.

28Rottleuthner (a.a.O.), S. 26. Zur Entstehungsgeschichte des MdJ und dessen Rolle bei der Justizsteuerung vgl. Hermann Wentker, Justiz in der SBZ/DDR 1945-1953: Transformation und Rolle ihrer zentralen Institutionen (Quellen und Darstellungen zur Zeitgeschichte, Band 51), München 2001, S. 223-305 sowie S. 485-526.

29 Gesetz über die Errichtung des Obersten Gerichtshofes und der Obersten Staatsanwaltschaft der Deutschen Demokratischen Republik vom 08. Dezember 1949 (OGStAG), GBl. d. DDR Nr. 16 vom 19. Dezember 1949, S. 111f.

30 Vgl. die ausführliche Übersicht zu Wesen und Inhalt des Kassationsverfahren aus Sicht der Rechtswissenschaft der DDR bei Friedrich-Karl Winkler, in: Hans Nathan u.a., Das Zivilprozessrecht der Deutschen Demokratischen Republik, Bd. 2, Berlin (Ost) 1958, S. 227 - 249 sowie aus heutiger Sicht die Untersuchung von Torsten Reich, Die Erforschung der objektiven Wahrheit. Zivilprozessualer Wandel in der DDR (Berliner Juristische Universitätsschriften, Grundlagen des Rechts, Bd. 22), i.Vb. 2004, Kapitel III.C.1.e) sowie ders., Die Kassation in Zivilsachen. Maßnahmeakt oder Rechtsinstitut? http://fhi.rg.mpg.de/zitat/9711reich.htm vom 24.11.1997. Einen Überblick zum Verfahrensablauf bieten Wilhelm Heinrich, Wesen und Wirkungen der Kassation in Zivilsachen, NJ 1950, S. 333-336 und Kurt Schumann, Das Oberste Gericht der Deutschen Demokratischen Republik als Kassationsgericht, NJ 1950, S. 240-242.

31Hilde Benjamin, Anmerkung zum Urteil des Obersten Gerichts vom 24.3.1950 - 3 Zst. 4/50 - NJ 1950, S. 215 ff., 216, 217.

32Hans Nathan, Die obersten Rechtspflegeorgane der Deutschen Demokratischen Republik, NJ 1949, S. 303 ff., S. 304.

33 § 11 (2) OGStAG.

34 § 12 a) und b) OGStAG.

35 § 13 (1) OGStAG.

36 Im Jahre 1953 kamen 270 Kassationsanregungen aus der Bevölkerung, 1954 waren es 440, 1955 insgesamt 474 und 1956 insgesamt 714, vgl. Brief des Richters Ziegler vom 07.12.1956 an das Ministerium der Finanzen betreffend den Stellenplanentwurf für 1957, BArch DP 2 Nr. 834, Akte nicht nummeriert; vgl. auch Kurt Schumann, Das Kassationsverfahren - ein Mittel zur Durchführung des neuen Kurses, NJ 1953, S. 733 ff., S. 735.

37Reich, Die Erforschung der objektiven Wahrheit (wie Anm. 30), Kapitel III. C. 1. e (3).

38 Brief des Richters Ziegler (wie Anm. 36), Akte nicht nummeriert.

39 Geschäftsverteilungsplan des Obersten Gerichts für das Jahr 1958, BArch DP 2 Nr. 834, Akte nicht nummeriert.

40 § 55 (1) Nr. 2 a) GVG. Das Bezirksgericht war erstinstanzlich zuständig, wenn der Streitwert 3.000,00 DM überstieg und eine der Parteien Träger gesellschaftlichen Eigentums war, § 42 GVG i.V.m. § 50 Abs. 1 GVG. Zur Betrachtung des Berufungsverfahrens in der Lehre der DDR vgl. den Überblick bei Fritz Niethammer, in: Nathan u.a. (wie Anm. 30), S. 186 - 216.

41 § 55 (1) Nr. 3 GVG.

42 § 57 Abs. 2 S. 1 GVG. Das Plenum setzt sich aus dem Präsidenten, dem Vizepräsidenten, sowie sämtlichen Oberrichtern, Richtern und Hilfsrichtern des Obersten Gerichts zusammen, § 56 Abs. 1 Satz 1 GVG.

43 Der 1. Zivilsenat war in der zweiten Hälfte der 50er Jahre als Rechtsmittel- und Kassationssenat zuständig für die Entscheidungen der Gerichte der Bezirke Magdeburg, Halle, Leipzig, Karl-Marx-Stadt, Erfurt, Gera und Suhl sowie als Kassationssenat für familienrechtliche Streitigkeiten aus allen Bezirken. Der 2. Zivilsenat war zuständig für die Entscheidungen der Gerichte aus den Bezirken Schwerin, Rostock, Neubrandenburg, Frankfurt (Oder), Cottbus, Potsdam und Dresden. Daneben hatte er die ausschließliche Zuständigkeit für Verkehrs- und Arbeitsrechtssachen aus allen Bezirken, Geschäftsverteilungsplan des Obersten Gerichts für das Jahr 1958 (wie Anm. 39), Akte nicht nummeriert. Für Ostberlin hatte das Oberste Gericht bis 1960 keine Zuständigkeit, das Kammergericht verblieb bis zu diesem Zeitpunkt das höchste Gericht für Ostberlin, vgl. Gängel (wie Anm. 23), S. 254f.

44 § 2 (2) OGStAG sowie Artikel 131 und 132 der Verfassung der DDR von 1949.

45Kurt Schumann war von Dezember 1949 bis 1960 Präsident des Obersten Gerichts, zwischen 1960 und 1963 Professor für Zivilrecht und Zivilprozessrecht an der Deutschen Akademie für Staats- und Rechtswissenschaften, wechselte anschließend für eine Professur mit Lehrstuhl für Zivilrecht an die Humboldt Universität Berlin (Ost), und war später Mitglied der Kommission zur Ausarbeitung des Zivilgesetzbuches von 1975, vgl. Helmut Müller-Enbergs/ Jan Wielgohs/Dieter Hoffmann (Hg.), Wer war wer in der DDR? Ein biographisches Lexikon, Bundeszentrale für politische Bildung, Berlin 2001, S. 776.

46 Dies waren Dr. Rothschild, Trapp, Dr. Melz, Drechsler, Dr. Löwenthal, Göldner, Paschke und Ziegler, vgl. Bericht des Präsidenten des Obersten Gerichts an den Chef der Justizabteilung der sowjetischen Kontrollkommission vom 31.03.1950 über die Tätigkeit des Obersten Gerichts der DDR von seiner Gründung bis zum 31.03.1950, BArch DP2 Nr. 809, S. 6f.

47Müller-Enbergs u.a. (wie Anm. 45), S. 61.

48 Vgl. die Übersicht zu den Publikationen bei Haferkamp (wie Anm. 6), S. 32 Fußnote 100.

49 Bericht des Präsidenten des Obersten Gerichts (wie Anm. 46), S. 8.

50Dilcher (wie Anm. 20), S. 25 m.w.N.

51Rainer Schröder, Geschichte des DDR Rechts, Jura Heft 2, 2004, S. 73 ff., 77. Zur Volksrichterausbildung aus damaliger Sicht Hilde Benjamin, Volksrichter - Träger einer demokratischen Justiz, in: Max Fechner (Hg.), Beiträge zur Demokratisierung der Justiz, Berlin (Ost) 1948, S. 163-190. Zur Entwicklung der juristischen Kader Bettina Hoefs, Kaderpolitik des Ministeriums der Justiz 1945-1960, in: Schröder (wie Anm. 21), S. 145-178. Ausführlich zur Juristenausbildung Haferkamp/ Torsten Wudtke, Richterausbildung in der DDR, http://fhi.rg.mpg.de/zitat/9710haferkamp-wudtke.htm 25.Oktober 1997 sowie Hermann Wentker (Hg.), Volksrichter in der SBZ/DDR 1945-1952. Eine Dokumentation, München 1997; Hermann Wentker (wie Anm. 28), S. 119-172 und S. 315-368; Malgorzata Liwinska, Die juristische Ausbildung in der DDR - im Spannungsfeld von Parteilichkeit und Fachlichkeit, Akademische Abhandlungen zu den Rechtswissenschaften, Berlin 1997 und Andrea Feth, Die Volksrichter, in: Rottleuthner (wie Anm. 23), S. 351-378.

52 Dies waren die Richter Göldner, Drechsler, Stegmann und Trapp, Bericht des Präsidenten des Obersten Gerichts (wie Anm. 46), S. 8.

53Rüthers, (wie Anm. 2).

54Rüthers (a.a.O.), S. 4.

55Rüthers (a.a.O.), S. 486.

56Haferkamp (wie Anm. 6), S. 19.

57Haferkamp (wie Anm. 6), S. 50. Vgl. hierzu den Aufruf an die Rechtsprechung, sich mit den Parteibeschlüssen zu beschäftigen bei Heinz Strohbach/ Günter Rohde (Oberassistent/Assistent am Institut für Zivilrecht der Humboldt-Universität), Sorgfältiges Studium der Parteibeschlüsse verhindert Dogmatismus und Formalismus, NJ 1958, 689 ff. 689 und 694.

58Haferkamp (wie Anm. 6), S. 19.

59Traute Schönrath, Die Methoden der Auslegung der Rechtsnormen der Deutschen Demokratischen Republik, Diss. (unveröffentlicht), Karl-Marx-Universität, 1957.

60Pfarr (wie Anm. 7), S. 38 - S. 41. Gedanken zur Auslegung im "Klasseninteresse" bei Walter Nowotka (wiss. Oberassistent am Institut für Staats- und Rechtstheorie der Humboldt-Universität), Klasseninteresse und Rechtsanwendung, NJ 1958, 658 ff. , 659.

61Klinger, in: Kleine u.a. (wie Anm. 1,1. Aufl. 1955), S. 107-116, ebenso ders. (wie Anm.1, 2. Aufl. 1958), S. 107-116.

62 Zu den Grundsätzen der Frage der Auslegung bei Szabo vgl. Pfarr (wie Anm. 7), S. 49 - 58.

63Hilde Benjamin, Grundsätzliches zur Methode und zum Inhalt der Rechtsprechung, NJ 1951, S. 150 ff., S. 152.

64 Vgl. die Ausführungen bei Pfarr (wie Anm. 7), S. 37.

65Benjamin (wie Anm. 63), S. 152.

66Rüthers (wie Anm. 2), S. 8f., §§ 2-9, 12-19.

67Kleine in: ders. u.a. (wie Anm. 1, 1. Aufl. 1955), S. 59, ebenso ders. (wie Anm. 1, 2. Aufl. 1958), S. 59f..

68Pfarr (wie Anm. 7), S. 34 FN 73.

69 Zu den Veränderungen der politischen Vorgaben vgl. den Überblick bei Haferkamp (wie Anm. 6), S. 36 sowie Fußnote 122 m.w.N.

70 So die Darstellung bei Werner Artzt, Zu einigen Fragen der sozialistischen Gesetzlichkeit in der Deutschen Demokratischen Republik, NJ 1956, S. 581 ff., S. 581.

71Benjamin, Diskussionsrede von Minister Dr. Hilde Benjamin auf dem IV. Parteitag der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, NJ 1954, 223f., S. 223.

72Artzt (wie Anm. 70), S. 582.

73Werner Artzt war Direktor des Instituts für Zivilrecht an der DASR.

74Artzt (wie Anm. 70), S. 583.

75Artzt a.a.O.

76Benjamin (wie Anm. 63), S. 155f.

77Haferkamp (wie Anm. 6), S. 44.

78Haferkamp (wie Anm. 6), S. 48-50.

79 Zum Umgang mit § 138 BGB in der Judikatur des Reichsgerichts Konstantin Simitis, Gute Sitten und Ordre Public: Ein kritischer Beitrag zur Anwendung des § 138 BGB, Marburger Rechts- und Staatswissenschaftliche Abhandlungen, Reihe A, Rechtswissenschaftliche Abhandlungen, Band 4, Marburg 1960. Eine Auswertung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes bei Reinhard Zimmermann, Richterliches Moderationsrecht oder Totalnichtigkeit? Die rechtliche Behandlung anstößig-übermäßiger Verträge (Hamburger Rechtsstudien, Heft 69), Berlin 1979 und bei Alexander Herzog, Sittenwidrige Rechtsgeschäfte in der höchstrichterlichen Rechtsprechung aus den Jahren 1948-1965, Rechtshistorische Reihe, Band 239, F.a.M. 2001. Eine Untersuchung der Gerichtsentscheidungen zu § 138 BGB während der Zeit des Nationalsozialismus und in der DDR bei Wanner (wie Anm. 7).

80Dornberger, in: Kleine u.a. (wie Anm. 1, 2. Aufl. 1958), S. 308. Ziel des § 138 Abs. 1 BGB war die "Unterdrückung und Bekämpfung derjenigen Kräfte, die unter Ausnutzung überholter Moralanschauungen ihre Stellung zur Untergrabung der Grundlagen der Arbeiter-und-Bauern-Macht ausnutzen wollen." Zum anderen war es bei der Auslegung "Aufgabe der Gerichte, die Werktätigen zu hoher sozialistischer Moral zu erziehen und bei jeder Entscheidung zu beweisen, daß die nichtigen Rechtsgeschäfte den Grundsätzen der sozialistischen Moral der Arbeiterklasse widersprechen." § 138 Abs. 2 BGB diente "in erste Linie dem Schutze des persönlichen Eigentums der Bürger gegenüber Spekulanten, die... versuchen, aus der Unerfahrenheit mancher Bürger einen Gewinn herauszuschlagen." Dornberger, a.a.O., S. 308, 310.

81 Vgl. hierzu auch die Analyse bei Schröder (wie Anm. 5), S. 527 ff., 568-570 sowie von Haferkamp (wie Anm. 6), S. 41f. Beispielsfälle zur Anwendung des § 138 BGB in den unteren Instanzgerichten der DDR: Dornberger, in: Kleine u.a. (wie Anm. 1, 2. Aufl. 1958), S. 309 m.w.N.

82 § 138 Abs. 1 BGB: Ein Rechtsgeschäft, dass gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig. § 138 Abs. 2 BGB: Nichtig ist insbesondere ein Rechtsgeschäft, durch das jemand unter Ausbeutung der Notlage, des Leichtsinns oder der Unerfahrenheit eines anderen sich oder einem Dritten für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, welche den Wert der Leistung dergestalt übersteigen, dass den Umständen nach die Vermögensvorteile in auffälligem Missverhältnisse zu der Leistung stehen.

83 Urt. v. 8.11.1950 - 1 Zz 38/50 - BArch DP 2 Nr. 3414 - OGZ 1, S. 54 ff. - NJ 1951, S. 27 sowie Urt. v. 23.1.1952 - 1 Zz 90/51 - BArch DP 2 Nr. 3415 - OGZ 1, 268 ff. - NJ 1952, S. 173. Zwei weitere Urteile wurden wegen der Beschränkung der Untersuchung auf jede zweite Kassationsentscheidung im Rahmen der statistischen Erhebung nicht mit erfasst. Folgendes Urteil wird benannt, da es Kriegslieferungsverträge betrifft: Urt. v. 8.11.1950 - 1 Zz 37/50 - BArch DP 2 Nr. 3414 - OGZ 1, S. 51 ff. - NJ 1951, S. 26. Ebenfalls zu diesem Thema: Urt. v. 21.2.1951 - 1 Zz 73/50 - BArch DP 2 Nr. 3414 - OGZ 1, 100 ff.

84 Urt. v. 24.11.1952 - 2 Zz 2/52 - BArch DP 2 Nr. 3552 - OGZ 2, 50 - NJ 1953, S. 51. Zwar nicht Teil der statistischen Erhebung, aber erwähnenswert war Urt. v. 10.8.1956 - 1 Zz 160/56 - BArch DP 2 Nr. 3453 - OGZ 4, S. 240 ff. - NJ 1956, S. 608, in dem eine Teilnichtigkeit eines Ehegattenunterhaltsvergleichs angenommen wurde.

85 Urt. v. 5.7.1950 - 1 Zz 8/50 - BArch DP 2 Nr. 3414 - OGZ 1, S. 19 ff. - NJ 1950, S. 354, Leitsatz: "Bei krassem Mißverhältnis zwischen Mietwert und Mietzins ist die Mietzinsvereinbarung gemäß § 138 BGB nichtig, soweit sie den Mietwert übersteigt" sowie Urt. v. 6.8.1957 - 1 Uz 29/56 - BArch DP 2 Nr. 3449 - OGZ 5, S. 267 ff., 273 - NJ 1958, S. 38, Leitsatz: "Verträge, die in der Absicht geschlossen werden, die vermögensrechtlichen Folgen einer drohenden Einziehung im Strafverfahren zu verhindern, sind sittenwidrig."

86 Urt. v. 17.9.1957 - 1 Zz 155/57 - BArch DP 2 Nr. 3459 - OGZ 6, 44 - NJ 1958, S. 827 behandelt einen gerichtlichen Unterhaltsvergleich. Obwohl nicht Teil der statistischen Erfassung, soll hier weiterführend Urt. v. 13.2.1952 - 1 Zz 93/51 - BArch DP 2 Nr. 3415 - OGZ 2, S. 5 ff., 7 - NJ 1952, S. 174 benannt werden, in dem Wiederherstellungskosten einer Mauer verlangt werden.

87 Urt. v. 29.8.1951 - 1 Zz 50/51 - BArch DP 2 Nr. 3415 - OGZ 1, S. 206 ff. - NJ 1951, S. 559 zur Verwirkung einer Forderung.

88 Urt. v. 18.10.1950 - 1 Zz 30/50 - BArch DP 2 Nr. 3414 - OGZ 1, S. 48 ff. zur Nichtigkeit von Preisüberschreitungen bei Kraftfahrzeugkaufverträgen und Urt. v. 22.12.1952 - 2 Zz 9/52 - BArch DP 2 Nr. 3552 - OGZ 2, 67 - NJ 1953, S. 52f., in dem der Anwendung des § 157 BGB Vorrang eingeräumt wurde.

89 Urt. v. 13.6.1951 - 1 Zz 101/50 - BArch DP 2 Nr. 3415 - OGZ 1, S. 164ff -, NJ 1952, S. 31, zur Herabsetzung des Mietzinses bei Räumen. Das Urteil bezieht sich auch auf § 242 BGB. Das Landgericht sollte nach der Rückverweisung eine erneute Prüfung der die Miethöhe beeinflussenden Umstände in dem betreffenden Seebade vornehmen.

90 Urt. v. 15.11.1950 - 1 Zz 32/50 - BArch DP 2 Nr. 3414 zu Kriegslieferungen.

91 Urt. v. 23.4.1953 - 2 Zz 12/53 - BArch DP 2 Nr. 3555; Urt. v. 11.12.1953 - 2 Zz 45/53 - BArch DP 2 Nr. 3555; Urt. v. 29.12.1953 - 2 Zz 82/53 - BArch DP 2 Nr. 3555; Urt. v. 22.4.1954 -2 Zz 35/54 - BArch DP 2 Nr. 3561 bezogen auf Kindesunterhalt.

92 Urt. v. 28.8.1950 - 1 Zz 18/50 - BArch DP 2 Nr. 3414. Dieses Urteil nennt § 138 BGB als "Rechtsgrundlage" für bürgerlich-rechtliche Ansprüche auf Rückgewähr von Vermögenswerten nach dem Thüringischen Wiedergutmachungsgesetz vom 14. September 1945.

93 Urt. v. 1.11. 1954 - 2 Zz 89/53 - BArch DP 2 Nr. 3555 zu einem Ehegattenunterhaltsvergleich.

94 Urt. v. 14.5.1952 - 1 Zz 30/52 - BArch DP 2 Nr. 3421 zur Instandhaltungspflicht des Vermieters.

95 Urt. v. 18.12.1953 - 2 Zz 72/53 - BArch DP 2 Nr. 3555, bezogen auf einen vertraglichen Tausch von zwei Ochsen gegen zwei Pferde; Urt. v. 8.7.1954 - 2 Zz 11/54 - BArch DP 2 Nr. 3561 zu einem Schenkungsvertrag über Hausrat; Urt. v. 9.12.1955 - 1 Zz 139/55 - BArch DP 2 Nr. 3443 und Urt. v. 9.12.1955 - 1 Zz 146/55 - BArch DP 2 Nr. 3443 bezogen auf einen Saatgutvermehrungsvertrag mit jeweils demselben Kläger.

96 Urt. v. 9.2.1953 - 2 Uz 30/52 - BArch DP 2 Nr. 3553 und Beschl. v. 9.1.1954 - 2 Uz 71/53 - BArch DP 2 Nr. 3559 zu Kriegslieferungsverträgen.

97 Urt. v. 19.7.1955 - 1 Uz 5/55 - BArch DP 2 Nr. 3444 bezieht sich auf den Eigentumserwerb von Hausrat.

98 Der Wortlaut des § 134 BGB: "Ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, ist nichtig, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt."

99 Urt. v. 30.11.1953 - 1 Uz 42/53 - BArch DP 2 Nr. 3427 zu einem Tauschvertrag von Ruß gegen Autoreifen und Urt. v. 24.11.1953 - 1 Uz 68/53 - BArch DP 2 Nr. 3428 bezüglich eines schwebend wirksamen Grundstückskaufvertrags.

100 In der Literatur wurde die Frage der Behandlung von Kriegslieferungsverträgen bereits 1948 von ErnstMelsheimer und Wilhelm Prothmann kontrovers diskutiert: Wilhelm Prothmann, Kriegslieferungsverträge und § 138 BGB, NJ 1948, S. 10f. sprach sich gegen die Annahme einer Nichtigkeit aus. Ernst Melsheimer, Kriegslieferungsverträge sind nichtig!, NJ 1948, S. 11-13, argumentierte für die Anwendung des § 138 BGB auf diese Verträge. Theoretische Grundlegung s. Herbert Kietz, in: Heinz Such u.a. (Autorenkollektiv), Das Zivilrecht der Deutschen Demokratischen Republik, Schuldrecht Besonderer Teil, Berlin (Ost) 1956, S. 490-493. Eine Auswertung der Rechtsprechung bei Pfarr (wie Anm. 7), S. 81-85.

101 Urt. v. 8.11.1950 - 1 Zz 37/50 - BArch DP 2 Nr. 3414 - NJ 1951, S. 26 - OGZ 1, S. 51.

102 Die damals verwendete Bezeichnung "Verklagte" für die beklagte Prozesspartei wird nachfolgend beibehalten.

103 Urt. v. 8.11.1950 - 1 Zz 37/50 - BArch DP 2 Nr. 3414 - NJ 1951, S. 26 - OGZ 1, S. 51. Der Vollständigkeit halber sei hier auf ein weiteres veröffentlichtes Verfahren verwiesen, dass nicht Teil der statistischen Erhebung war: Die Klägerin hatte der Verklagten Arbeiter für Rüstungsbauten ausgeliehen und deren Lohn weitergezahlt. Das Oberste Gericht verneinte einen Anspruch der Klägerin auf Erstattung der von ihr verauslagten Löhne gegenüber der Verklagten: "Rechtsgeschäfte, die zur Durchführung und Unterstützung des von Hitlerdeutschland angezettelten verbrecherischen Krieges dienten, sind nach §§ 134, 138 BGB nichtig. Infolgedessen können weder aus solchen Rechtsgeschäften noch aus ungerechtfertigter Bereicherung Ansprüche hergeleitet werden. Ein Unterschied, ob es sich um Lieferung von Waren oder um Zahlung von Löhnen für Kriegszwecke handelt, ist nicht zu machen.", Urt. v. 21.2.1951 - 1 Zz 73/50 - BArch DP 2 Nr. 3414 - OGZ 1, 100 ff.

104 Urt. v. 8.11.1950 - 1 Zz 37/50 - BArch DP 2 Nr. 3414 - NJ 1951, S. 26 - OGZ 1, S. 54.

105 Urt. v. 15.11.1950 - 1 Zz 32/50 - BArch DP 2 Nr. 3414.

106 Urt. v. 8.11.1950 - 1 Zz 38/50 - BArch DP 2 Nr. 3414 - NJ 1951, S. 27 mit einer Anmerkung von Hans Nathan, S. 27-29 - OGZ 1, S. 54 ff.

107Nathan, a.a.O., S. 28.

108Nathan, a.a.O., S. 29. In konsequenter Weiterführung dieser Argumentation wurde 1958 die Anwendung des § 817 Satz 2 BGB auf einen Träger von Volkseigentum verneint, der durch die Erbringung der Leistung ebenfalls gegen die guten Sitten oder ein gesetzliches Verbot verstieß, da "Volkseigentum unantastbar” sei, Joachim Göhring/ Max Reinsdorf (Staatsanwälte beim Generalstaatsanwalt von Groß-Berlin), Ist die Anwendung des § 817 Satz 2 BGB zu Lasten von Volkseigentum möglich?, NJ 1958, 424f., 425.

109 Urt. v. 23.1.1952 - 1 Zz 90/51 - BArch DP 2 Nr. 3415 - OGZ 1, 268 ff., 269, 270 - NJ 1952, S. 173.

110 Urt. v. 9.2.1953, S. 3 ff. - 2 Uz 30/52 - BArch DP 2 Nr. 3553.

111 Beschl. v. 9.1.1954, S. 1f. - 2 Uz 71/53 - BArch DP 2 Nr. 3559.

112Nathan, a.a.O., S. 29.

113 Die Artikel 7, 30 und 33 der Verfassung von 1949 bildeten die Grundzüge des neuen Familienrechts. Mitte der Fünfziger Jahre erfolgte dann eine Reform des Familienrechts: Die Verordnung über Eheschließung und Eheauflösung vom 24.11.1955 (GBl. I, S. 849) - EheVO - reformierte das materielle Eherecht, mit der Verordnung zur Anpassung der Vorschriften über das Verfahren in Ehesachen an die EheVO vom 7.2.1956 (GBl. I, S. 145) - EheVerfO - wurde das Verfahrensrecht modifiziert, vgl. zur geschichtlichen Entwicklung Nathan, Das Verfahren in Ehesachen, Hausratssachen und Kindschaftssachen, in: ders. u.a. (wie Anm. 30), 11. Kapitel, S. 43-46.

114 Urt. v. 24.11.1952 - 2 Zz 2/52 - BArch DP 2 Nr. 3552 - OGZ 2, 50 ff., 51, 52 - NJ 1953, S. 51f.

115Benjamin, Zehn Jahre Demokratische Justiz, Staat und Recht 1955, S. 349 ff., 366. Ausführlicher zum Konzept des Familienrechts in der DDR Anita Grandke, Familienrecht, in: Heuer (wie Anm. 20), S. 173-209. Eine Übersicht über die Grundsätze des Familienrechts in der SBZ aus zeitgenössischer Sicht der Bundesrepublik Deutschland Arwed Blomeyer, Die Entwicklung des Zivilrechts in der sowjetischen Besatzungszone, in: Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (Hg.), Die Justiz in der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands, Bonner Berichte aus Mittel- und Ostdeutschland, Bonn-Berlin 1959, S. 180-200.

116 Urt. v. 1.11. 1954, 7f. - 2 Zz 89/53 - BArch DP 2 Nr. 3555.

117 Urt. v. 17.9.1957 - 1 Zz 155/57 - BArch DP 2 Nr. 3459 - OGZ 6, 44 - NJ 1958, S. 827.

118 Urt. v. 23.4.1953, 3f. - 2 Zz 12/53 - BArch DP 2 Nr. 3555.

119Horst Kellner, Zivilprozessrecht, in: Heuer (wie Anm. 20), S. 531-539 und Reich (wie Anm. 30), Kapitel III.B. 3. und 4.

120Pfarr (wie Anm. 7), S. 115f.

121 Urt. v. 11.12.1953 - 2 Zz 45/53 - BArch DP 2 Nr. 3555; Urt. v. 29.12.1953 - 2 Zz 82/53 - BArch DP 2 Nr. 3555; Urt. v. 22.4.1954 -2 Zz 35/54 - BArch DP 2 Nr. 3561.

122 Zu einem Anerkenntnis bei einer Klage auf Erhöhung des Unterhaltes für ein Kind in Westdeutschland s. das veröffentlichte Urteil des Obersten Gerichts v. 11.9.1952 - 1a Zz 23/52 - NJ 1952, S. 489. Dieses Urteil wurde in der der Arbeit zugrundeliegenden statistischen Erhebung nicht mit erfasst, da hier nur jede zweite Kassationsentscheidung ausgewertet wurde. Es wird hier jedoch zum Nachweis der Repräsentativität der Veröffentlichungspraxis miteinbezogen.

123 Wortlaut des § 242 BGB: Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

124 Vgl. die Untersuchung von Haferkamp (wie Anm. 6), S. 42. Er nennt bei den Entscheidungen, in denen eine Anwendung des § 242 BGB abgelehnt wurde, auch Urt. v. 24.10.1952 - 1 Za 2/52 - OGZ 2, S. 43 ff. zur Ablehnung der Verwirkung eines Lohnanspruches in einem arbeitsgerichtlichen Kassationsverfahren, die in diesem Aufsatz nicht untersucht werden.

125 Urt. v. 18.10.1954 - 1 Uz 27/54 - BArch DP 2 Nr. 3438 - OGZ 3, 191 ff., 196 - NJ 1956, S. 189 zur Herabsetzung eines Architektenhonorars; Urt. v. 20.11.1952 - 1 Zz 81/52 - BArch DP 2 Nr. 3421 - NJ 1953, S. 23 verneint die Einrede der Verjährung unter Berufung auf § 242 BGB. Zwei weitere Fälle waren nicht Teil der statistischen Erfassung, sollen hier jedoch dennoch Erwähnung finden: Urt. v. 25.5.1954 - 1 Zz 70/54 - BArch DP 2 Nr. 3432 - OGZ 3, S. 152 ff., 153f. - NJ 1954, S. 541 zum Provisionsanspruch eines Handlungsagenten; Urt. v. 3.3.1955 - 2 Zz 8/55 - BArch DP 2 Nr. 3572 - OGZ 3, S. 289 ff., 291 - NJ 1955, S. 496 zur Auslegung einer Altenteilsvereinbarung über die Lieferung von Naturalien. In einem weiteren statistisch nicht erfassten Fall wurde die Norm lediglich erwähnt, ohne entscheidungstragend zu sein: Urt. v. 5.7.1950 - 1 Zz 9/50 - BGH Bib. KDb 9540 - OGZ 1, S. 23 ff. - NJ 1950, S. 403 betrifft die Frage der Umwertung einer Kaufpreisforderung nach der Währungsreform.

126 Urt. v. 13.6.1951 - 1 Zz 101/50 - BGH Bib. KDb 9540 - OGZ 1, S. 164 ff. - NJ 1952, S. 31, zur Herabsetzung des Mietzinses bei Räumen. Das Landgericht sollte nach der Rückverweisung eine erneute Prüfung der die Miethöhe beeinflussenden Umstände in dem betreffenden Seebade vornehmen.

127 Urt. v. 20.6.1951 - 1 Zz 27/51 - BArch DP 2 Nr. 3415 - OGZ 1, 174 ff. - NJ 1951, S. 417 Ablehnung der Verwirkung des Anspruchs aus einem Wechsel. Urt. v. 19.9.1951 - 1 Zz 58/51 - BArch DP 2 Nr. 3415 - NJ 1952, S. 32 -Ablehnung der Verwirkung wegen bloßer Untätigkeit des Gläubigers. Urt. v. 20.8.1953 - 1 Zz 60/53 - BArch DP 2 Nr. 3424 - OGZ 2, 215 - NJ 1953, S. 654 ist der Präzedenzfall zur Problematik der Trümmerhypotheken.

128 Urt. v. 29.8.1951 - 1 Zz 50/51 - BArch DP 2 Nr. 3415 - OGZ 1, 206 ff. - NJ 1951, S. 559 zur Ablehnung der Verwirkung einer Forderung.

129 Urt. v. 31.5.1957 - 1 Uz 36/56 - BArch DP 2 Nr. 3449 dazu, dass ein Einstellen der Hypothekenzahlungen keinen Verstoß gegen § 242 BGB darstelle, da der jetzige Grundstückseigentümer, eine Konsumgenossenschaft, nicht Rechtsnachfolger des damaligen Grundstückskäufers sei. Das Urteil verweist auf das Urt. v. 31.10.1951 - 1 Zz 78/51 - OGZ 1, 236 ff., dessen Leitsatz lautet: "Die heutigen Gebietskörperschaften der Deutschen Demokratischen Republik sind ebenso wenig identisch mit den Gebietskörperschaften des Hitlerstaates oder deren Rechtsnachfolger wie die Deutsche Demokratische Republik selbst. Sie haften daher nicht für deren Verbindlichkeiten, und zwar weder vertraglich noch aus anderen gesetzlichen Gründen."; Urt. v. 16.11.1953 - 1 Uz 70/53 - BArch DP 2 Nr. 3428 betrifft die gegenseitigen Verpflichtungen der Rechnungslegung in einem Handelsgeschäft. Urt. v. 23.7.1957 - 1 Uz 13/57 - BArch DP 2 Nr. 3462: keine Einrede der Verjährung wegen § 242 BGB. Urt. v. 23.12.1957 - 2 Uz 44/56 - BArch DP 2 Nr. 3581 erweitert die Gewährleistungsfrist bei einem Bauwerk gem. § 23 ABB.

130 Urt. v. 22.12.1953 - 1 Uz 52/53 - BArch DP 2 Nr. 3428 zur Auslegung eines Verwahrungsvertrages über die Einlagerung von Benzin an einer Tankstelle.

131 Urt. v. 24.5.1955 - 1 Uz 11/55 - BArch DP 2 Nr. 3444 bezüglich eines Anspruches aus ungerechtfertigter Bereicherung durch unbegründeten Rechnungseinzug durch eine Bank. Urt. v. 30.6.1955 - 2 Uz 38/54 - BArch DP 2 Nr. 3566 zu § 812 BGB, dem wegen § 242 BGB die Überflüssigkeit von erbrachten Bauleistungen nicht nachträglich entgegengehalten werden könne.

132 Beschl. v. 24.3.1954 - 1 Uz 02/54 - BArch DP 2 Nr. 3437; Beschl. v. 24.12.1954 - 1 Uz 42/54 - BArch DP 2 Nr. 3438 und Beschl. v. 18.7.1955 - 1 Uz 22/55 - BArch DP 2 Nr. 3444; Urt. v. 18.6.1956 - 2 Uz 17/56 - BArch DP 2 Nr. 3579 lehnen die Verwirkung eines Anspruches wegen bloßer Untätigkeit des Gläubigers ab. Urt. v. 9.5.1957 - 2 Uz 10/57 - BArch DP 2 Nr. 3584: § 242 BGB entbindet eine Seite nicht von ihren Vertragspflichten, nur weil der Vertragspartner den Vertrag verletzt hat.

133 Urt. v. 7.3.1951 - 1 Zz 1/51 - BArch DP 2 Nr. 3415 wendet § 242 BGB zugunsten eines auf dem Lande lebenden Gläubigers an, der die Annahme von Bargeld kurz vor der Währungsreform verweigerte und dennoch nicht in Annahmeverzug geraten sei. Urt. v. 18.12.1953 - 2 Zz 72/53 - BArch DP 2 Nr. 3555: Der Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechtes gem. § 273 stehe § 242 BGB entgegen. Urt. v. 25.1.1955 - 1 Zz 243/54 - BArch DP 2 Nr. 3434 zieht § 242 BGB zur Ergänzung eines Pachtvertrages heran.

134 Urt. v. 3.5.1957 - 1 Zz 30/57 - BArch DP 2 Nr. 3456 dazu, dass das Bezirksgericht Tatsachen zu einem Werklieferungsvertrag falsch gewürdigt und damit gem. §§ 651, 241, 242 BGB das Gesetz verletzt habe.

135 Urt. v. 9.12.1955 - 1 Zz 139/55 - BArch DP 2 Nr. 3443 sowie Urt. v. 9.12.1955 - 1 Zz 146/55 - BArch DP 2 Nr. 3443 zur Auslegung des Inhaltes eines Saatgutvermehrungsvertrages.

136 Urt. v. 29.10.1953 - 2 Zz 62/53 - BArch DP 2 Nr. 3555; Urt. v. 11.2.1954 - 1 Zz 188/53 - BArch DP 2 Nr. 3426; Urt. v. 11.2.1954 - 2 Zz 101/53 - BArch DP 2 Nr. 3555; Urt. v. 29.4.1954 - 2 Zz 33/54 - BArch DP2 Nr. 3561 und Urt. v. 4.4.1955 - 2 Zz 25/55 - BArch DP 2 Nr. 3572 lehnen die Anwendung von § 242 BGB auf Trümmerhypotheken ab.

137 Urt. v. 20.11.1952 - 1 Zz 81/52 - BArch DP 2 Nr. 3421 - NJ 1953, S. 23.

138 Urt. v. 20.11.1952 - 1 Zz 81/52 - BArch DP 2 Nr. 3421 - NJ 1953, S. 23.

139 Diese Frage wurde in der Literatur ebenfalls diskutiert: Nathan/ Hans Grimm, Zur Frage der "Ruinenhypotheken", NJ 1950, S. 301 ff.

140 Urt. v. 20.8.1953 - 1 Zz 60/53 - OGZ 2, 215 ff., 215 - NJ 1953, S. 654.

141 Urt. v. 20.8.1953 - 1 Zz 60/53 - OGZ 2, 215 ff., 219, 220 - NJ 1953, S. 654.

142 Die Essenz dieses Aufsatzes lautet: "Die vorstehenden Ausführungen haben ergeben, daß die reale Natur der bis 1945 bestellten Grundpfandrechte die hier vertretene Sonderbehandlung der 'Ruinenhypotheken' einschließlich der zugrunde liegenden Forderungen gegenüber den nicht mit einem Grundpfandrecht verbundenen Darlehnsschulden und Kaufpreisschulden durchaus rechtfertigt. Die Gericht brauchen demgemäß in der Frage der 'Ruinenhypotheken' nicht auf den Gesetzgeber zu warten, sondern vermögen bei realistischer Beurteilung des Wesens der unter den Bedingungen und Verhältnissen der hinter uns liegenden Zeit entstandenen, jetzigen 'Ruinenhypotheken' schon heute Entscheidungen zur Sache zu treffen, die dem durch Total- oder Teilzerstörung der Grundstücke eingetretenen Aussetzen oder Absinken der Grundrente Rechnung tragen." Rudolph Gähler, Praktische Folgerungen aus der Erkenntnis der realen Natur der Grundpfandrechte, NJ 1952, S. 385 ff., 388.

143 Das Fazit dieses Aufsatzes lautet: "Unser geltende Hypothekenrecht kennt keine Rechtsnorm und keinen Rechtssatz des Inhaltes, daß der Hypothekengläubiger als wirtschaftlicher Eigentümer das Risiko des Verlustes der Grundrente des Grundstückes zu tragen habe...Diesen Satz kann man aber auch nicht durch Auslegung unseres geltenden Rechts gewinnen - auch wenn man bei der Betrachtung berücksichtigt, daß die alten, von unserem Staat übernommenen Rechtsnormen des Hypothekenrechts einen neuen Inhalt erhalten haben. Aus unserem geltenden Hypothekenrecht ergibt sich eindeutig, daß aus der persönlichen Forderung vorgegangen werden kann und daß das zuständige Gericht zur Sache entscheiden muß. Dabei darf auf keinen Fall mit den aus der imperialistischen Praxis überkommenen Generalklauseln argumentiert werden." Hans Kleine, Praktische Folgerungen aus der Erkenntnis der realen Natur der Grundpfandrechte. Einige kritische Bemerkungen zu dem gleichnamigen Artikel von Gähler über die Frage der Ruinenhypotheken, NJ 1953, S. 321 ff., 234. Hans Kleine warAutor des Allgemeines Teils des Zivilrechtslehrbuches von 1955 und 1958 und Dozent an der Juristischen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin (Ost).

144 Urt. v. 20.8.1953 - 1 Zz 60/53 - OGZ 2, 215 ff., 221 - NJ 1953, S. 654.

145 Urt. v. 29.10.1953, - 2 Zz 62/53, 6, 7 - BArch DP 2 Nr. 3555.

146 Urt. v. 11.2.1954 - 1 Zz 188/53, 3- 7 - BArch DP 2 Nr. 3426.

147 Urt. v. 11.2.1954 - 2 Zz 101/53 - BArch DP 2 Nr. 3555; Urt. v. 29.4.1954 - 2 Zz 33/54 - BArch DP2 Nr. 3561; Urt. v. 4.4.1955 - 2 Zz 25/55 - BArch DP 2 Nr. 3572.

148 Urt. v. 20.6.1951 - 1 Zz 27/51 - OGZ 1, 174, 179 - NJ 1951, S. 417.

149 Urt. v. 29.8.1951 - 1 Zz 50/51 - OGZ 1, 206, 208 - NJ 1951, S. 559.

150 Urt. v. 19.9.1951 - 1 Zz 58/51 - BArch DP 2 Nr. 3415 - NJ 1952, S. 32 unter Verweis auf 1 Zz 50/51.

151 Beschl. v. 24.3.1954 - 1 Uz 02/54 - BArch DP 2 Nr. 3437 unter Verweis auf 1 Zz 27/51 und 1 Zz 50/51 und Beschl. v. 24.12.1954 - 1 Uz 42/54 - BArch DP 2 Nr. 3438 unter Verweis auf 1 Zz 50/51.

152 Urt. v. 18.6.1956 - 2 Uz 17/56 - BArch DP 2 Nr. 3579.

153 Beschl. v. 18.7.1955 - 1 Uz 22/55 - BArch DP 2 Nr. 3444.

154 Urt. v. 31.5.1957 - 1 Uz 36/56 - BArch DP 2 Nr. 3449.

155 OGZ 1, 236 ff.

156 Urt. v. vom 31.10.1951 - 1 Zz 78/51 - OGZ 1, 236 ff., 236.

157 Urt. v. 7.3.1951 - 1 Zz 1/51 - BArch DP 2 Nr. 3415 wendete § 242 BGB zugunsten eines auf dem Lande lebenden Gläubigers an, der die Annahme von Bargeld kurz vor der Währungsreform verweigerte und dennoch nicht in Annahmeverzug gerate.

158 Urt. v. 18.12.1953 - 2 Zz 72/53, 13, 14 - BArch DP 2 Nr. 3555.

159 Urt. v. 18.10.1954 - 1 Uz 27/54 - BArch DP 2 Nr. 3438 - OGZ 3, 191 ff., 196 - NJ 1956, S. 189.

160 Urt. v. 29.4.1954 - 2 Zz 33/54 - BArch DP 2 Nr. 3561.

161 Urt. v. 9.5.1957 - 2 Uz 10/57 - BArch DP 2 Nr. 3584.

162 Urt. v. 23.7.1957 - 1 Uz 13/57, 13 - BArch DP 2 Nr. 3462.

163 Urt. v. 23.12.1957 - 2 Uz 44/56 - BArch DP 2 Nr. 3581.

164Gerhard Görner, in: Such u.a. (wie Anm. 99), S. 519.

165 Vorliegende Analyse stützt sich auf jedes zweite im Untersuchungszeitraum verkündete Kassationsurteil. An dieser Stelle sei der Vollständigkeit halber auf die hier nicht untersuchte veröffentlichte Entscheidung 1 Zz 91/50 vom 25.07.1951, OGZ 1, 184 verwiesen, in der § 826 BGB entscheidungstragend ist.

166 Der Wortlaut des § 826 BGB: "Wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem anderen zum Ersatze des Schadens verpflichtet."

167 Von der grundsätzlich bejahten Möglichkeit der Beseitigung der Rechtskraft eines Titels gem. § 826 BGB wurde in den untersuchten Urteilen kein Gebrauch gemacht. Zur theoretischen Grundlegung s. Friedrich-Karl Winkler, Die Klage aus § 826 BGB, in: Nathan u.a. (wie Anm. 30), S. 266-268.

168 Urt. v. 24.11.1950 - 1 Zz 42/50 - BArch DP 2 Nr. 3414 - OGZ 1, 62 ff., 62 - NJ 1951, S. 127.

169 Urt. v. 6.12.1957 - 2 Zz 85/57, 8 - BArch DP 2 Nr. 3588.

170 Urt. v. 6.12.1957 - 2 Zz 85/57, 10, 11 - BArch DP 2 Nr. 3588.

171 Der Wortlaut des § 157 BGB: "Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern."

172 Urt. v. 20.6.1951 - 1 Zz 15/51 - OGZ 1, 170, 172.

173 Urt. v. 29.1.1954 - 1 Zz 184/53 - BArch DP 2 Nr. 3426.

174 Urt. v. 5.5.1955 - 2 Uz 2/55 - OGZ 4, 7 ff.

175 Urt. v. 23.11.1956 - 1 Uz 27/56 - OGZ 5, 193 ff., 195 - NJ 1957, Rechtsprechungsbeilage Nr. 2, 2. Quartal, S. 18.

Articles Nov. 4, 2004
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Nov. 4, 2004

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