Zitiervorschlag / Citation:

http://www.forhistiur.de/zitat/0502kuemper.htm

 

Rolande der Welt.
Die Rolandforschung auf neuen (diesmal digitalen) Wegen

 

Dietlinde Munzel-Everling,

Rolande der Welt
Interaktive CD-ROM zur Rolandsforschung, Wiesbaden / Ober-Ramstadt 2004, ISBN 3-00-013829-3; 24,95 €
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Rezensiert von: Hiram Kümper, Bochum*

In aller Kürze anzuzeigen ist eine jüngst erschienene CD-ROM zu einem seit gut einhundertfünfzig Jahren virulenten, verstärkt aber erst seit den späten 1980er Jahren wieder aufgegriffenen Thema der realienorientierten Rechtsgeschichte: Der Rolandsforschung1. Bekanntlich hat gerade die Mediävistik in letzter Zeit immer öfter den Blick auf die neuen Medien gewandt. Die Autorin ist auf diesem Feld kein unbeschriebenes Blatt, vielmehr hat sie sich in den letzten Jahren wiederholt mit den Möglichkeiten der digitalen dynamischen Edition (DDE)2 am Beispiel mittelalterlicher Rechtsbücher auseinandergesetzt3. Die angekündigten Editionen der Heidelberger Bilderhandschrift des Sachsenspiegels4 und das Kleine Kaiserrecht, ausgehend von der Corveyer Handschrift5, stehen leider noch aus; die vorliegende CD-ROM jedoch lässt für die hoffentlich noch kommenden Einiges erwarten.

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Die CD-ROM wird in einer soliden Hartplastikhülle geliefert. Beifügt ist eine sorgsam gestaltete Kurzanleitung zum Betrieb, die durch Screenshots selbst technisch wenig versierten Nutzern innerhalb weniger Minuten den Zugang nahe bringt. Sämtliche Navigationen innerhalb der visuell ansprechend gestalteten Oberfläche sind mit Tooltips (d.i. dynamische Hinweisfenster) versehen, die den Anwender in der Benutzung unterstützen.

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Kernstück der Publikation ist sicherlich die eigentliche Roland-Datenbank, die alle 252 bekannten Rolands-Darstellungen mit teils mehreren Abbildungen und einer Zusammenstellung aller wichtigen Standortinformationen samt umfänglichen bibliographischen Nachweisen umfasst. Insgesamt sind über 1500 Abbildungen in die CD-ROM integriert, von denen allerdings ein Teil auch zu Lasten des Dokumentationsteiles geht. Die eigentliche Datenbank zeichnet sich durch eine ausgereifte Suchfunktion aus, die zugleich die sogenannte "Rolandkarte" bedient. Besonders ist aber darauf hinzuweisen, dass auch diese Übersichtskarte zur Darstellung der einzelnen Aufstellungsorte, die auch sonst durch professionelles Scrolling und Zoomen überzeugen kann, eine interaktive ist: So können aus dem breiten Spektrum von chronologischen und systematischen Kategorien (Zeitpunkt der Aufstellung, Erhaltung, Material, Standort, Ausstattung etc.) die entsprechenden Rolande auf der Karte ein- und ausgeblendet werden. Innovativ und in hohem Maße sinnvoll erscheint die Möglichkeit, jeweils zwei frei wählbare Roland-Abbildungen aus der Datenbank auf einem Bildschirm zum direkten Vergleich gegenüberzustellen.

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Der Datenbank beigestellt ist eine teils eher skizzenhaft formulierte, aber inhaltlich solide Einleitung in Theorien zur Entstehung und Bedeutung der Rolandsfiguren, die zwar ihrer Intention nach nichts neues, vor allem aber einen guten Einstieg in die Sekundärliteratur bieten kann. Alle Texte, wie auch die beigefügte umfangreiche und sauber recherchierte Bibliographie, sind ebenfalls als PDF-Dokumente zum Ausdruck auf der CD-ROM vorhanden. Gleiches gilt für eine Reihe von Datenblättern zu einzelnen Rolanddarstellungen, die neben einer Abbildung komprimierte Informationen der Datenbank zusammenfassen.

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Der Unterpunkt "Kuriositäten" führt einen Rundumschlag durch Volkskunde, Notgeldscheine, Straßennamen und dergleichen und dient sicherlich eher dem gelehrten Schmunzeln als der eigentlichen Rolandsforschung. Handwerklich ist auch diesem reichlich illustrierten Dokumentationsteil freilich nichts vorzuwerfen - die Frage nach der Relevanz bleibt.

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Ein gewisser Wermutstropfen bleibt die erforderliche Mindestbildschirmauflösung von 1024x768 Bildpunkten. Gerade im universitären Betrieb, wo Mittel immer knapp sind, muss der Historiker oft genug mit wahrlich historischen Bildschirmgrößen von 14 Zoll und kleiner arbeiten, die einen Umgang mit der CD-ROM nicht nur mühsam, sondern schlicht unmöglich machen. Das beigefügte Notizbuch, mittels dessen auch Texte aus der CD-ROM in Textverarbeitungen u.ä. übernommen werden können, bleibt technisch leider noch hinter seinem ohnehin nicht besonders umgänglichen Großvater, dem Windows Notepad™, zurück. Ein simpler, nicht-proportionaler ASCII-Editor, der dafür die gängigen Eingabefunktionen unterstützt, wäre hier sicherlich hilfreicher gewesen. Doch bleibt dieser Kritikpunkt Marginalie.

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Festzuhalten bleibt, dass mit der vorliegenden CD-ROM der Forschung ein unschätzbarer Datenkorpus vorliegt, der in dieser Form nur schwerlich und unter hohen Kosten gedruckt hätte erscheinen können. Das dem Historiker noch immer eher fremde Medium CD-ROM mit seinen Möglichkeiten multimedialer Darstellungen ist hier in beispielhafter Weise dienstbar gemacht worden ohne die Inhalte der äußeren Präsentation unterzuordnen. Gespannt wird man, trotz den erfreulichen Ergebnissen des Wolfenbüttler Digitalisierungsprojektes6, auf die bereits seit langem angekündigte CD-ROM zur Heidelberger Bilderhandschrift des Sachsenspiegels sein dürfen.

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Fussnoten:

* Ruhr-Universität Bochum, Fak. f. Geschichtswissenschaft, GA 5 / 131 (Nord), D-44801 Bochum; hiram.kuemper@rub.de.

1 Als Impuls zur Wiederaufnahme der Rolandforschung, die bis dahin i. d. H. von den Arbeiten von Theodor Goerlitz: Der Ursprung und die Bedeutung der Rolandsbilder, Weimar 1934 und Karl Heldmann: Rolandspielfiguren, Richterbilder oder Königsbilder? Neue Untersuchungen über die Rolande Deutschlands, Halle 1905 bestimmt wurde, können wohl die Arbeiten von Winfried Trusen, vor allem: Der "Heilige" Roland und das Kaiserrecht, in: Kurt Ebert (Hg.): Festschrift für Nicolaus Grass, Innsbruck 1986, S. 395-406 gesehen werden. Ein neuerer Forschungsüberblick findet sich bei Dieter Pötschke: Einführung, in: ders. (Hg.): Rolande, Kaiser und Recht. Zur Rechtsgeschichte des Harzraumes und seiner Umgebung, Berlin 1999, S. 9-27.

2 Statt aller vgl. jetzt Manfred Thaller (Hg.): Digitale Bausteine für die geisteswissenschaftliche Forschung (Forum für Geschichte und ihre Quellen, Beiheft 5), Göttingen 2003.

3 Genannt sei hier nur Dietlinde Munzel-Everling: Computerunterstützte Methoden in der rechtshistorischen Forschung am Beispiel der Rechtsbücher, in: Heiner Lück (Hg.): Recht und Rechtswissenschaft im mitteldeutschen Raum (Festschrift für Rolf Lieberwirth), Köln u. a. 1998, S. 61-76; vgl. weiterhin Beiträge in den Tagungsbänden der Brandenburger IuK-Tagung 5, 6 und 7.

4 UB Heidelberg Cod. pal. germ. 164 (Oppitz Nr. 697); Walter Koschorrek: Die Heidelberger Bilderhandschrift des Sachsenspiegels. Kommentar zum Faksimile von CPG 164, Frankfurt a. M. 1970.

5 Fürstl. Schlossbibliothek Höxter-Corvey o. Sig. (Oppitz Nr. 717) - eine neuere Edition nach Hermann Ernst Endemann (Hg.): Das Keyserrecht nach der Handschrift von 1372, Kassel 1846 bleibt Desiderat.

6 <http://www.sachsenspiegel-online.de>, eingestellt am 15. Juni 2004; vgl. auch Dietrich Boles u. a.: Der Oldenburger Sachsenspiegel als Hypermedia-Dokument, in: Hans-Joachim Wätjen (Hg.): Zwischen Schreiben und Lesen (Festschrift für Hermann Havekost), S. 299-314.

 

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Diese Seite ist vom 15. Februar, 2005