Artikel vom 9. August 2008
© 2008 fhi
ISSN 1860-5605
Erstveröffentlichung
Zitiervorschlag / Citation:

http://www.forhistiur.de/zitat/0808gregersen.htm

 

Niels Henrik Gregersen:

Religion in der Öffentlichkeit: Die Zwei-Regimente-Lehre zwischen Privatisierung und Gouvernementalisierung1

 

Zwei Deutungen der Zwei-Regimente-Lehre
Die Zwei-Regimente-Lehre und die Zwei-Reiche-Lehre
Die Struktur der Zwei-Regimente-Lehre
Die Zwei-Regimente-Lehre in der Praxis
Die Zwei-Regimente-Lehre und die drei Stände (ecclesia, oeconomia, politia)
Privatisierung oder Gouvernementalisierung der Religion?
Selbstbemeisterung und Säkularisierung
Die Zwei-Regimente-Lehre und die Politik der Anerkennung
Literatur


In der Tageszeitung Politiken veröffentlichte der dänische Ministerpräsident Anders Fogh-Rasmussen am 20. Mai 2006 einen größeren Artikel, dessen Botschaft schon aus dem Titel hervorging: ”Halte die Religion im Hause” (Fogh Rasmussen 2006). Fogh Rasmussens Pointe war es, dass die Kohäsionskraft der dänischen Gesellschaft von einer zunehmenden religiös betonten Diskussion eines immer unversöhnlicheren Charakters herausgefordert werde. Diese Aussage spiegelte natürlich die politischen Erschütterungen durch die dänische ”Mohammedkrise” oder den ”Karikaturenstreit” wider - je nachdem wo man die Hauptverantwortlichen der Krise sehen möchte. Entweder in der Veröffentlichung von 12 Karikaturen des Propheten Mohammed in der Tageszeitung JyllandsPosten vom 30. September 2005 oder in der heftigen Reaktion darauf im Laufe des Januar und Februar 2006 in einer Reihe von muslimischen Ländern, in denen religiös aufgestachelte und politisch gesteuerte Demonstrationen stattfanden, teilweise mit der öffentlichen Verbrennung der dänischen Fahne und Brandstiftungen an Botschaftsgebäuden. Seit dem Zweiten Weltkrieg befand sich Dänemark nicht in einer derartigen außenpolitischen Krise. Niemand konnte bezweifeln, dass die Religion hier ein ganz wesentlicher Faktor im öffentlichen Leben war, und zwar ein störender Faktor (Christoffersen Hg. 2006).

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Dennoch regt die Überschrift des Ministerpräsidenten zum Nachdenken in einer historischen Perspektive an. Denn traditionell wurde die Thematik zunächst nahezu umgekehrt aufgefasst, dass es nämlich die Religion sei, die die Kohäsionskraft in einer Gesellschaft schaffe. So lautete das Motto Christians IV. von 1588 ”Frömmigkeit stärkt das Reich”. In der Zwischenzeit gibt es jedoch einen Unterschied zwischen Christian IV. und Fogh Rasmussen hinsichtlich der allgemeinen religiösen Situation im Land, da es nicht mehr nur die eine Religion gibt und sich ein Religionspluralismus entwickelt hat. In dieser Situation findet der Ministerpräsident es nun ”wünschenswert, dass die Religion künftig weniger Platz im öffentlichen Raum einnimmt”, und dies um der Kohäsionskraft willen!

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Jedoch ist Fogh Rasmussens Religionsauffassung nicht ganz ohne Nuancen. Zum einen ist er der Ansicht, dass die Zeit der Religion ganz und gar nicht vorbei sei, insbesondere weil für die großen Fragen der Religion nach dem Beginn der Schöpfung, dem Leben nach dem Tode oder dem Sinn des Daseins immer noch keine zufriedenstellenden wissenschaftlichen Antworten gefunden worden seien. Außerdem beruhe die starke Kohäsionskraft in der dänischen Gesellschaft u.a. darauf, dass eine große Mehrheit der Dänen eine gemeinsame christliche Grundlage teile. Im Großen und Ganzen herrschten Friede und Harmonie, weil jeder einzelne Christ die Konsequenzen aus seinem Glauben ziehe. Denn nach Ansicht des Premierministers wirkten religiöse Überzeugungen auf die Überzeugungen und Handlungen ein, die dann auch weit in das politische Leben hineinreichten. Aber es stellt sich die Frage, auf welche Art und Weise dies geschieht. Fogh Rasmussen lehnt grundsätzlich fundamentalistische Versuche ab, eine religiöse Agenda für die Politik festzulegen. Seiner Meinung nach müsse der Staat religiös neutral sein, denn Religion sei eine Privatsache und der politische Einfluss dürfe daher nur indirekter Art sein. In diesem Zusammenhang verwies der Ministerpräsident auf die Zwei-Regimente-Lehre Luthers: ”In meiner Auffassung von Religion bin ich von den berühmten Worten Jesu stark beeinflusst: Gib dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist. Mit Luthers Zwei-Regimenten-Lehre liegt es nahe, diese Worte zugrunde zu legen für eine Trennung zwischen Weltlichen und Geistlichen, zwischen dem Politischen und dem Religiösen… Der Staat ist darauf zu verpflichten, einzig und allein weltliche Macht zu sein.” Ebenso wie in seinem schon früher veröffentlichten liberalen politischen Manifest mit dem Titel Vom Sozialstaat zum Minimalstaat: Eine liberale Strategie (Fogh Rasmussen 1993), argumentiert Fogh Rasmussen nun für eine Verschiebung von einer sozialverantwortlichen Religion zu einer Minimalreligion. Ob es Formen von Religion geben könne, die weder fundamentalistisch noch rein privat sind, wird von ihm nicht erwogen. Auch wird das dänische Grundgesetz nicht in Frage gestellt, das in § 4 festlegt: „Die evangelisch-lutherische Kirche ist die dänische Volkskirche und wird als solche vom Staat unterstützt”. Die Auffassung des Premierministers ist vermutlich die, dass der Staat unabhängig von Religion zu sein habe, während die Religion nicht unabhängig vom Staat zu sein brauche.

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Sowohl in den Medien als auch in Publikationen (Lodberg Hg. 2007) wird seitdem diskutiert, ob dieser Gesichtspunkt konsistent ist. Die Frage, die ich im Folgenden erörtern möchte, ist indessen, ob Luthers sogenannte Zwei-Regimente-Lehre – zum ersystematisch dargestellt von Frau Lau (1933) – mit Recht hinsichtlich einer liberalistischen Idee der Trennung von Religion und Politik ausgelegt werden kann. Dies zu beantworten, ist im Grunde eine historische Aufgabe. Aber wie immer sich dies geschichtlich verhalten mag, bleibt die entscheidende Frage, ob die Zwei-Regimenten-Lehre überhaupt mit der Gegenwartsperspektive angewandt werden kann, in der weder Kirche und Religion und auch nicht Staat und Gesellschaft zusammenfallen, u.a. weil starke Bereiche sich ausdifferenziert haben, etwa der wirtschaftliche Markt und die Medien. Hier stoßen wir zu der systematisch-theologischen Frage vor, wie man unter einer politischen und gegenwartstheologischen Perspektive Elemente von Luthers theologisch-politischer Ethik verwenden kann. Ausgehend von der Geschichte möchte ich mich in diesem Aufsatz chronologisch von historischen Fragen zu Fragen der Gegenwart bewegen.


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Zwei Deutungen der Zwei-Regimente-Lehre

Es besteht bekanntlich ein Unterschied zwischen Unterscheiden und Trennen. Historisch ist zu sagen, dass Luthers Überlegungen über die zwei Regimente Gottes nicht zu irgendeiner Trennung zwischen Religion und Politik geführt hat. Wir brauchen nur daran zu erinnern, dass der dänische König Christian III. 1536 durch Luthers Ausgesandten Bugenhagen gekrönt wurde und dass Christian III. selbst – unmittelbar nach seiner Krönung – die Reformation im gesamten Königreich Dänemark einführte, wie er es zuvor im Jahre 1527 als Herzog von Hadersleben getan hatte (Die Stadt Hadersleben nennt sich deshalb heute ”Wittenberg des Nordens”). Und auch die eigene ”starke Zustimmung” des Ministerpräsidenten zur Ordnung der Volkskirche – die jedoch einen gewissen Zusammenhang zwischen Staatsmacht und evangelisch-lutherischer Kirche in Dänemark bewahrt – deutet darauf hin, dass das Modell der Trennung heute nicht ganz so einfach zu hantieren ist.

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Aber Luthers Zwei-Regimente-Lehre ist in sich selbst auch nicht so ganz eindeutig, wie man oft annimmt. Im Folgenden möchte ich zeigen, dass es für die Zwei-Regimente-Lehre (mindestens) zwei Deutungsmodelle gegeben hat, die sich beide bis heute historisch auswirken.2 In neuerer Zeit wurden sie liberalistisch interpretiert – und damit als Argument für eine Trennung von Religion und Politik. Historisch hatte die Zwei-Regimente-Lehre jedoch ein größere Bedeutung als Kulturprogramm, das meines Erachtens besser als ’sozial-konservativ’ bezeichnet werden kann. Der Staat hatte danach die Aufgabe, für Wohl und Wehe seiner Bürger durch Unterricht, Gesundheitswesen, Rechtsordnung und soziale Leistungen zu sorgen. Übertragen auf die multireligiöse Gesellschaft von heute führt die doppelte Wirkungsgeschichte der Zwei-Regimente-Lehre zu der Frage, inwieweit die religiösen Gemeinschaften vom öffentlichen Leben der Gesellschaft fernzuhalten seien (das Trennungsmodell) oder ob sie als natürliche Partner der Zusammenarbeit innerhalb einer komplexen Zivilgesellschaft verstanden werden können, die durch eine Reihe von NGOs, einigen religiösen und anderen nichtreligiösen Zuschnitts, geprägt sind, und vor allem durch eine mediale Meinungsbildung, die quer zu allen Aufteilungen zwischen dem privaten und öffentlichen Leben geht (das Anerkennungsmodell). Auf diese zeitgenössisch-theologischen Fragen möchte ich zurückkommen nach einer kurzen Darstellung der Zwei-Regimente-Lehre und ihrer Wirkungsgeschichte.

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Die Zwei-Regimente-Lehre und die Zwei-Reiche-Lehre

Historisch wissen wir, dass Luther und seine Mitarbeiter anfangs keine Vision für die Gesellschaft hatten. Aber als Luther am 10. Dezember 1520 das kanonische Gesetz zusammen mit der Bannbulle, die der Papst gegen Luther ausgestellt hatte, den Flammen übergab, da bestritt er nicht nur die religiöse Autorität des Papsttums. Luther beging auch eine politische Handlung, die mitten in der Öffentlichkeit vor sich ging. Das Anliegen der reformatorischen Theologie war politisch geworden.

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Aber worauf sollte die Gesellschaft gebaut werden, wenn das kanonische Recht wegfiel? Eine Antwort hierauf war Luthers berühmte Zwei-Reiche-Lehre, besonders klar entfaltet in der Schrift Von weltlicher Obrigkeit, wie weit man ihr Gehorsam schuldig ist von 1523 (Luther 1983). Luther entwickelt hier die Auffassung weiter, die er von dem Kirchenvater Augustin (354-430) gelernt hatte, nämlich dass die Reiche Gottes und des Teufels in ständigem Zweikampf stünden. Die Zwei-Regimente-Lehre sei also die soziale Ausprägung einer metaphysisch-theologischen Zwei-Reiche-Lehre: der Kampf zwischen Gott und dem Teufel wird sowohl im weltlichen als auch im geistlichen Bereich geführt.3 Im weltlichen Bereich gibt es sowohl tyrannische Regenten als auch selbstsüchtige Untertanen. Und es gibt Priester und Päpste, die die Kirche als eine Plattform für Machtausübung missbrauchen. Der Kampf zwischen Gott und dem Teufel findet also einerseits im weltlichen als auch im geistlichen Bereich statt, zusätzlich aber auch auf dem institutionellen und existentiellen Niveau.

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Es gibt demnach keine Garantie dafür, dass die gesellschaftlichen Ordnungen nicht gegen ihre Intentionen missbraucht werden könnten. Die Ordnungen setzten der Bosheit Grenzen, aber sie bewirken keine Güte. Daher auch der Untertitel der Schrift: Wie weit soll man der Obrigkeit gehorsam sein? Denn man soll ”Gott mehr gehorchen als den Menschen”, wie es später im Augsburger Bekenntnis von 1530 heißt (Art. 16). Hier besteht kaum ein wesentlicher Unterschied zwischen Luthers Position und derjenigen Johannes Calvins. Auch er macht in seiner Institutio von 1559 geltend, dass die Obrigkeit als ”Gottes Anordnung” eingesetzt ist (Institutio 1559, IV. 20.31), während Calvin zugleich geltend macht, dass es eine Ausnahme von der Regel gibt, nämlich in den Fällen, wo die Obrigkeit von Gott wegführt: ”Wenn sie [sc. die Obrigkeit] etwas gegen ihn [sc. Gott] befiehlt, so ist dem kein Raum zu geben. Und hier dürfen wir auf jene ganze Würde, die die Obrigkeit besitzt, durchaus keine Rücksicht nehmen” (Institutio 1559, IV.20.32 = 1955/1984: 1056-57). Der Unterschied zwischen Luther und Calvin liegt also nicht in der Antwort auf die Frage, ob es grundsätzlich zulässig sei, Aufruhr gegen eine tyrannische Obrigkeit zu machen. Eher liegt der Unterschied in der Begründung. Während Luther prinzipiell von der goldenen Regel aus argumentiert (Lau 1933: 42-44), und deshalb von Recht und Gerechtigkeit in Bezug auf die besonderen Umständen (d.h., schöpfungstheologisch), argumentiert Calvin ausgehend von den biblischen Vorbildern, nicht zuletzt im AT.

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Die Struktur der Zwei-Regimente-Lehre

Die Zwei-Regimente-Lehre ist deutlich theologisch begründet, denn es ist Gott, der die Welt regiert, sowohl ”durch das Wort” (durch Überredung) als auch ”durch das Schwert” (durch Macht). Durch die öffentliche Verkündigung des Evangeliums wird der Glaube allen Bürgern der Gesellschaft angeboten. Aber der Glaube selbst ist immer freiwillig. Dieser Gesichtspunkt der Freiwilligkeit ist für Luther ganz entscheidend und er ist die Erklärung dafür, dass Luther sich einer Einmischung der Obrigkeit in Glaubensfragen widersetzt. Die Staatsmacht kann nicht und darf nicht versuchen, jemanden durch Gesetzgebung oder auf andere Weise in den Glauben zu zwingen: ”Darumb wo welltlich gewallt sich vermisset / der seelen gesetz zu(o) geben / do greyfft sie Gott ynn seyn regiment / vnd verfuret vn(d) verderbet nur die seelen” (Luther 1983: 52). Dieses Bewusstsein der Grenzen der Staatsmacht ist eine von mehreren Voraussetzungen für die spätere Einführung der Religionsfreiheit als Menschenrecht.

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Zugleich aber beschützt Gott auch die öffentliche Ordnung durch Rechtssystem und Polizei. Die Obrigkeit handelt hier notwendigerweise mit Zwang. Weil die Welt im Argen liegt, haben wir das Schwert der Obrigkeit, damit die Bösen ”ob sie gleych gerne wollten / doch nich thun kunden yhr boßheyt” (Luther 1983: 39). Luther war bestimmt kein Optimist in Bezug auf die Menschheit, aber auch nicht in Bezug auf die Christenheit. Obgleich er in einer Gesellschaft lebte, in der alle (mit Ausnahme einiger weniger Juden) getauft und im christlichen Glauben erzogen waren, war er überzeugt, dass ”die Christen wonen <wie man spricht> fern von eynander“ (Luther 1983: 40). Die Gesellschaft kann deshalb nicht auf die Güte der Menschen bauen, da diese relativ selten ist, sondern nur auf die öffentliche Ordnung, die die Bosheit niederhält.

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Aber auch die Obrigkeit unterliegt Begrenzungen. Die weltliche Macht (die damals sowohl Judikative als auch Exekutive umfasste) ist seiner Auffassung nach durch das Recht begrenzt. Und was ”das Rechte” ist, hat für Luther drei zusammengehörige Aspkete: (1) das gesetzlich festgelegte Recht, (2) das ermessende Recht und die Angemessenheit und (3) die Gerechtigkeit, d.h. die gerechte Handlung (Raunio 2004: 157). Es ist danach entscheidend, dass das Recht nicht nur das ist, was der Herrscher nun einmal bestimmt. Das ”positive Gesetz” (d.h. das Recht, das von der Obrigkeit zu gegebener Zeit an gegebenem Ort ”poniert” ist) kann jederzeit durch das ”natürliche Gesetz” kritisiert werden, das mit gewöhnlicher Fairness und Sorge für die Schwachen der Gesellschaft, ”für die Witwen und die Armen”, zu tun hat. In der Schrift ist das alles in der goldenen Regel zusammengefasst: ”Alles, was ihr wollt, dass euch die Menschen tun sollen, das sollt ihr auch ihnen tun. Das ist das Gesetz und die Propheten” (Mt. 7,12). Aber vor dem Hintergrund von Röm. 2,14-15 und in Rezeption der antiken und mittelalterlichen Tradition eines lex naturae war es die Auffassung Luthers, dass das natürliche Gesetz und das offenbarte Gesetz eine Einheit bilden, indem alle Menschen das gleiche Verständnis davon haben, was das Gebot der Nächstenliebe ist, obwohl das Gebot ziemlich oft überhört und nicht befolgt wird. Ein Christ soll Luther zufolge alles Leid, das ihm von der Obrigkeit auferlegt wird, selbst ertragen können. Aber um des Nächsten willen kann und muss er seine Stimme erheben – auch der Obrigkeit gegenüber. Es ist somit bei Luther keine Rede von einem ”Ausnahmerecht”, das vom Herrscher oder Staat souverän festgelegt werden könnte, so wie wir es im totalitären Souveränitätsdenken des 20. Jahrhunderts bei Carl Schmitt und anderen finden kann – und wie es heute mit Recht z.B. von Giorgio Agamben kritisiert wird. In Luthers Kontext ist der Souverän Gott, nicht der Kaiser oder der Fürst.

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Dies ist zugleich auch die Begründung, warum der evangelische Christ an der Machtanwendung der Obrigkeit teilnehmen kann, ohne an seiner Seele Schaden zu nehmen. Es ist einem Christen möglich, ja, es ist seine Pflicht, sowohl Richter als auch Soldat und Scharfrichter zu sein. Denn die Obrigkeit ist von Gott eingesetzt zum Besten der Schwachen in der Gesellschaft. Zusammenfassend stellt sich die Struktur der Zwei-Regimente-Lehre also folgendermaßen dar:

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  • Es gibt nur einen Gott, der die Welt regiert (monotheistische Voraussetzung)

  • Gott regiert die Welt mit seiner Rechten und seiner Linken Hand

  • Mit seiner Rechten regiert Gott das Leben der Kirche durch die Verkündigung des Evangeliums, das nur in Freiwilligkeit, ohne Kirchenzucht und Zwang vonseiten der Obrigkeit angenommen werden kann

  • Mit seiner Linken regiert Gott die Gesellschaft als Ganzes durch die Obrigkeit, die Macht anwenden darf, um das Böse dazu zu bringen, die Gesetze einzuhalten (präventiv) und um die Rechtsordnung aufrechtzuerhalten zum Nutzen der Schwachen (protektiv).


Die Zwei-Regimente-Lehre in der Praxis

Sieht man sich die Sache etwas genauer an, wird man indessen bemerken, dass das politische Programm, das Luther und seine Schüler im Laufe des Jahres 1520 erarbeiteten, auch starke Wechselwirkungen zwischen dem geistlichen und dem weltlichen Regiment enthält. Dies wurde kürzlich von John Witte Jr. ausgeführt in Law and Protestantism: The Legal Teachings of the Lutheran Reformation (2002). Eben weil die Gesellschaft nicht als ein gottloses Territorium aufgefasst wurde, wirkte sich die Reformation in einem sowohl sozialen als auch kulturellen Programm für die Reorganisierung der Gesellschaft aus. Während die Ehe in katholischem Zusammenhang als ein kirchliches Sakrament aufgefasst wurde, wurde die Ehe jetzt als eine Gott wohlgefällige bürgerliche Ordnung betrachtet; die Ehe dreht sich nicht um die ewige Seligkeit, sondern um Glück und Gedeihen. Während der Unterricht zuvor in der Regie der Kirche lag, wurde nun ein öffentliches Unterrichtswesen etabliert, zum Nutzen sowohl für die Gesellschaft als auch für den Einzelnen. Auch das Rechtssystem wurde entsprechend reformiert, indem das Recht aus der Regie der Kirche in die des Staates überführt wurde, während große Teile des kanonischen Rechts inhaltlich weitergeführt wurden. Im Ergebnis sollten also Recht und Gerechtigkeit walten, während besondere Traditionen bestehen blieben. Ähnliches galt bezüglich der Sorge für die Gesundheit der Bürger und für das Armenwesen.

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Organisatorisch betrachtet, muss all dies als Säkularisierung in der ursprünglichen Bedeutung des Wortes bezeichnet werden, dass Bereiche, die vorher durch das Kirchenrecht geregelt waren, von da an unter die kaiserliche oder fürstliche Jurisdiktion fielen. Aber alles deutet darauf hin, dass die religiösen Angelegenheiten eine noch mehr exponiertere Stellung als früher einnahmen. Es kann also nicht die Rede von Säkularisierung im Sinne einer herabgesetzten Bedeutung religiöser Motive, Interessen oder Glaubens sein. Es bedarf vielmehr nur eines Blickes in das Inhaltsverzeichnis der dänischen Kirchenordnung von 1537/39 (Lausten 1989 Hg.), um festzustellen, wie Fragen zum Besuch von Kranken und Armen, Unterricht von Hebammen und Wöchnerinnen, zum Schulbesuch, zur Armenfürsorge und zu Hospitälern einen hervorragenden Platz im Verständnis dessen einnehmen, was die Aufgaben der Kirche – und damit auch der Gesellschaft – sind.

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Kurz gesagt: Neben der Aufteilung des geistlichen und des weltlichen Regiments tritt fortwährend eine gegenseitige Durchdringung des religiösen und des politischen Bereichs auf. Die bürgerlichen Ordnungen sind nicht nur da, um protektiv die Gesellschaft vor der Bosheit zu bewahren, sondern auch um positiv Sorge zu tragen für das Wohl und Wehe der Bürger im breiteren Sinne. Wie es in dem lutherischen Bekenntnis der Confessio Augustana 1530 in dessen Artikel 16 heißt, sollen die Ordnungen der Gesellschaft und der Familie anerkannt werden, ”daß man solchs alles halte als wahrhaftige Gottesordnung, und in solchen Ständen christliche Liebe und rechte gute Werk, ein jeder nach seinem Beruf, beweise.”. Demnach soll die christliche Liebe auch Maßstab für die weltliche Welt sein.4 In der politischen Ethik geht es zwar um die Einrichtung ordentlicher Verfahrensweisen, aber die Regeln sind geleitet von einer vor-politischen Vision vom guten Leben, und von der Rücksicht auf Angemessenheit und Billigkeit.

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Die Zwei-Regimente-Lehre und die drei Stände (ecclesia, oeconomia, politia)

Diese ethische Vision wird erst deutlich, wenn man die Zwei-Regimente-Lehre im Lichte der Lehre von den drei Hauptständen oder Ordnungen (ordinationes) betrachtet. Stände sind etwas, worin man steht, und Ordnungen sind etwas, worin man als Folge von Gottes Anordnung steht. Hier unterscheidet Luther zwischen dem geistlichen Bereich der Kirche (ecclesia), dem häuslichen Leben (oeconomia) und schliesslich dem weltlichen Bereich des Staates (politia).5 Die Kategorie der oeconomia tritt nicht in Von weltlicher Obrigkeit auf, ist aber ganz wesentlich für Luthers politische Ethik (Saarinen 2005). Denn während die Obrigkeit erst ”nach dem Sündenfall” entstanden ist (d.h. aufgrund der Sünde), gehört das häusliche Leben wie das Leben mit Gott zum Menschenleben ”seit der Zeit des Paradieses” (d.h. als etwas Konstitutives für den Menschen). Der Mensch ist nämlich nicht zur Einsamkeit geschaffen, sondern wird in eine Gemeinschaft mit Gott wie auch in eine menschliche Gemeinschaft hineingeboren: in die Familie, den Haushalt, die Arbeitsgemeinschaft, das städtische Leben, den Staat. Es ist hier die Rede von einem zwischenmenschlichen Feld, das vor-politisch und vor-kulturell ist.6 Weil das häusliche Leben mit der menschlichen Urgemeinschaft zu tun hat, liegt diesem Stand das staatliche Leben zugrunde. So heißt es in Luthers Auslegung des ersten Gebots im Großen Katechismus von 1529:

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unsere Eltern und alle Oberkeit, dazu ein iglicher gegen seinen Nähisten, haben den Befehl, daß sie uns allerlei Guts tuen sollen, also daß wir’s nicht von ihn, sondern durch sie von Gott empfahen. Denn die Kreaturn sind nur die Hand, Rohre und Mittel, dadurch Gott alles gibt, wie er der Mutter Brüste und Milch gibt, dem Kinde zu reichen...” (Luther 1979: 566).

Das Zitat zeigt, wie die Obrigkeit in Luthers Fürstenspiegel im Bilde des guten Vaters gezeichnet wird. Der Regent ist Landesvater, wie es damals hieß. Sowohl Eltern als auch Regenten sind also Kanäle für Gottes Gegenwart mitten in der Welt. Theologisch formuliert ist bei Luther nicht die Rede von „einem Glauben” daran, dass ein Gott sozusagen auf der Welt ”existiere”. Vielmehr ist davon die Rede, dass Gott sich selbst in die Kanäle des Schöpferwerkes ergießt, wodurch die Geschöpfe Gottes Liebe voneinander empfangen. Und wie Luther es in seiner Auslegung des ersten Glaubensartikels im Großen Katechismus in einer radikalen Formulierung sagt: ”Denn da sehen wir, wie sich [Gott] der Vater uns gegeben hat sampt allen Kreaturen” (1979: 650). Gott verwirklicht sich selbst als der Vater aller Geschöpfe durch die Väterlichkeit und Mütterlichkeit, die am besten vom häuslichen Leben her bekannt sind und die gegenüber den Bewohnern des Reiches auszuüben auch dem Fürsten befohlen ist. Alles geht von Gott aus, aber wo die Liebe verwirklicht wird, unter Frommen oder unter Unfrommen, dort ist das Ergebnis eine Vereinigung von Schöpfer und Geschöpf (unio creatoris et creaturae) (Gregersen 2005).

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Das theologische Bedeutungsuniversum, das die Zwei-Regimente-Lehre ausdrückt, zielt damit auf die Erwartung, dass die Obrigkeit die Macht des Bösen in der Welt nicht nur mit der Macht der Obrigkeit begrenzen, sondern auch selbst eine Rechtsordnung herbeiführen soll, die auf Angemessenheitsargumente gegründet ist und die der Liebe Platz gewährt. Das Luthertum setzte zwar eine weltliche Obrigkeit frei, die nicht der Kirche untergeordnet war. Der Staat wird dabei in einen Fürsorgestaat transformiert, in dem Bürger darauf vertrauen können, dass der Staat ihnen Gutes will, während alle doch genau wissen, dass der Staat die Bürger politisch weder glücklich noch selig machen kann.

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In diesem Zusammenhang kann man erwägen, warum gerade Dänemark das erste Land war, das die Schulpflicht einführte (1814) und nach Deutschland das zweite Land, das eine gesetzliche Rentenversicherung einführte (1891), die sowohl Männer als Frauen umfasste. Der Politologe Tim Knudsen (2000) und der Historiker Uffe Östergaard (2005) haben aufzuzeigen versucht, dass die Wurzeln des Wohlfahrtsstaates auf die lutherische Auffassung zurückgehen, dass die Gnade – im geistlichen Regiment – umsonst gegeben wird. Auf dieselbe Weise hat man in den nordischen Ländern den universalistischen Wohlfahrtsstaat geschaffen (innerhalb des weltlichen Regiments), in dem die Leistungen allen Bürgern – im weltlichen Regiment – zugute kommen, ungeachtet dessen, ob sie es verdient haben oder nicht. Dieser universalistische Wohlfahrtsstaat ist selbst nicht universell, sondern ist geschaffen auf den Schultern der humanistischen Vision einer Gesellschaft, die ihrerseits theologisch begründet ist. Wie dem Christen kraft Jesu Christi und durch den Heiligen Geist die Gnade umsonst und ohne Verdienst geschenkt wird, so sollen auch der Vater und die Mutter – in der Ehe, im Haushalt, im Arbeitsleben und im Staat – dem Nächsten in einer Liebe helfen, die umsonst ist und ohne Verdienst geschenkt wird.

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Kurz gesagt hat die lutherische Zwei-Regimente-Lehre eine doppelte Wirkungsgeschichte gehabt: einerseits hat sie die liberalistische Trennung von Religion und Politik begründet, die jeweils ihren angeblich autonomen Bereichen angehören; andererseits hat das geistliche Regiment die Inspiration für die bürgerlichen Ordnungen geliefert, so dass das Ergebnis ein Fürsorgestaat ist, zunächst in konservativer, dann in sozialdemokratischer Gestalt. Man kann zwischen Religion und Politik unterscheiden, aber getrennt sind die beiden Domänen nie gewesen. Das ist weder die Absicht der Reformatoren noch das Ergebnis der Reformation gewesen.

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Privatisierung oder Gouvernementalisierung der Religion?

Es können verschiedenste geistesgeschichtliche Modelle herangezogen werden, um die übergeordnete Logik in diesem Prozess zu begreifen. Eine dieser Möglichkeiten ist, mit Hegel in den Vorlesungen über die Philosophie der Weltgeschichte Luthers Lehre als ”Lehre der Freiheit” aufzugreifen. Hegels theologischer Schüler F.C. Baur (1792-1860) interpretierte in diesem Sinne den Protestantismus als ein Prinzip der Subjektivität, wodurch er ”die Antonomie des Subjekts in Gegensatz zu aller Heteronomie im katholischen Kirchenbegriff” stellte (Baur 1852, 257). Der Protestantismus ist damit zu einer Form des Bewusstseins geworden, die in dem allgemeinen Umfeld von Kultur und Bewusstsein agiere. Diese geschichtsphilosophische Konstruktion erhielt aber ihre eigentliche Inspiration eher aus der Aufklärung und dem Pietismus als von Luther, für den das Gewissen des Einzelnen immer an Gottes verbum externum gebunden ist (z.B. WA 7, 838). Aber wie das Subjekt des Glaubens von Baur als autonom aufgefasst wurde, so wurden auch die weltlichen Lebenssphären von mehr kantisch gesonnenen Liberaltheologen als eigengesetzlich interpretiert, jede für sich von selbständigen Prämissen aus reguliert – jedoch noch zusammengehalten von der Idee einer übergreifenden und verbindlichen ”Sittlichkeit”, entweder theologisch ausgeprägt in einer mehr platonischen Theorie des höchsten Guten (so Friedrich Schleiermacher) oder in der Form einer eher kantianisierenden Lehre vom Reich Gottes (so Albrecht Ritschl).

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Für die Nachwelt ist diese neuprotestantische These von der Autonomisierung von Religion und gesellschaftlichem Leben oft mit Max Webers Theorie des okzidentalen Rationalisierungsprozesses verbunden worden, der die Form eines Übergangs von einer religiösen Wertrationalität zu einer profanen Zweckrationalität besitzt. Diese führt nach Weber von einer religiös begründeten Weisheit zu einer experimentellen Wissenschaft, ausgeführt von Experten; von personenabhängigen Autoritäten zu einer bürokratischen Verwaltung, einschließlich der Bildung eines Rechtssystems ohne Ansehen der Person; von einem wirtschaftlichen System, das an die Vision eines gemeinsamen Guten gebunden ist, zu einem wirtschaftlichen System, dessen Rationalität in einer konsequenten Rentabilitätsberechnung liegt, usw. Aber es sollte auch daran erinnert werden, dass Weber selbst die Reformation als eine neue Form religiöser Herrschaft interpretiert: Reformation bedeutete nicht ”die Beseitigung der kirchlichen Herrschaft über das Leben überhaupt, als vielmehr die Ersetzung der bisherigen Form derselben durch eine andere […]. Und zwar die Ersetzung einer höchst bequemen, praktisch damals wenig fühlbaren, vielfach fast nur noch formalen Herrschaft durch eine im denkbar weitgehendsten Maße in alle Sphären des häuslichen und öffentlichen Lebens eindringende, unendlich lästige und ernstgemeinte Reglementierung der ganzen Lebensführung.” (Weber 1963 [1920]: 20).7

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Die Reformation führte also keineswegs zu einer Freisetzung von ”autonomen Lebenssphären”, wie es die gewöhnliche Auffassung im Neukantianismus war. Mit Michael Foucaults Begriff der gouvernementalité (1991[1978]) kann man die Zwei-Regimente-Lehre eher als einen sehr frühen Ausdruck einer durchgreifenden Regulierung des religiösen, sozialen und kulturellen Lebens sehen, einer Regulierung, die durchgreifend war, indem sie nicht bloß Gehorsam forderte, sondern indem sie auch Techniken für eine moralische Selbstlenkung forderte und anbot. Foucaults Begriff des Gouvernmentalismus kombiniert eben das Problem der gouvernement, die Kunst des Beherrschens, mit der mentalité des jetzt selbst-reflexiv gewordenen Alltagslebens. Das Ergebnis der Gouvernementalität ist gerade das Herrschen der Selbstbeherrschung, ”the conduct of conduct”. Solche Modelle des Beherrschens und Selbstbeherrschens findet Foucault schon in der Antike, zum Beispiel im Stoizismus. In seinen späteren Schriften sieht er aber ganz klar, dass mit dem Auftauchen des Christentums das neue Ideal einer Pastoralmacht aufkam. Während für Plato (Der Staatsmann 295a) der Politiker als Herrscher und Gesetzgeber nicht wie ein guter Hirte, wie ein Lehrer oder Doktor auftreten kann, weil er nur allgemeine Gesetze geben kann und aufrechterhalten muss, wurden mit dem Christentum dem König auch Aufgaben wie einem Hirten gegenüber seiner Herde, oder wie einem Vater gegenüber seinen Kinder, auferlegt. ”Given this, in the Western world I think the real history of the pastorate as the source of a specific type of power over men, as a model and matrix of procedures for the government of men, really only begins with Christianity” (Foucault [1978] 1997: 147-148). Auf der Basis ganz überwiegend katholischen Materials setzt Foucault diesen Prozess vorwiegend im 17. and 18. Jahrhundert an, obwohl er selber sieht, das mit der Reformation und Gegenreformation schon das Modell der Pastoralmacht aufkommt: ”[T]he two worlds or series of worlds that issue from the Reformation, that is to say, a Protestant world, or a world of Protestant churches and the Counter Reformation, were not worlds without a pastorate. What resulted from the Reformation was a formidable reinforcement of the pastorate in two different forms. On the one hand there was the, let’s say, Protestant type, or the type developed by different Protestant sects, with a meticulous pastorate, but one that was all the more meticulous as it was hierarchically supple, and on the other hand, there was the Counter Reformation with a pastorate entirely brought back under control, a hierarchized pyramid, within a strongly centralized Catholic Church” ([1978] 1997: 149-150).

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Hier kommt nun der Komplex um die Gouvernementalität zu Tage. In der Frage nach der rechten Herrschaft der Fürsten und in der Pastorallehre wie auch im Rahmen der Pädagogik kommen Herrschaftsmodelle und Selbstherrschaftsmodellen zusammen hervor. ”There is a double movement, then, of state centralization, on the one hand, and of the dispersion and religious dissidence, on the other. It is, I believe, at the intersection of these two tendencies that the problem [of governmentality] comes to pose itself with this particular intensity, of how to be be ruled, how strictly, by whom, to what end, by what methods, and so on. There is a problem of government in general” (Foucault [1978] 1991: 202). Die intensivierte Verwendung von Katechismen kann als ein Antrieb zu einem Prozess der Verinnerlichung gesehen werden, wonach die Gouvernementalität unmittelbar in einen Prozess des Selbstbeherrschens ausschlägt. Die staatliche Kontrolle findet nicht nur im äußeren Raum statt, sondern reproduziert sich durch Ausbildung und Sozialisierung im täglichen Leben, in ihrer Hilfe zur Selbst-Steuerung des Individuums. Heternomie und Autonomie lassen sich nicht trennen, sondern sie verstärken sich gegenseitig.

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Selbstbemeisterung und Säkularisierung

Die Frage ist nun, ob dieser Prozess der self-governmentality heute noch wirksam ist. Vieles deutet darauf hin, dass das Ideal einer Selbstbemeisterung in voller Blüte weiterlebt. Es ist nicht mehr nur der Glaube, zu dem sich der Einzelne in Innerlichkeit zu verhalten hat. Auch Essen und Trinken, Gesundheit und Mobilität sind zu bemeistern und zu verinnerlichen. Wir leben insofern in einer Kultur, die von der Forderung nach Selbstbemeisterung belastet ist – und von der Schande all derer, die den Idealen nicht entsprechen. Aber wie es verkehrt ist, den evangelischen Glauben als ein Anliegen der Glaubensentscheidung des Einzelnen allein zu verstehen, so ist es auch verkehrt, die Management- und Fitnesskultur als Ausdruck einer Privatisierung des psychologischen Lebens zu interpretieren. Im Gegenteil, die Selbstbemeisterung basiert auf einer öffentlichen Bild-Bildung (von Milan Kundera in Die Unsterblichkeit ”Imagologie” genannt) und auf einer durch die Medien vermittelten Meinungsbildung, die das ideale Gesetz bildet, in dem sich Individuen und Gruppen spiegeln. Das eine Auge Gottes ist durch die vielen Linsen der Kameras ersetzt worden.

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Diese Auffassung wirft auch ein Licht auf die Säkularisierungstheorie. Es besteht heute unter den Säkularisierungstheoretikern nahezu Konsens über die Unhaltbarkeit der Weber’schen Theorie, nach der die Entzauberung der Reformation die historische Folie bilde, auf deren Hintergrund die Zweckrationalität der Modernisierung sich im zweiten Anlauf universal durchsetze. Erstens ist die Entzauberung der Welt in einer langen Reihe von Fällen durch eine Wiederverzauberung der Welt abgelöst worden; wie Peter L. Berger es formuliert hat, ist die Säkularisierung selbst entsäkularisiert worden. Zweitens hat die unverkennbare Durchschlagskraft der Säkularisierung in West- und Mitteleuropa sich als The Exceptional Case (Davie 2001) erwiesen, der sich in anderen Teilen der Welt nicht durchgesetzt hat, die kaum weniger modern oder weniger urbanisiert (z.B. USA; Korea; Japan) als Europa sind. Neuere Säkularisierungstheorien haben deshalb generell den Glauben an universelle Theorien über die Entwicklung der Religionen aufgegeben; Religionen entwickeln sich unterschiedlich, je nach Typ, Zeit und Ort. Drittens hat sich erwiesen, dass die modernen Weltreligionen generell nicht privatisiert, sondern ganz im Gegenteil weitgehend entprivatisiert worden sind, indem religiöse Thematiken fester Bestandteil öffentlicher Diskussion und öffentlichen Diskurses geworden sind, und damit Gegenstand sowohl von Kritik als auch von Konstruktion. Die Politisierung des Islam (die ihrerseits sehr verschiedene Formen annimmt) ist mit anderen Worten keine Ausnahme, sondern bloß eine besondere Version des neuen Platzes der Religion in der Öffentlichkeit. Auf der Grundlage von fünf verschiedenen Fällen weist der Religionssoziologe José Casanova darauf hin (1994: 212-213), dass, während das Haltbare in der klassischen Privatisierungstheorie in der These von der Differenzierung zwischen verschiedenen Lebenssphären bestehe, die Privatisierungsthese nicht haltbar sei: ”Religion always transcends any privatistic, autistic reality, serving to integrate the individual into an intersubjective, public and communal ’world’. Simultaneously, however, religion always transcends any particular community cult, serving to free the individual from any particular ’world’, and to integrate the same individual into a transsocial, cosmic reality” (1994: 216). Dies gilt auch im reformierten Christentum. Man braucht nur Luthers Auslegung des ersten Glaubensartikels im Kleinen oder Großen Katechismus zu lesen, um zu sehen, wie die subjektive, die soziale und die natürliche Lebenssphäre interferieren und eine Resonanz zwischen Individuum, Gesellschaft und Kosmos schaffen.

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Die Zwei-Regimente-Lehre und die Politik der Anerkennung

Wir wollen nun zur Zwei-Regimente-Lehre zurückkehren: Im Gegensatz zu Luther leben wir heute nicht mehr in einem Staat der Bevormundung, in dem die Fürsorge für das Wohl und Wehe der Bürger von oben durch ein – in der Praxis in der Form der Alleinherrschaft auftretendes – politisch-religiöses System gelenkt wird. Wir leben in einer zentrumslosen ausdifferenzierten Gesellschaft, in der neue starke Domänen hinzugekommen sind, die nicht mehr durch die politische Macht des Staates gesteuert werden. Es handelt sich hier nicht zuletzt um den freien Markt und die freien Medien, aber auch um Wissenschaft, Moral, Religion und Kunst. Die politische Regierungsform ist eine Demokratie, in der Einfluss durch Verhandlungen zwischen verschiedenen Präferenzen und Visionen vom guten Leben, religiösem und nicht-religiösem, samt einer Reihe von human-religiösen Hybriden wie beispielsweise dem Gedanken der Würde (Unverletzlichkeit) des Menschen gesichert wird. Ferner ist eine Differenzierung eingetreten zwischen dem Staat und der zivilen Gesellschaft, die es im 16. Jahrhundert nicht gegeben hat (Bach-Iversen 2000), sowie ein Säkularisierungsprozess, der, wie wir gezeigt haben, nicht zur Retraite der Religion geführt hat, sondern zu ihrer Pluralisierung. In diesem Kontext kann man nicht erwarten, dass die Zwei-Regimente-Lehre die Grundlage für irgendeine Art politischer Regulierung der Politik der Gegenwart abgeben könnte. Dagegen könnte sie möglicherweise als Anregung fungieren für eine umfassendere Diskussion, nämlich hinsichtlich des Platzes der Religion im öffentlichen Leben:

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Erstens als Korrektiv für eine übereilte Gegenüberstellung des Modernen und des Vor-Modernen. Der Geistesgeschichtler Hans-Jörgen Schanz (2005: 40-43) hat es so formuliert, dass die Gedanken der endlosen Plastizität des Daseins und der kulturschaffenden Aktivität des Menschen als “Energie-Ideen” der Modernität fungiert haben. Die mehr domänespezifischen Ideen der Entsakralisierung der Natur, der Autonomie des Individuums und der Regulierung des sozialen Lebens durch allgemein begründete Normen gesellen sich hinzu. Nur Retro-Modernisten glauben aber heute an die treibenden Energie-Ideen der Moderne. Selbst die mehr wirksame Folge-Ideen wie Autonomie und argumentative Durchschaubarkeit besitzen nur begrenzten Gültigkeitsbereich. Welcher Vater oder welche Mutter würde sich z.B. auf eine Autonomie gegenüber dem Neugeborenen berufen? Die Welt ist weiterhin von Menschen bewohnt, die viel beschäftigt sind mit ihrer Arbeit, die in Liebesverhältnisse eingebunden sind, Kinder und Freunde haben und dadurch entdecken, dass das “Individuum” gar nicht so individuell ist, sondern auf Lebensformen beruht, die weder modern noch vor-modern sind, sondern ganz einfach amodern: “Mitten im Modernen – ohne Konflikt, ohne Ressentiment, ohne Anachronismus und selbstauferlegte und krampfhafte Legitimation – ist Platz entstanden für das Amoderne” (Schanz 2005: 43). Das Amoderne – Luther würde von oeconomia sprechen – macht die Modernität bewohnbar. Das sind die Qualitäten des nahen Lebens, die (manchen) Menschen die Kraft und Fähigkeit geben zu politischer Tätigkeit und die religiöse Sensibilität trainieren (unter noch mehreren). Das häusliche Leben entspricht den Kanälen des Gotteslebens, wie Luther es religiös formulierte.

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Zweitens kann die Zwei-Regimente-Lehre Anlass sein, weniger krampfhafte Auffassungen vom Platz der Religion im öffentlichen Leben zu entwickeln, also zum Verhältnis von Staat und Zivilgesellschaft (der politia unserer Zeit) und den zahlreichen religiösen Gruppen (dem Pendant unserer Zeit zur ecclesia). Die institutionelle Differenzierung zwischen Politik und Religion ist in den meisten abendländischen Demokratien bereits Realität. Zugleich aber gibt es überall in Europa Absprachen und Konkordate, die das Verhältnis zwischen dem Staat und den vielen Religionsgemeinschaften regeln. Religionen gehören zum öffentlichen Leben, und sie gehen als solche das politische Leben an.

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Aber folgt man der liberalistischen Interpretation der Zwei-Regimente-Lehre, dann könnte man mit dem Philosophen John Rawls darauf verweisen, dass es zwar in der background culture des politischen Lebens viele comprehensive world views gebe – die einen religiöser Art, andere nicht-religiöser Art –, dass man aber dennoch eine rein allgemein-politische Rechtfertigung (proper political reasons) verlangen müsse, wenn diese Lebensanschauungen in der Öffentlichkeit in der Absicht politischer Stellungnahme geltend gemacht werden sollten (Rawls 1997: 783-4). Religiöse Lebensauffassungen können toleriert werden, aber nur insoweit sie sich in public reasoning übersetzen lassen. Das ist Rawls’s berühmt-berüchtete Proviso-Klausel. Seine Voraussetzung ist hier, das die verschiedenen umfassenden Lebensdeutungen nicht miteinander vereinbar seien oder sich auch nur annähern könnten (1997: 766), obwohl es durchaus möglich sei, dass Überlappungen zwischen den übergreifende Lebensdeutungen und den Prinzipien des public reasoning auftreten könnten. Aber die Frage ist doch, ob es überhaupt auf der einen Seite ”echte politische Gründe” und auf der anderen Seite ”private” Lebensanschauungen gibt. Mitten zwischen den allgemeinen politischen Spielregeln (die alle befolgen müssen) und der individuellen Wahl zwischen Lebensanschauungen (die jeder für sich selbst treffen kann) liegt ein weites Feld, das mit der gesellschaftlichen Diskussion von Präferenzen und Gewichtungen im Verhältnis zum Gemeinwesen und Zusammenleben zu tun hat – Luther würde sagen: Leben in Beruf und Stand. Es ist hier sehr gut vorstellbar, dass solche Bereiche sich besser durch Verhandlungen und das Ausbalancieren zwischen verschiedenen – teilweise sich überlappenden, teilweise widersprüchlichen – comprehensive world views regeln ließen als durch ein abstraktes Prinzipdenken. Als ein Beispiel aus Dänemark kann man den Ethischen Rat nennen, der bewusst aus Personen zusammengesetzt ist, die verschiedene Hintergrundkulturen vertreten, während die Legislativkompetenz weiterhin beim Parlament liegt.

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Jürgen Habermas hat sich jüngst gegen Rawls’ liberalistische Exklusion der Religion aus dem öffentlichen Raum gewandt. Lange Zeit hatte Habermas selbst Max Webers rationalistische Säkularisierungsthese verfochten. Erst jüngst hat er erkannt, dass Webers (und Kants) ”abendländische Rationalität” einen zivilisatorischen Sonderweg darstelle, der weder universell noch langzeithaltbar sei (Habermas 2005: 121). Rawls gegenüber macht Habermas daher jetzt geltend, dass es im eigenen Interesse des liberalen Staates liege, den religiösen Stimmen in der politischen Öffentlichkeit Platz zu gewähren, ja sogar religiöse Organisationen zu politischen Teilnehmern zu machen. Alles andere wäre politisch unklug. Aber es gibt auch sachliche Gründe hierfür. Erstens können religiöse Traditionen moralische Instiutionen artikulieren, die der Gesellschaft andernfalls entgingen (man könnte an das Gleichnis vom barmherzigen Samariter denken). Zweitens stellen die Religionen ”kognitive Herausforderungen” für eher formalistische, säkulare Lebensauffassungen dar (man könnte an Ideen denken, die sich auf der Grenze des Ästhetischen und des Moralischen befinden). Das sind neue Töne seitens Habermas’, der einst von der Entsakralisierung des Heiligen in der bindenden Kraft des moralischen Lebens gesprochen und alles Wissen über die Welt auf wissenschaftliches Wissen reduziert hat. Jetzt aber heißt es, dass es bei der ”goldenen Regel” nicht allein um den kategorischen Imperativ (innerhalb der praktischen Vernunft) gehe, sondern auch um das kognitive Niveau, indem die goldene Regel ”zu einer gegenseitigen Perspektivenübernahme aller Betroffenen” verpflichtet (2005: 139). Fragen der Wirklichkeits- und Daseinsorientierung sind religiösen und nicht-religiösen Bürgern sowieso gemein und es muss mit überlappenden Perspektiven und bleibenden Uneinigkeiten gerechnet werden. Der Säkulare muss sich bemühen, den Religiösen zu verstehen - und umgekehrt.

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Habermas hat damit auf theoretischem Niveau seine kantische Dreiteilung der Vernunft in das Wahre, das Gute und das Schöne, wie sie in seine Theorie des kommunikativen Handelns eingebaut ist, nicht aufgegeben. Aber ohne etwas von seinem hermeneutischen Willen preiszugeben, ist er sich anscheinend darüber im Klaren, dass ”die Lebenswelt” nicht nur einen homogenen zugrundeliegenden Horizont ausmacht, sondern eine konfliktreiche Mehrheit von Stimmen, religiösen wie nicht-religiösen, selbstreflexiven wie nicht besonders selbstreflexiven, darstellt. Damit hat er indirekt eingeräumt, dass seine Diskurstheorie in politischen Zusammenhängen nicht unmittelbar anwendbar ist. Die Diskussion muss aus den diskursiven Hinterzimmern, zu denen nur ”die Kompetenten” Zugang haben, herausgeholt und in den offenen und fließenden politischen Raum überführt werden, zu dem alle Bürger Zugang haben, wohlgemerkt mit ihren religiösen bzw. säkularen Daseinsauffassungen.

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Habermas kann als ”Philosoph des Protestantismus” gelesen werden, wie ihn der dänische Theologe Jens Glebe-Møller genannt hat. Genauer gesagt, kann seine Sicht der Rolle der Religion in der Öffentlichkeit verstanden werden als Ausdruck einer Interpretation der Zwei-Regimente-Lehre, derzufolge Religion und Politik in einen gegenseitigen Austausch treten. Wie der Austausch vonstatten gehen soll, dazu sagt aber Habermas leider nicht viel.

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Persönlich möchte ich meinen, dass eine solche Debatte auf mindestens drei Ebenen stattfinden müsste. Erstens in der Form einer mediengetragenen Diskussion, die ja auch von seiten Rawls anerkennt wurde (insofern er nicht die allgemeine Öffentlichkeit der Religion verbieten wollte, sondern nur ihrer Eintreten in den Raum politischer Entscheidungen). Die mediengetragene Öffentlichkeit hat ihre Stärke darin, den Zusammenhang zwischen zugrundeliegenden Lebensanschauungen und konkreter Lebenspraxis des Betreffenden aufzuzeigen. Der mediengetragene Diskurs hat dafür das Problem, dass er normalerweise die Extreme in einer Debatte aufsucht und selten Platz für eine Entfaltung der inneren Logik eines Gedankenganges gewährt.

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Deshalb braucht eine moderne Gesellschaft zweitens die selbstreflexive Diskussion, die es sowohl religiösen als auch nicht-religiösen Lebensdeutungen ermöglicht, ihre eigene Semantik (aus der Perspektive des Teilnehmers) zu entfalten und zugleich sich selbst von außen her (aus der Perspektive des Beobachters) zu sehen. Wie Habermas selbst hervorhebt, ist dies eine Aufgabe der Theologie im Namen der religiösen Gruppen (2005: 143). Aber dieser Weg könnte auch von nicht-christlichen Religionsgruppen beschritten werden, insofern sie repräsentatives Gewicht haben und vorbehaltlos bereit sind, sich dem kritischen Fremdblick (historisch-kritischer Untersuchung heiliger Schriften, wissenschaftlicher, philosophischer und ethischer Kritik) zu unterwerfen.

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Schließlich könnte es drittens politisch klug sein, für die wichtigsten religiösen Stimmen – die live options des religiösen Lebens – innerhalb der politischen Kultur im engeren Sinne eine Art von Anerkennung zu gewährleisten. Man könnte – wie in England – einen Religiösen Rat einrichten, der seiner Funktion nach dem Ethischen Rat entspräche. Ein solche Institution müsste repräsentativ für die Bevölkerung sein, ausschließlich aufklärend und beratend, während die politischen Entscheidungen durch die demokratischen Organe getroffen werden. Aber es wäre auch vorstellbar, dass religiöse Repräsentanten mehr nach Bedarf und ad hoc von der politischen Obrigkeit eingeladen werden, um besondere Probleme zu besprechen und beraten.

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Auf diese Weise könnten Konflikte zwischen dem politischen und dem religiösen System rechtzeitig aufgefangen werden, und man würde vermeiden, dass Führer kleiner extremer Gruppen wie in Dänemark das öffentliche Profil einer ganzen Religion zeichnen, wie das hier in Dänemark nach der Veröffentlichung der Mohammedkarikaturen von seiten der sogenannten ”Islamischen Glaubensgemeinschaft” geschehen ist.

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Die Tendenz der Medien, Außenpositionen zu favorisieren, kann nur durch eine Kombination des Sachlichkeitsprinzips der Selbstreflexion und des Repräsentationsprinzips des politischen Systems auszubalanciert werden.


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Literatur:

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Fußnoten:

1 Dieser Vortrag wurde auf dem Deutsch-Dänischen Konvent in Løgumkloster am 23. Februar 2008 gehalten. Ein herzlicher Dank gilt dem Rektor und Kollegen Eberhard Harbsmeier für die Einladung, Dietrich Harbsmeier und Christian-Henner Hentsch für die Übersetzung, und dem Doktoranden Mads Peter Karlsen für hilfreiche Anstösse bezüglich ”Weber und Foucault”.

2 Ich spreche hier ausschließlich von den sozial wirksamen Interpretationen, nicht von den zahlreichen Interpretationen der Zwei-Regimente-Lehre innerhalb der Lutherforschung. Siehe hierzu Wolf (1972) für die ältere Diskussion und Raunio (2004) für neuere Interpretationen.

3 Der Ordnung halber sei bemerkt, dass die terminologische Distinktion zwischen zwei Reichen und zwei Regimenten bei Luther nicht völlig konsequent durchgeführt ist, siehe Althaus (1965, 55).

4 Luther selbst konnte sogar schreiben: ”weltliche herrschaft ist ein bilde, schatten und figur der herrschaft Christi” (WA 30 II, 554).

5 Die Textgrundlage für die Drei-Stände-Lehre ist ziemlich breit, und findet sich z.B. sowohl in der Zirkular-Disputation über Matthäus 19,21 (Von den dreien Göttlichen Hierarchiis, oder Erstgewalten…, WA 39 II, 44-91) wie auch in der Exegese von 1. Mos 2,16-17 in der Genesis-Vorlesung (WA 42, 79-83).

6 Es ist hier nicht die Rede von einer anachronistischen Einbeziehung von K.E. Løgstrups Lehre vom ”Vor-kulturellen”. Es verhält sich umgekehrt: Løgstrups Lehre vom Vor-kulturellen ist inspiriert von Luthers Lehre von Gottes neuschaffender Gegenwart im Geschaffenen, die mitten in den Äußerungen des Menschenlebens dessen Selbstsucht suspendiert, wenn auch nur sporadisch.

7 Ich verdanke Mads Peter Karlsen diesen Hinweis.




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Diese Seite ist vom 9. August 2008