Artikel vom 18. April 1999
© 1999 fhi
Erstveröffentlichung

Ulrich Möller

Die Durchsetzung der Stadtrechtsreformationen gegenüber den Stadtherren *)

I. Einführung
1. Reichs-, Freie und Landstädte
2. Stadtverfassung, Stadtrecht und städtische Juristen
3. Die Rechtsreformationen
4. Zum Begriff der "Reformation"
II. Nürnberg
1. Zur Stadtgeschichte
2. Die Reformationen von 1479 und 1546
3. Zur Nürnberger Rechtsetzungsgewalt
a) Exkurs: Reichsverfassung im Mittelalter
b) Die Kommentatoren und die Staatstheorie
c) Das Nürnberger Gutachten
4. Exkurs: Weitere juristische Gutachten
III. Worms
1. Stadtgeschichte
2. Die Reformation von 1498
IV. Frankfurt a. M.
1. Stadtgeschichte
2. Frankfurter Recht
3. Die Reformation von 1509
4. Die Reformation von 1578
V. Das Gutachten Amerbachs für Breslau
VI. Freiburg i. Br.
1. Freiburger Rechtsgeschichte
2. Die Freiburger Stadtrechtsreformation
VII. Fazit

I. Einführung

Unter dem Begriff der "Stadtrechtsreformationen" werden gemeinhin die Neufassungen der Stadtrechte verstanden, die, beginnend mit Nürnberg 1479, gegen Ende des Mittelalters in einer Reihe von Städten enstanden.1) Diese Gesetzeswerke sind insoweit bemerkenswert, als daß sie typische Produkte der Hochphase der Rezeption sind, indem sie einen erstmals die "Verwissenschaftlichung" des Rechts in die Stadtrechte einführen, zum anderen aber auch in unterschiedlichem Maße materiell römisch-rechtlich beeinflußt sind.2) 1
Während Bedeutung und materieller Inhalt der Stadtrechte bereits Gegenstand vieler Aufsätze geworden sind, so gibt es jedoch (soweit der Verfasser dies absehen kann) keine zusammenhängende Schilderung, wie denn die politische Durchsetzung dieser Reformationen gegenüber den jeweiligen Stadtherren erfolgte: woher also die Städte ihre Gesetzgebungskompetenz begründeten. Bei Freien und Reichsstädten betraf dies den Kaiser, ansonsten den jeweiligen Landesherrn.3) Dies hat deswegen ein wenig verwundert, weil ja mit der Verfassung eines einheitlichen, systematischen Stadtrechtes aus Sicht dieser Stadtherren ein Machtzuwachs der Städte verbunden gewesen sein müßte. 2
Nachstehend soll deshalb versucht werden, die "kompetenziellen" Schwierigkeiten der Stadtrechtsreformationen näher zu beleuchten. Nach einer kurzen Einführung in das rechtliche Wesen der mittelalterlichen Stadt (I.) werden dazu die vier "großen" Stadtrechtsreformationen betrachtet: Nürnberg 1479, Worms 1498, Frankfurt 1509 und schließlich Freiburg 1520 (II., III., IV., VI.). Kursorisch sollen auch einige andere, vergleichbare kompetenzielle Auseinandersetzungen herangezogen werden (II. 4, V.). 3

1. Reichs-, Freie und Landstädte

Als Stadtherrn bezeichnet man gemeinhin denjenigen Fürsten, der die Vogteigewalt über die Stadt besitzt, dh. Schutz- und Gerichtsfunktion innehat. Je nachdem, wer Stadtherr ist, unterscheidet man für das Mittelalter drei Typen von Städten: Der Begriff der Reichsstadt tritt bereits seit der Trennung von Reichs- und Hausgut unter Friedrich II. auf,4) wenn Schutzherr der Stadt der König ist, weil die Stadt entweder auf Königsgut oder vom König auf kirchlichem Boden gegründet wurde oder der König sonstwie die Gerichtsbarkeit erlangt hatte. Im Falle der Landstadt ist der Stadtherr ein weltlicher oder geistiger Fürst. Die Stadt nimmt oft als Landstand an den Landtagen teil und kann dort manchmal auch gestaltend wirken; im 16. Jh. wird die Mehrzahl der Landstädte allerdings in territoriale Herrschaftskonzepte eingegliedert.5) Die Freien Städte schließlich haben sich als ehemalige Bischofsstädte in langen Kämpfen weitgehend der Herrschaft ihres bischöflichen Stadtherrn entzogen, unterstehen jedoch weiterhin der königlichen Oberhoheit. Manchen Städten gelang dies vollständig (Straßburg, Köln), andere verblieben formal in einer Zwitterstellung zwischen Bischofs- und freier Stadt, hatten aber erhebliche Selbständigkeit erlangt (Osnabrück;6) vgl. zu Worms u. III.). 4
Die tatsächliche Autonomie einer Stadt definiert sich (manchmal unabhängig von ihrem rechtlichen Status) vor allem über ihre Rechts- und Handlungsfähigkeit, ihre Gesetzgebungsgewalt, eigene Verwaltung und Finanzhoheit und eigene Außenpolitik. Zu staufischer Zeit sind es noch die Bischofsstädte, die die größte Autonomie besitzen; erst im Interregnum bauen die Reichsstädte beinahe gezwungenermaßen ihre Autonomie aus, so daß im Spätmittelalter die Reichsstadt zur "idealen autonomen Stadt" wird. Jedoch hängen Privilegien und Verfassung der Stadt eher von Größe und Wirtschaftskraft ab als von ihrer formalen Stellung zum Reich:7) dies wird auch mit Blick auf die Stadtrechtsreformationen deutlich, denn zwei derselben entstehen in Reichsstädten (Nürnberg und Frankfurt), eine in einer Freien Stadt (Worms) und eine gar in einer Landstadt (Freiburg). 5
Die Reichsstädte sind durch ihre Reichsunmittelbarkeit8) finanziell und politisch stark mit militärischen und verfassungsrechtlichen Problemen des Reiches befaßt. Infolge der Hausmachtspolitik konzentriert sich die kaiserliche Stadtpolitik schließlich auf die süddeutschen Städte, während die niederdeutschen Reichsstädte vom Reich zunehmend an den Rand gedrängt werden.9) Schon seit Rudolf von Habsburg wurden die Reichsstädte mit Unterbrechungen zu Hoftagen berufen, da sie für die Reichspolitik (Landfrieden, finanzielle Unterstützung) wichtig waren. Seit Ende des 15. Jhs. versuchen die Reichsstädte in einem jahrzehntelangen Kampf, neben Adel und Klerus zum "dritten Reichsstand" mit Stimmrecht auf den Reichstagen aufzusteigen (dazu u. II. 4.). Auch wenn sie dies erst 1648 vollständig erreichen können, bilden sie doch schließlich ihre eigenen Territorien, emanzipieren sich aus der Unterstützungsfunktion für den Kaiser und nehmen ihm so die letzten unmittelbaren Untertanen.10) 6
Allgemein stehen die Reichsstädte in einem strikteren Befehls- und Schutzverhältnis zum Kaiser als die adelig-fürstlichen Stände; ihre zunehmende Inselstellung in den Territorien gefährdet ihre Autonomie.11) So nimmt auch nach dem Mittelalter die Zahl der Reichsstädte über die Jahrhunderte kontinuierlich ab; viele Städte gelangen durch Verpfändungen an die Landesherren (von über 100 Reichsstädten sind nur 13 nie verpfändet gewesen12)). Ab dem 16. Jh. wiederholen sich die Auseinandersetzungen des Mittelalters um städtische Autonomie, gehen aber jetzt vor allem in den Territorien oft zum Nachteil der Städte aus,13) bis sie nach und nach überwiegend ihre Autonomie verlieren und in die Territorien eingegliedert werden. 7

2. Stadtverfassung, Stadtrecht und städtische Juristen

Der Rat ist das Kernstück der Stadtverfassung, die keine Gewaltenteilung kennt. Zu seinen Aufgaben gehören nach und nach Friedensschutz (Eindämmung der Fehden, später durch Halsgerichtsordnungen), Stadtverteidigung und befestigung, Wirtschaftsverwaltung und Marktgerichtsbarkeit, "Polizei" im klassischen Sinne und die sich entwickelnde Gerichtsbarkeit und Rechtsfortbildung.14) Die Ratsverfassung ist doppelt verwurzelt: einerseits autogen durch den stets wiederholten Bürgereid, andererseits wird sie abgeleitet durch die fortschreitende Übertragung stadtherrlicher Ämter an den Rat; die Befugnisse sind daher teils selbst geschaffen, teils kommunalisiert.15) - Insgesamt ging der niederdeutsche Raum dem oberdeutschen bei der Ratsverfassung voran16) (vgl. aber Freiburg, u. VI.), da die staufischen "Reichslandstädte" stark obrigkeitlich organisiert waren. 8
Im Stadtrecht des Mittelalters kann man deutlich die Grundtypen des mittelalterlichen Rechts erkennen: Erstens das Privileg, welches als subjektives Ausnahmerecht vom Herrscher verliehen wird17) und vor allem seit dem ottonischen Reichskirchensystem Rechte aus den Regalien überträgt.18) Die damit häufig verbundenen Stadtrechte stellen geradezu "Durchführungsnormen" für das Privileg dar.19) Die verliehenen Urkunden enthalten das privilegium de non evocando (die Bürger müssen nur vor ihrem eigenen oder des Königs Richter erscheinen), Marktrechte, Freiheit von Hörigkeit nach Jahr und Tag, freies Erbrecht, Befreiung der Bürger von stadtherrlichen Schulden, Befestigungsrechte und manches andere mehr.20) Später kommt oft das privilegium de non appellando hinzu - oft mit einem bestimmten Streitwert verbunden, unterhalb dessen die Stadt Berufungen selbst behandeln darf. 1274 verleiht es der finanzschwache Rudolf global an alle Reichsstädte; damit ist deren Abschließung gegenüber der Reichsjustiz vollendet.21) 9
Neben den Privilegien steht in der mittelalterlichen Stadt vor allem das geschworene Satzungsrecht der Bürgerschaft, mit welchem Recht autonom geschaffen werden kann. Es handelt sich dabei um eine Einung, einen gemeinsamen Schwur, indem man sich selbst einer Strafe unterwirft für den Fall, daß man den Regeln zuwiderhandelt: also kein Gebot, sondern aufschiebend bedingte Selbstunterwerfung der Eidgenossenschaft, die ritualisiert am Schwörtag wiederholt wird.22) Dabei scheint für den Beginn der Satzungsgebung der Erwerb der stadtherrlichen Gerichtsbarkeit eine wichtige Rolle gespielt zu haben.23) Manche Städte geben sich Satzungen, ohne dazu autorisiert worden zu sein;24) andernorts wird die Rechtsetzungsgewalt privilegial bestätigt.25) Noch im Mittelalter entwickelt sich mancherorts der Rat zu einer oligarchischen "oberkait" (dieser Begriff tritt zB. in Ulm Mitte des 15. Jhs. auf26)), die dem Mehrheitsprinzip folgt, das personal anwendbare Recht zur lokalen Geltung führt und den Schwörtag zu einer Art Huldigung degradiert. 10
Zum Ende des Mittelalters verschmelzen schließlich die Grundtypen: die Satzungen werden mehr und mehr zu echten Geboten, und die Stadtrechte zeigen, daß auch lang befolgte Satzung als Recht zu sehen ist, während zuvor "Recht" nur im Einzelfall im Weistum gefunden (und nicht gesetzt) werden konnte.27) 11
In den Gründungsstädten ab dem 12. Jh. wurde (beginnend mit Freiburg i. Br.) durch Privilegsetzung Stadtrecht geschaffen und das Satzungsrecht verliehen; dagegen galt in den alten Städten anfangs noch Landrecht, das häufig erst nach langen Auseinandersetzungen zwischen Stadt und Stadtherrn durch eine autonome Rechtsetzung abgelöst werden konnte.28) 12
Zur Verwaltung der Stadt gehörte mit dem Rechnungswesen im übrigen schon früh der Schriftgebrauch. Zunächst wurde chronologisch und ungegliedert Aufzeichnungswürdiges in den Ratsbüchern festgehalten (zuerst 1227 Lübeck); als das Stadtleben komplexer wurde, kamen einzelne Privilegien, Willkür, Brief, Protokollbücher etc. hinzu. Die anfangs von einem oft halbgelehrten Schreiber (zumeist Kleriker) übernommene Tätigkeit der Rechtsberatung wird im 16. Jh. dem neu geschaffenen Amt des Syndicus übertragen, der sich auch vom kanonischen Recht emanzipierten konnte.29) Ulrich Zasius, der Verfasser des Freiburger Stadtrechts (dazu VI.), ist somit als städtischer Rechtsgelehrter und Autor von Fachliteratur den Kollegen seiner Zeit voraus gewesen.30) 13
Jedenfalls befand sich, bedingt durch das Erfordernis des ausgebildeten Rechts, in den Städten das juristische "Know-how" der Zeit. In Nürnberg ist schon für 1377 ein besoldeter Jurist nachgewiesen, der sogar 1370 auf Kosten der Stadt in Padua studiert hatte.31) Die Nürnberger Ratsbibliothek umfaßte bis 1490 mehr als 380 Bücher, dazu kam zB. die juristische Privatbibliothek der Pirckheimer, die als die größte ihrer Art in Deutschland galt.32) 14
Zwar waren die gelehrten Juristen dem einfachen Volk verdächtig, weil sie ein Recht vertraten, das ihm fremd war33) (so forderten die aufständischen Bauern 1525 ua., die "Doktoren abzuschaffen"34)), aber sie hatten ungeachtet des geringen tatsächlichen Einflusses, den eine juristische Argumentation im spätmittelalterlichen Deutschland haben konnte, eine tragende Rolle für die Fortentwicklung der Städte in Deutschland inne (vgl. dazu u. II. 3., 4. und VI.). 15

3. Die Rechtsreformationen

Die Städte und Landesherren sahen sich gegen Ende des Mittelalters mit dem Problem konfrontiert, daß sich die Reichsgerichte zunehmend am römischem Recht orientierten. Vor allem am 1495 gegründeten Reichskammergericht hatte das gemeine Recht in der Praxis "die Vermutung für sich",35) dh. wer sich auf seine lokalen Rechte berufen wollte, mußte nicht nur Tatsachen, sondern auch die Gültigkeit dieses lokalen Rechts beweisen, was sich im Einzelfall als sehr schwierig erweisen konnte und häufig zur Niederlage im Prozeß führte. So beschwerte sich zB. Lübeck (als mächtige Mutterstadt der großen lübischen Stadtrechtsfamilie36)) beim Kaiser, daß die traditionsreiche heimische Rechtsprechung in den Appellationen zum Reichskammergericht zu häufig abgelehnt werde.37) 16
Dem römischen "kaiserlichen" ius scriptum mußte also ein landesherrliches (bzw., für den hier betrachteten Zusammenhang, städtisches) entgegengesetzt werden, wollte man die Gültigkeit der lokalen Rechte vor den Apellationsgerichten nicht verlieren. Hinzu kam die Entwicklung, daß die bis dahin vorherrschenden Schöffen zunehmend durch "beamtete", oft ortsfremde Richter abgelöst wurden, die verbindlicherer Rechtsanweisungen bedurften,38) als sie mit den kasuistischen, häufig chaotischen Stadtrechtsbüchern bisher vorlagen, denn in diesen wurde idR. bloß sequentiell aufgezeichnet, was vom Rat einer Stadt entschieden wurde. 17
So kam es ab dem Ende des 16. Jhs. in zwei Wellen zu einer Vielzahl von Rechts-"Reformationen". Mit einem Verständnis von "Rezeption", die primär die Verwissenschaftlichung des Rechts betont, zählt man die vier großen städtischen Werke und das Bayerische Landrecht von 1518; es folgen mit vielen weiteren Werken 1555 das Württemberger Landrecht (revidiert 1567 und 1610), das Solmser Landrecht (1571 von Fichard, vgl. u. S. 22), die Kursächsischen Konstitutionen (1572), noch einmal Frankfurt (1578), Kurpfalz (1582), Hamburg (1603-05), die beiden Baden und Preußen (1620). Hinzu kamen die vielen Halsgerichtsordnungen, allen voran die Bambergensis 1507, die schließlich der Constitutio Criminalis Carolina von 1535 zugrundelag.39) 18
Im allgemeinen ist zu erkennen, daß die wenigen und späten niederdeutschen Werke sehr dem einheimischen, meist sächsischen Recht verfangen bleiben (so in Lübeck 1586, das qualitativ jedoch an früheren Rang und Ansehen des lübischen Rechts nicht mehr anschließen kann,40) sowie Hamburg 1603); die süddeutschen Städte reformieren früher und juristisch geschulter sowie dem römischen Recht gegenüber offener. Dabei hat offenbar die Größe und Wirtschaftskraft einer Stadt auf das Ausmaß der Aufnahme römischen Rechts wenig Einfluß: so ist zum Beispiel Augsburg, neben Köln und Nürnberg eine der mächtigsten Städte des Reichs, völlig ohne romanistische Neuredaktionen ausgekommen.41) 19
Demgegenüber war vielen anderen Redakteuren das einheimische Recht relativ gleichgültig (Worms, u. III.), oder sie waren unsicher in der Handhabung "juristischen", systematischen Rechts überhaupt; die älteren Reformationen gingen daher als Vorbilder über große Entfernungen in andere Werke ein, so daß einige spätere Stadtrechte einen geradezu "compilatorischen Charakter"42) hatten. 20
Im Gegensatz zur früheren Satzung tritt nun auch der Gebotscharakter immer deutlicher hervor. Im 16. und 17. Jh. pflegen sich viele Landesherren ihre Ordnungen vorsorglich vom Kaiser, nach damaligem Verständnis dem Quell ihres Rechts, bestätigen zu lassen. Damit ist auch der Weistumscharakter und die Möglichkeit, lokales Recht vorzuziehen, verloren.43) 21

4. Zum Begriff der "Reformation"

Weil man unter "Reformation" ja heute primär die kirchliche des Jahres 1517 begreift, ist die grundsätzlichere sprachliche Bedeutung dieses Begriffes für die damalige Zeit heute nicht mehr ohne weiteres verständlich.44) Das Wort "Reformation" taucht nun aber im Verlauf des Mittelalters recht häufig auf, anscheinend zuerst schon 1323 in den Uptalsbomer Gesetzen.45) Bereits im 13. Jh. hatte in Bologna das Wort die Bedeutung der "planmäßigen Umarbeitung von Statuten"; von dort verbreitete es sich in Italien und kam schließlich nach Nürnberg, wo es zuerst iS. einer halbwegs vollständigen Neufassung eines Stadtrechts verwendet wird. Dem nur sehr schwach romanisierten Kölner Werk von 1437 wurde der Titel allerdings erst in einem späteren Druck von 1622 verliehen.46) 22
Die Kirche verbreitete im 12. Jh. die Vorstellung, daß alles Recht von Gott komme; demnach ist es gut, und es kann nicht geschaffen, sondern nur "reformiert" werden.47) Dem Begriff "Reformation" wohnt also zunächst ein doppelter Charakter inne: einerseits als Gottesrecht ausgerichtet aufs Jenseits, andererseits diesseitig im Zusammenhang mit den römischen Traditionen.48) 23
Viele der späteren Reformationen scheinen sich ebenfalls nicht als Erneuerung, sondern als Wiederherstellung einer guten alten Ordnung zu sehen;49) dem entsprechen die Vorstellung der Kaiserlegende im 15. Jh., die die Wiederkehr Friedrichs II. erwartete und von "Reformation" iS. einer Wiederherstellung des alten Reichs spricht, die Titulierung des Reichslandfriedens von 1442 als "reformatio imperii"50) und die Diskussion um die "Reichsreform" während des ganzen 15. Jhs.; vielleicht spielte auch eine Rolle, daß man durch diese Bezeichnung den Reformwerken eine erhöhte Popularität verleihen konnte.51) 24
Jedenfalls paßt auch die kirchliche Reformation 1517 insoweit in dieses sprachliche Bild, als daß sie ja ebenfalls nicht etwas völlig Neues schaffen (und schon gar nicht die Kirche spalten), sondern - im obigen Sinne - eine gute alte Ordnung, nämlich den angenommenen früheren, idealen Zustand der Kirche, wiederherstellen wollte. 25

II. Nürnberg

1. Zur Stadtgeschichte

Die Gründung der Stadt ist unsicher, könnte aber um zwischen 1000 und 1040 in Zuge der Sicherung des Grenzgebietes zwischen Sachsen, Bayern, Ostfranken und Böhmen am Schnittpunkt wichtiger Straßen erfolgt sein.52) Die Siedlung hatte jedenfalls von Anfang an Marktrecht. 1065 bildet Heinrich IV. aus dem Reichsgut Nürnberg und Umland einen eigenen Hochgerichts- und Verwaltungsbezirk. Konrad III. verlieh die neu errichtete Burggrafschaft mit Gericht und Verwaltung an die Edelfreien von Raabs (Niederösterreich), die dann 1190/91 von Heinrich von Zollern übernommen wurde. 26
Im 13. Jh. begann die Verselbständigung der Stadt, wenn auch die Anfänge der rätischen Rechtsetzung mangels Quellen ungewiß sind. Im Interregnum gelangen Burg- und Gerichtsrechte an die Burggrafen, jedoch gelang Rudolf von Habsburg die weitgehende Rückgewinnung für das Reich, so daß Nürnberg geradezu zum Inbegriff der königsnahen Stadt des Spätmittelalters werden konnte.53) 1278 wurde die Exemtion der Bürger von den Landgerichten festgestellt. 1302 begann das älteste Satzungsbuch der Stadt; 1313 wurde das Amt des Schultheißen auf die Rechtsprechung der Schöffen verpflichtet, 1385 von der Stadt erworben. Bis 1424 folgte eine ganze Reihe von weiteren Büchern, ua. mit einer ausführlichen Halsgerichtsordnung. 27
Wenn zu keinem Zeitpunkt ein zusammenhängendes "Stadtrecht" ieS. entworfen wurde, bildete sich jedoch ein eigener Stadtrechtskreis heraus, und es lebten allmählich ca. 30 Orte nach Nürnberger Recht, die in Zweifelsfällen Weisungen der Stadt erbitten. 1431 wurde die Stadt von der niederen Gerichtsbarkeit des königlichen Landgerichtes beim Burggrafen befreit. 1443 beginnen die Ratschlagbücher für die juristischen Gutachten der Stadt. 28

2. Die Reformationen von 1479 und 1546

Nach reger Gesetzgebung 1452, 58/59 und 60/73 läßt der Nürnberger Rat die Stadtbücher überarbeiten, nachdem aus der Bürgerschaft entsprechende Forderungen laut geworden waren;54) schließlich kommt 1479 die "Newe Reformation"55) als "Prototyp"56) der Stadtrechtsreformationen heraus. 29
Wenn auch die Ratsbücher über die Entstehung des Werkes wenig aussagen, so scheint doch der Rat selbst mit den Einzelheiten wenig befaßt gewesen zu sein. Statt dessen werden häufig "die herren ob der Reformacion" erwähnt; damit könnte vielleicht der seit 1402 existierende Ratsausschuß der sieben "älteren Herren" gemeint sein. Ebenfalls unbekannt sind die einheimischen und römischen Rechtsquellen, die den Schöpfern als Vorlage dienten; erst für 1506 ist eine Bitte um Auskunft beim Senat von Venedig nachzuweisen. 30
Spürbar ist allerdings der Wille, römisches und einheimisches Recht entsprechend der Statutentheorie (dazu unten II. 3. a)) behutsam zu verschmelzen57) und sich an die deutsche Rechtssprache anzuschließen; es tauchen fast keine lateinischen Begriffe auf. Römisch beeinflußt sind (wie in vielen vermittelnden Werken) hauptsächlich Darlehen, Leihe und Verwahrung, jedoch eher "summarisch" vereinfacht. Die "lebenswichtigen" Bereiche der Stadt wie Kauf, Ehegüterrecht und Gesellschaftsrecht bleiben dagegen unter einheimischem Recht; ein Zeichen einerseits für das rechtspolitische Urteil der Verfasser, andererseits dafür, daß sich intensiv benutztes einheimisches Recht gegen das römische durchaus behaupten konnte.58) Vollständig ausgespart wurden die Stadtverfassung und zunächst auch das Strafrecht, das jedoch 1481 in einer städtischen Halsgerichtsordnung nachgereicht wurde.59) 31
Der Text der Reformation von 1479 wurde in Abschnitten publiziert und konnte vollständig erst 1480 im Rathaus eingesehen werden. 1484 wird sie als erstes deutsches Gesetzeswerk in Buchform gedruckt. 32
1544-46 wurde dann Valentin Kötzler, Rechtskonsulent der Stadt, mit einer vollständigen Überarbeitung beschäftigt. Während materiell kaum Veränderungen vorgenommen wurden, besticht das neue Werk doch durch größere Systematik und Übersichtlichkeit,60) war doch die erste Version in Aufbau und Gesetzestechnik noch ein wenig "unbeholfen"61). 33
Der rechtspolitische Effekt der Ausgaben von 1479 und 1546 ist immens: sie liegt ua. den Bearbeitern der Stadtrechte in Tübingen (1473), Worms (1499), Bayern (1518), Dinkelsbühl (1536), Württemberg (1555), Kurpfalz (1582) und Basel (1610) vor und beeinflußt deren Produkte mehr oder weniger; damit sind die beiden Ausgaben der Nürnberger Reformation richtungsweisend für das neuzeitliche Recht des gesamten süddeutschen Raumes.62) 34

3. Zur Nürnberger Rechtsetzungsgewalt

In der Vorrede der Stadtrechtsreformation von 1479 stellt der Rat fest, daß der die Gesetze und die Ordnung "incraft gemaines rechten, aus kaiserlicher und küniglicher freyhait und deshalb irer oberkait und regiments, so man zu latein ius magistratus nennet, mit gutem vorrate, wolbedechtlich und auch mit rate der hochgelerten gemainer geschribner recht erkant, gesetzt und geordent" habe.63) 35
Sozusagen als Kommentar dieses Passus dient ein Rechtsgutachten, das die Nürnberger Stadtjuristen vermutlich kurz nach 1480 erstellten, als Kaiser Friedrich III. ein Statut per Gebot als rechtswidrig aufgehoben hatte, das die prozeßrechtliche Stellung der Juden vor dem Stadtgericht betraf und in die Reformation eingegangen war. 36
Die Begründung lautete interessanterweise, daß Nürnberg ohne seinen Willen, seine Aufforderung und seine Erlaubnis eine "neue Reformation" gemacht habe.64) In heutiger Terminologie verlor die Stadt Nürnberg also einen Rechtsstreit, weil sie für die Rechtsgrundlage, das neue Stadtrecht, kompetenziell unzuständig war. 37
Der Rat sah natürlich durch dieses Mandat das ganze Werk bedroht: sollte er den kaiserlichen Befehl befolgen, so hätte jedermann beim Kaiser mit der Begründung, daß einzelne Statuten ohne den Kaiser und gegen gemeines Recht entstanden seien, die Aufhebung derselben erwirken können, so daß die gesamte Reformation faktisch wirkungslos würde. 38
Der Rat forderte daraufhin bei den Nürnberger Stadtjuristen (vgl. o. I. 2) ein Gutachten an. Dabei beklagte er, daß er in seinem Regiment und seiner Obrigkeit beeinträchtigt sei, wenn er so genötigt werde, bei jeder Rechtsetzung den Kaiser um Genehmigung zu bitten, denn es entstünden ihm "große Mühen" und erhebliche Kosten durch Reisespesen. (Anscheinend waren letztere im städtischen Haushalt tatsächlich eine immense Belastung.65)) Aber auch wenn dies der Rat nicht so deutlich ausspricht: es ging es im Kern doch darum, wie a) nun eine eigene Rechtssetzungsgewalt der Stadt Nürnberg sozusagen kompetenziell, aber auch b) notfalls materiell gegen gemeines Recht zu begründen sei.66) 39
Bevor darauf eingegangen werden kann, wie der Gutachter dem Kaiser gegenüber ihre Rechtsetzungsgewalt begründete, ist ein Exkurs vonnöten, wie sich Rechtsetzungsgewalt im Mittelalter überhaupt gestaltete (dazu unten a)) sowie zweitens, wie die mittelalterliche Rechtstheorie aus dem römischen Recht Gesetzgebungsbefugnisse ableitete (dazu unten c)); diese Theorien wurden nämlich in dem Gutachten für den Rat verwendet (dazu unten c)). 40

a) Exkurs: Reichsverfassung im Mittelalter

Die deutschen Kaiser glaubten sich seit der Kaiserkrönung Karls des Großen vollständig in die Rechte der römischen Imperatoren versetzt und versuchten die römischen Kaiserrechte aus den öffentlichrechtlichen Texten des Codex auf ihre Herrschaft zu übertragen. So wollte Friedrich I. 1158 aus dem römischen Recht für seinen Willen Gesetzeskraft begründen,67) auch wenn die römischen Texte teilweise unbrauchbar waren oder bis zur Unkenntlichkeit umgedeutet werden mußten, bis sie zum einzigartigen Rechtscharakter des Heiligen Römischen Reiches paßten - war es doch weder Monarchie, noch Republik, noch Staatenverband, noch Feudalaristokratie.68) 41
Die reichsverfassungsrechtliche Praxis sah eh anders aus, denn das Mittelalter ist ja bekanntlich gekennzeichnet durch die stetige, wenn auch uneinheitliche Verschiebung der Macht von der Zentralgewalt zu den Landesherren.69) Im Gegensatz zu Frankreich bedurfte der deutsche König (der ja stets Wahlkönig war!) schon seit dem 12. Jh. in wichtigen Fragen der Zustimmung der Großen des Reiches;70) die faktischen Verhältnisse wurden schließlich 1220/31 in den Fürstenprivilegien rechtlich fixiert.71) Ironischerweise sind es schließlich die Landesherren, die die römischen Lehren später als Legitimation benutzen und in die Tat umsetzen.72) 42
Die Auseinandersetzung über die Macht, die wachsende Unzufriedenheit über den Zustand des Reiches und Forderungen nach einer stärkeren Zentralgewalt und einer kaiserlichen Rechtsreform73) führen während des ganzen 15. Jhs. zu einer intensiven Diskussion über eine "Reichsreform",74) die aus heutiger Betrachtung erst 1555 mit dem Augsburger Religionsfrieden als abgeschlossen gelten kann. Trotz aller Gegensätze bewirken aber die alte Reichsidee und die sprachlich-volkstümliche Bindung den Fortbestand des Reiches;75) aber auch weiterhin muß der König (seit 1519 durch die Wahlkapitulationen, die Bestandteil der Reichsverfassung werden) Gestaltungsmacht abgeben.76) 43
Auf den inzwischen etablierten Reichstagen waren Fragen der Reichsverfassung und militärische Konflikte so dominant und wegen der Vielzahl der anwesenden und verhandelnden Parteien so ermüdend, daß für eine substantielle Reichsgesetzgebung kein Platz blieb. Die Ausführung der wenigen trotzdem entstandenen Gesetze oblag zudem den Ständen, oder sie galten nur subsidiär - nur so war überhaupt noch Einigung zu erzielen. Schließlich verzögerten oder unterließen die Landesherren auch noch die Verkündung.77) Währenddessen entwickelten Städte und Territorien moderne Verwaltungen und Gesetze:78) ungeachtet aller lokalen Unterschiede war der Landesherr schließlich "Kaiser in seinem Territorium"79). 44
Demgegenüber wird die Rückständigkeit der Reichsverfassung auch durch den Charakter der Reichsgesetzgebung deutlich. "Gesetzgebung" bleibt bis zum Ende des Reichs 1806 formal Vertrag (auch bei den größeren Werken der Reichsgesetzgebung wie der Goldenen Bulle 1356 und der Constitutio Criminalis Carolina 153280)): der Gedanke der eigenen Verwillkürung der Vertragspartner (im Sinne der Satzung) bleibt in den geschworenen Landfrieden mit einer "sich nach unten verbreiternden Eideslawine"81) von den Reichstagsbeschlüssen bis hinab zum kleinen Mann erhalten. Wirksam wurde das königliche Gebotsrecht erst durch die in die eidliche Satzung aufgenommene Pflicht aller Eidgenossen, den Eidverweigerer wie einen Eidbrecher zu behandeln - ein Symbol für ein Recht, das das Mehrheitsprinzip nicht in die rechtsgeschäftliche Satzung übertragen konnte.82) Und der Kaiser sah sich nach wie vor mit der These vom aktiven Widerstandsrecht gegen einen wortbrüchigen König konfrontiert.83) Stellvertretend für den qualitativen Unterschied von Reichs- und Territorialverfassung sei nur genannt, daß in den Territorien die Eidesleistung tatsächlich zu den Untertanenpflichten gehörte.84) 45
Auch die Reichsverwaltung hinkte bis in die Neuzeit der effizienten Verwaltung der Territorien hinterher. Da es dem Mittelalter an einer richtigen Würdigung des Staatswesens fehlte und das abstrakte Amt nicht vom jeweiligen Inhaber getrennt gesehen werden konnte, sicherte man sich bei dem Nachfolger eines verstorbenen Privileggebers jedesmal durch eine Bestätigung der alten Rechte ab.85) Die jeweiligen Entscheidungsträger handelten nur, wenn eine Petition bei ihnen einging, und sie waren in diesem ständigen Wechselspiel von Petition und Reskript völlig vom Wahrheitsgehalt des Vorgebrachten abhängig und damit systembedingt - jedenfalls für Drittbetroffene - unberechenbar.86) In diesem Sinne galt das auch für Nürnberg, als die städtischen Juden beim Kaiser gegen das neue Stadtrecht vorgingen (so.). 46
Der brüchigen Reichsverfassung entspricht auch das mittelalterliche Verständnis von Rechtsetzungsgewalt, das dem heutigen diametral entgegensteht: Statuarrecht iS. von lokal gesetzem Recht bricht Landesrecht, dieses bricht wieder Reichsrecht87) - jedenfalls bis zur Gründung des Reichskammergerichts 1495. Man vergleiche dies nur mit dem heutigen Art. 31 GG. 47
Dieser Grundsatz wurde in eine Vielzahl von Gesetzeswerken aufgenommen (zuerst Lüneburg 1401).88) Die bloße Subsidiarität römischen Rechts hatte sich ohne Widerspruch gefestigt, Protest erhob sich nur bei der faktischen Ersetzung des vertrauten Rechts, wenn dieses also im konkreten Fall tatsächlich zur Gültigkeit gelangte. Jedoch entwickelte sich nur in den Ländern sächsischen Rechts aus dem Sachsenspiegel ein tatsächlich subsidiäres Recht mit Gesetzeskraft, das mehrere Länder in Rechtsgemeinschaft erhielt.89) 48
Die Kommentatoren versuchten mit der Statutentheorie, die diffuse Rechtswirklichkeit in ein römisch-rechtliches System einzuarbeiten: Statuta stricte sunt interpretanda, das partikuläre Recht sei zugunsten des gemeinen Rechts restriktiv anzuwenden.90) Erst als die römisch oder einheimisch gebildeten Juristen in den Gerichten die Meinungsführerschaft übernahmen, kam das geschriebene, römische Recht aber auch tatsächlich zu einer praktischen Anwendung im größeren Ausmaße.91) 49
Ursprünglich nur für die italienischen Städte gedacht, wurde die ronkalische Gesetzgebung von 1158 über Regalien, Landfrieden und Lehenrecht dann durch die erstmalige Aufnahme in den Corpus Iuris Civilis nach und nach auch in Deutschland rezipiert.92) Das "ungeheure Weistum"93) des Corpus wird als subsidiäres Recht (in der Theorie) den Reichsgesetzen gleichgestellt, wenn auch in der praktischen Anwendung statt dessen bis ins 15. Jh. noch Gewohnheitsrecht und freie Rechtsbildung einspringen - das römische Recht war ja zunächst nur Gelehrten zugänglich.94) Die Geistlichkeit in Deutschland beanspruchte dagegen von alters her allein nach kanonischem Recht beurteilt zu werden, das ursprünglich von den christlichen römischen Kaisern gesetzt und dann durch canones und Dekretalen fortgebildet wurde.95) 50
Der häufig auftauchende Begriff des "Kaiserrechts" ist allerdings zunächst nicht mit dem römischen Recht identisch;96) noch das Spätmittelalter sah Kaiserrecht und römisches Recht differenziert. Erst die "Lotharische Legende" vom Beginn des 16. Jhs., die die Einführung des römischen Rechts Lothar III. unterschob und erst 1643 widerlegt wurde,97) setzte die beiden Begriffe gleich. Zugleich wuchs die Neigung, alles Recht als von einem Herrn gegeben anzusehen - "hilfsweise" von Karl dem Großen.98) Damit ist die Vorstellung vom "Kaiserrecht" geradezu das "trojanische Pferd der Rezeption" gewesen.99) 51

b) Die Kommentatoren und die Staatstheorie

Nachdem die italienischen Glossatoren für eine vertiefte staatsrechtliche Untersuchung noch nicht hinreichend gerüstet waren, entwickelt sich bei den stärker praxisorientierten Kommentatoren (Postglossatoren100)) eine tiefergehende Diskussion über die Macht und ihre Herleitung aus dem römischen Recht.101) Die bedeutendsten Lehrer sind hierbei Bartolus de Saxoferrato (1314-1357), der in Perugia lehrte, und sein Schüler Baldus de Ubaldis (1327-1400).102) Sie bearbeiten als erste die Diskrepanz103) zwischen der Theorie, nach der "alle Welt dem Reiche untertan sei", und der Tatsache, daß dies sich im Reiche faktisch etwas anders gestaltete. 52
Ausgehend von der Existenz herrscherlicher Gewalt werden durch die "Jurisdiktionslehre" die Begriffe des römischen Staatsrechts neu beleuchtet, um die Gewalten der verschiedenen Ebenen, die die Herrschaft beanspruchen, untereinander in ein Verhältnis zu bringen. 53
In spätrömischer Zeit bedeuteten imperium die Amtsgewalt des Herrschers, die im Namen des Imperators aufging, und iurisdictio die aus der kaiserlichen Gerichtsgewalt und Rechtspflege hergeleitete herrschaftliche Macht. Bartolus sieht die iurisdictio nun formal als Oberbegriff und unterteilt sie in Stufen: erstens das imperium merum als Inbegriff herrschaftlicher Befugnisse, das die Frage des Gemeinwohls betrachten müsse; zweitens das imperium mixtum, das er im Sinne einer schlichten Zivilgerichtsbarkeit auf das private Wohlergehen beschränkt. So konnte er die vielgestaltigen Herrschaftsformen des Spätmittelalters begrifflich erfassen, indem er ihnen einen bestimmten Grad von iurisdictio zuerkannte. (Das Recht zur Gesetzgebung wurde allerdings nie als höchste und selbständige Gewalt verstanden, sondern galt stets als Annex zur höchsten Gerichtsbarkeit; erst Montesquieu erkannte ja die gesetzgebende Gewalt als selbständige Staatsfunktion.104)) 54
Es entwickelte sich allerdings ein Streit darüber, ob eine Rechtsetzung der Bestätigung des übergeordneten Herrschers bedurfte: während Bartolus aus dem Besitz der vollen Jurisdiktion ohne weiteres das Recht zur Statutengebung ableitet und in bestimmten Fällen sogar auf sie verzichten will, fordert Baldus in jedem Fall der statuarischen Rechtsetzung eine besondere Zustimmung. Daß die Verfasser autonomer Statute die erste Theorie als Rechtfertigung ihrer Werke vorzogen (zu Nürnberg sogleich), ist nur verständlich. 55
Nebenbei gesagt entwickelten die Kommentatoren als zweiten Meilenstein die Lehre der römisch-kanonischen körperschaftlichen Verbandseinheit fort: Die universitas sei rechtlich von den sie tragenden Individuen zu unterscheiden und stelle eine eigene Persönlichkeit dar, die als persona ficta niemals untergehe - hier sieht man bereits eine institutionalisierte Herrschaft abstrahiert, die zwischen Amt und Person trennt. In der Reichspraxis spielte diese Theorie jedoch angesichts der ständig erforderlichen Bestätigung von Privilegien offenbar keine Rolle (oben a)). Auch gelang es den Kommentatoren noch nicht, die widerstrebenden Konstruktionen der durch den Herrscher verkörperten Gewalt105) und des institutionalisierten Flächenstaats mit gewählten Repräsentanten106) in eine geschlossene Auffassung zu bringen. 56
Drittens verpflichteten die Kommentatoren den Herrscher durch eine neue Konzeption: Der römische Satz, daß kaiserlichen Verträgen Gesetzeskraft zukomme, wird geradezu umgekehrt, indem sie den Vertragsgedanken dem Gesetz überordneten: nicht der kaiserliche Vertrag sei Gesetz, sondern das Gesetz binde auch den Kaiser. Damit wird der Herrscher nicht nur de iure gentium, sondern auch de iure civili gebunden: er könne nicht darauf rechnen, daß sich jemand ihm gegenüber verpflichte, wenn er das nicht seinerseits auch tun wolle. So war erstmals die rechtliche Bindung herrschaftlicher Gewalt auf eine nicht-theologische Grundlage gestellt.107) 57

c) Das Nürnberger Gutachten

Der (unbekannte) Gutachter der Stadt Nürnberg geht in seiner ausschließlich juristischen Argumentation von der Jurisdiktionslehre aus. 58
Damit setzt er jedenfalls beim zeitgenössischen Leser ein gehöriges Maß an juristischer Bildung voraus. 59
Er argumentiert mehrgleisig: 60
Herleitung der Rechtsetzungsgewalt. Die Stadt Nürnberg habe seit länger als Menschengedenken von Kaisern und Königen das merum et mixtum imperium ("das ist galgen vnd stock") als Freiheit erlangt, bestätigt erhalten und tatsächlich ausgeübt. Damit müsse sie den klaren Bestimmungen der kaiserlichen Rechte zufolge auch die volle Rechtsmacht (also die iurisdictio im Sinne des Bartolus) besitzen, ohne obrigkeitliche Bestätigung im Einzelfall in ihrem Gerichtsbezirk Statuten und Ordnungen zu geben, sofern diese nicht gegen göttliches Recht, natürliches Recht und Völkerrecht verstießen. 61
Recht auf Gehör. Reskripte und Mandate, die in Abwesenheit und ohne Ladung und Gehör einer Partei ausgebracht werden, dürften ihr keinen Schaden verursachen; dies sei aber bei der Stattgabe des Antrags der Nürnberger Juden der Fall gewesen. 62
Gewohnheitsrecht. Die Nürnberger hätten bereits seit länger als Menschengedenken Ordnungen, Gesetze und Statuten in Sachen, die ihren Gerichtszwang und ihre Ordnung betreffen, ohne besondere Erlaubnis "der obern handt" gemacht; daher sollten sie nun dabei gelassen werden, denn eine solche Gewohnheit sei im Recht wohlbegründet. 63
Kein materieller Verstoß gegen gemeines Recht. Der kaiserlichen Behauptung, die Stadt habe Recht gegen alles Herkommen und Gesetz gemacht, sei entgegenzuhalten, daß die neue Ordnung nicht materiell gegen geschriebenes Recht verstoße: Neuheit allein ist keine strafbare Widerrechtlichkeit: es sei menschliches Gesetz, "das auch newen kranckhaiten new artzney zugeaigent werden." 64
Verfahrensfehler. Da die Rechtswidrigkeit der Ordnung weder ipso iure offen zutage liege noch notorisch sei noch durch gerichtliches Urteil festgestellt worden sei, dürfe sich die Stadt bis zu einem gerichtlichen Urteil (!) zu nichts verpflichtet zu halten, das nicht zwingend notwendig sei, damit nicht jedermann ohne Anhörung der Gegenpartei durch einfache Petition Recht aufheben könne (nach heutigem Verständnis: aufschiebende Wirkung bis zur endgültigen Klärung!). 65
Formfehler des schriftlichen Mandats. Das kaiserliche Mandat selbst genüge nicht den rechtlichen Erfordernissen, da es nicht den Namen dessen aufführe, der es beantragt hat; außerdem fehle die Ladung der gerichtlichen Anhörung. 66
"Protestatio facto contraria"108). Die Judenschaft zu Nürnberg habe sich zuvor mehrfach in Rechtsstreitigkeiten mit Christen der neuen Statuten bedient, solange sie zu ihren Gunsten ausfielen; sie habe also "mit der tat" in die Statuten eingewilligt und müsse auch die ihre nachteiligen Sätze annehmen. 67
Im Ergebnis meint der Gutachter: Wäre der Kaiser zutreffend über die Rechtsmacht der Nürnberger und über prozessuale Erfordernisse unterrichtet worden (!), so hätte er das Mandat nicht ausgehen lassen, welches inhaltlich und rechtlich unbegründet sei. In der Rechtsfrage habe ein Urteil zu ergehen, dem sich die Stadt dann beugen werde. - - 68
Der gutachtende Konsulent rät dem Rat zwar, auf jeden Fall beim Kaiser vorstellig zu werden, spürt jedoch, daß seine sehr direkte und möglicherweise Empfindlichkeiten weckende Argumentation vom Rat in eine verbindlichere Fassung gebracht werden solle, auf daß der Kaiser nicht denke, daß "man sein oberkait vernichten wollt", und hält sich für entsprechende Formulierungen bereit. 69
Hier wird ganz offenbar von einem städtischen Juristen versucht, die kaiserliche Reskriptregierung mit "rechtsstaatlichen" Regeln zu konfrontieren. Die Freiheitsverleihung durch den Kaiser begründet römisch-rechtlich zwingend die Statuargewalt, die gewohnheitsrechtlich untermauert wird. Mit einer wahren Salve an juristischen Argumenten wird das Statuarrecht explizit gegen den Kaiser festgestellt.109) 70
Interessant ist allerdings die Differenz zwischen der doch sehr pragmatischen Not des Rates (Reisekosten) und der daran völlig vorbeigehenden juristischen Argumentation aus dem "Elfenbeinturm"; sie kann vielleicht Ausdruck der Diskussion sein, der sich die städtischen Räte damals ausgesetzt sahen, wahrscheinlich auch schon zu dem Zeitpunkt, wo in Nürnberg die Vorrede der Reformation erstellt wurde.110) 71

4. Exkurs: Weitere juristische Gutachten

Der erhebliche Einfluß, den städtische Juristen für die Fortentwicklung der Städte hatten (vgl. o. I. 2.), kann an einer Reihe von Gutachten etwas verdeutlicht werden, die die Nürnberger und andere Stadtjuristen in der zweiten Hälfte des 16. Jhs. erstellten. 72
a) Nördlingen, das im 13. Jh. reichsfrei geworden war, wollte die verfassungsrechtliche Stellung des Stadtgerichts klären lassen. Ein vor dem Stadtgericht noch anhängiger Fall war von Kaiser Friedrich III. an seinen Kommissar delegiert worden, der nun die Stadt zur Verhandlung lud. Die Nürnberger rieten der Stadt, die Ladung nicht zu befolgen und statt dessen dem Kommissar rechtliche Bedenken vorzutragen: die Ladung verstoße gegen das Nördlinger Stadtrecht, das auf gemeinem Recht gegründet und durch langes Herkommen bekräftigt sei.111) 73
b) Die Nürnberger waren selbst betroffen, als sich (wieder) Friedrich III. weigerte, das Privileg Sigmunds von 1424 zu bestätigen, das Nürnberg angesichts der Hussitenbedrohung als Aufbewahrungsort der Reichskleinodien bestimmte. Die Stadt bat nun die Kurfürsten um Intervention. Außerdem trafen 1443 aus Padua mehrere Gutachten ein, die der Rat angeforderte hatte, obwohl er zu dem Zeitpunkt bereits selbst fünf Juristen beschäftigte! Diesen Gutachten zufolge war die Überführung der Heiltümer ohne Konsens der Kurfürsten und Stände rechtsgültig, obwohl das erste Privileg Vertragscharakter gehabt habe - allerdings sei sie bis zu einer Bestätigung des Papstes, der in dieser res sancta der superior sei und der die erste Verlegung ebenfalls konfirmiert hatte, nur "non perfecte".112) 74
c) Interessant ist auch die Rolle städtischer Juristen in der Frage, wie die Reichsstädte den Status des "dritten Standes" auf den Reichstagen erreichen könnten. Noch 1422 hatten sie sich den Plänen Sigmunds verschlossen, der versuchte, sie auf seine Seite zu ziehen, um sie zusammen mit dem niederen Adel als Gegengewicht zu den Landesfürsten im Reich zu etablieren. Während der Regierungszeit Friedrichs III. machten die Städte nun aber geltend, als Bestandteil der Reichsverfassung zum Reichstag geladen zu werden. Seit 1471 beriefen sie häufig Städtetage ein und hatten sich auf den Reichstagen zu einem Kollegium zusammengeschlossen. Da die städtischen Räte aber stets nur Vertreter mit beschränkten Vollmachten entsandten und die Entscheidungen des Reichstags deswegen nicht als für sie verbindlich gelten lassen wollten, wurden sie schließlich 1485/86 gar nicht mehr geladen, so daß sie diese Praxis zu revidierten bereit waren, dafür aber auch Mitbestimmung forderten.113) 75
Seit ca. 1520 waren sie dann mit der neuen Behauptung der Fürsten konfrontiert, daß Beschlüsse der beiden "höheren" Kollegien die Städte verpflichten könnten - den Reichsstädten also kein Stimmrecht zukomme. Als die Städte das Gegenteil vertraten, war durch dieses argumentative Patt die gewohnheitsrechtliche Reichstagsverfassung in Frage gestellt. Spätestens seitdem Karl V. eine Entscheidung in der Frage verweigerte, versuchten die Städte nun in den Jahren 1522-24, diesen Streitstand juristisch anzugehen, indem sie in geradezu schulmäßiger Auslegung die Schwächen der gewohnheitsrechtlichen Darstellung aufzuzeigen versuchten:114) 76
Erstens seien die Städte bei den Ladungsmandaten stets als "Reichsstand" bezeichnet worden, dem untrennbar ein Stimmrecht zukomme. 77
Zweitens seien die Städte dem Reich durch Reichshilfen und Steuern finanziell überproportional verpflichtet; wegen der "natürlichen Billigkeit" müsse den Städten ein Mitbestimmungsrecht zukommen. Dabei wird die Parömie "quod omnes tangit, ab omnibus tractari et approbari debet" angeführt, die ursprünglich aus dem römisch-kanonischen Vormundschaftsrecht stammt: sie war zwar schon mehrfach außerhalb dieses Kontextes verwendet worden - sie wird aber nun durch die Reichsstädte in die Verfassungsdiskussion eingeführt! Im 16. Jh. soll dieser Grundsatz dann zunehmend dazu benutzt werden, um Mitbestimmungsrechte im Reich geltend zu machen. 78
Drittens wiesen die Städte nach einer intensiven Aktenrecherche in ihren Archiven nach, daß 1467 und 1471 durch Friedrich III. ein Stimmrecht bestimmt wurde - also Gewohnheitsrecht vorliege; außerdem verwiesen sie rechtsvergleichend auf die Landstädte auf den Landtagen. 79
Als diese Argumentation nicht fruchtete, wurde 1544 zu Speyer dem Kaiser eine Klage übergeben. Nach einer weiteren uneinheitlichen Serie von städtischen Gutachten, denen teilweise durchaus klar zu sein schien, daß der historische Befund eher gegen die Reichsstädte sprach, verzichteten die Städte auf eine Klage beim Reichskammergericht und gaben sich 1555 mit einer Kompromißlösung zufrieden. Durch die systematische - und zu diesem Zeitpunkt radikale - Argumentation aus dem römisch-kanonischen Recht her wurden viele spätere Probleme bereits vorweggenommen- so die Frage der Mehrheitsprinzips in Steuersachen, die beim und nach dem Westfälischen Frieden heftig umstritten war.115) 80
Fazit. Die Leistung der reichsstädtischen Konsulenten bestand letztendlich darin, daß sie die für sachliche Fehler denkbar anfällige, mangelhaft organisierte und informierte kaiserliche Reskriptregierung (siehe o. II. 3. a)) mit Sollensnormen konfrontierte, Einreden und gerichtliche Überprüfung ermöglichte und sie so rationalisierte. Die Bestrebung, die Produkte der Regierung unter einen Vorbehalt der Wahrheit und Rechtlichkeit zu stellen, sind eine spezifische Leistung der Rechtswissenschaft116) und werden auch bei der Nürnberger Stadtrechtsreformation deutlich. 81

III. Worms

1. Stadtgeschichte

Der keltische und römische Ort Borbetomagus war seit 496 fränkisches Königsgut (seit dem 7. Jh. Warmatia); 898 gingen die königlichen Rechte an den Bischof über. Von 1024 ist ein altes Status für die bischöflichen Hintersassen in Worms bekannt, das ein bischöfliches Gesetzgebungsrecht enthält; als "Rat" existierte anfangs nur ein den bischöflichen Stadtherrn beratendes Gremium ("Konsiliarverfassung").117) 1122 folgte das Wormser Konkordat. - Die Verleihung eines Wormser Stadtfriedens durch Friedrich I. 1156 ist sicher eine Fälschung, sie wurde aber 1220 bestätigt. Aus dem gleichen Jahr datiert die älteste bekannte Ratsverordnung in Worms, 1273 huldigte die Bischofsstadt dem König. 1355 werden der Stadt von Karl IV. das privilegium de non evocando verliehen und die Freiheiten und "guten Gewohnheiten" bestätigt. 1453 kommt von Friedrich III. das Satzungsrecht, solange sich die Ordnungen nicht gegen vorhandenes Recht richten; dies dürfte auch in Rücksichtnahme auf den Bischof formuliert gewesen sein. Dieser hatte von alters her die Grafenrechte inne, war Appellationsadresse und besaß weitgehende Rechte bei der Auswahl der Ratsmitglieder aus von der Stadt vorgeschlagenen Kandidaten; außerdem konnte er vier "Bischofsmänner" frei ernennen.118) 82
Als Bischofsstadt, die sich erst spät vom geistlichen Herrn zu emanzipieren begann, befand sich Worms in einem staatsrechtlich schwierigen Verhältnis. Das Verhältnis des Rates zum bischöflichen Landesherrn war jedenfalls ständig umstritten; im Kampf um die Rechte der Stadt scheinen die Jahre nach 1482 entscheidend gewesen zu sein. Die Stadt hatte zwar bis dato dem Bischof gegenüber den Untertaneneid vermieden; ab 1482 wurde die Stadt dann aber vom neuen Bischof Johann III. massiv bedrängt, der sich militärisch vom pfälzischen Kurfürsten unterstützen ließ, der der dominierende Territorialherr der Gegend war. Kaiser Friedrich III. war zunächst außenpolitisch zu sehr unter Druck (von Westen politische Bedrohung durch Burgund und Frankreich, von Osten durch Ungarn und die Türken119)), um die Stadt zu unterstützen zu können, so daß sich die Stadt in einer prekären Situation sah.120) 83
1488/89 griff dann doch ganz unvermittelt der Kaiser ein, verlieh dem Rat auf einen Satz die volle Gesetzgebungsgewalt und hob alle Verpflichtungen gegenüber dem Bischof auf. Ab 1494 besetzte daraufhin die Stadt Rat und Stadtämter eigenmächtig neu und stellt alle Abgaben an den Bischof ein; das Stadtwesen wird nach dem Vorbild anderer Reichsstädte neu geordnet. 84
Dieses Vorgehen von Stadt und Kaiser war rechtlich durchaus umstritten: die Rechte des Bischofs konnten durch die neuen Privilegien so spät kaum noch beschnitten werden. So wurde in mehreren Verhandlungen vor dem Reichstag und später dem Reichskammergericht zum Nachteil der Stadt entschieden, indem die Privilegien als "erschlichen" angesehen wurden. Erst 1519 sollte es durch die "Pfalzgrafenrachtung" zu einer Schlichtung kommen; im 16. Jh. hatte die Stadt schließlich aber doch noch den Status als "Freie Reichsstadt" mit Sitz und Stimme auf dem Reichstag erreicht.121) 85

2. Die Reformation von 1498

Vor allem vor diesem Hintergrund ist die Wormser Reformation zu sehen. Die früher vertretene Auffassung, die Eröffnung der Reichskammergerichts in Frankfurt 1495 oder seine Verlegung 1497 nach Worms habe das Werk veranlaßt,122) scheint unglaubwürdig, da das Gericht der Stadt wenig geneigt war und sich angesichts der drohenden Reichsacht (1501 verhängt) sogar gegen seine eigene Verlegung dorthin aussprach. Auch der Rat hat es nicht bedauert, daß das Gericht die Stadt schon 1499 wieder verließ,123) außerdem wäre ein Zeitraum von nur drei Jahren für die Entstehung eines solchen Werkes sehr kurz.124) Für den Autonomiestreit als Motiv spricht auch die Tatsache, daß die Stadt sich ihr Werk zur Bekräftigung sowie alle alten Rechte 1505 von Kaiser Maximilian I. bestätigten ließ.125) 86
Über die Entstehung der Reformation und das zuvor geltende Recht ist leider wenig bekannt, da 1689 bei der Zerstörung der Stadt in den französischen Reunionskriegen die Ratsprotokolle untergingen.126) Die legislatorische Arbeit wurde von einer Kommisson besorgt; daß der damalige Stadtschreiber und gelehrte Jurist Adam von Schweckenheim beteiligt war, ist anzunehmen. Die Nürnberger Reformation dürfte in Worms mindestens als Anregung und Vorbild städtischer Autonomie gedient haben; zumindest ist die Einleitung (und damit die Begründung der Gesetzgebungskompetenz) fast wörtlich übernommen, wenn auch das materielle Recht nur wenig von ihr beeinflußt wurde. Hier scheinen dem Verfasser entweder bessere römischrechtliche Quellen vorgelegen zu haben, wahrscheinlich sogar direkt das italienische Schrifttum, oder er benutzte seine eigenen Kenntnisse. Auch übertrifft seine sprachliche Kraft die der Nürnberger Verfasser.127) 87
Inhaltlich ist das Werk dagegen eine ziemlich rücksichtslose Gesetzgebung: es erfolgt fast keine Vermittlung zwischen altem und neuem Recht, keine andere Rechtsquelle des 15. und 16. Jhs. hat in gleicher Weise das einheimische Recht so außer acht gelassen.128) Das Prozeßrecht ist zur Gänze römisch-kanonisch, und auch das Privatrecht stellt beinahe eine Kurzfassung der Pandekten dar. Anscheinend ist die Reformation sogar ein Werk, das "seinem praktischen und örtlichen Zweck besonders wenig gewachsen war";129) sie war wohl entweder auch oder ausschließlich als populäres Lehrbuch des römischen Rechts konzipiert, was auch aus vielen eher didaktisch formulierten Phrasen spricht.130) - Erneut für die Rolle der Reformation als Werkzeug für die städtischen Autonomie spricht auch der Rechtsweg: so wird der Kaiser anstelle des Bischofs als alleinige Appellationsinstanz festgelegt. 88

IV. Frankfurt a. M.

1. Stadtgeschichte

Seit 496 gehörte der früherer Römerstützpunkt am Orte der späteren Stadt zum fränkischen Reich. 794 wird der Name "Franconofurd" erstmals urkundlich erwähnt. Vermutlich hat schon Karl der Große eine erste Königspfalz gebaut. 1180 wird erstmals Frankfurter Recht erwähnt. Der Frankfurter Schultheiß, der 1189 zuerst genannt wird, stand ab 1219 zusammen mit den Schöffen der selbst siegelnden cives Frankfurt vor. 1266 treten die consules als zweite, 1320 die Handwerker als dritte "Bank" auf, und seit 1311 ist ein Bürgermeister belegt. 1372 brachte die Stadt schließlich das Pfandrecht am Schultheißenamt an sich und wird reichsunmittelbar; damit findet die Verselbständigung zur Reichsstadt ihren Abschluß.131) 89
Frankfurt am Main war seit 1356 fester Königswahlort. Sichtbarer Ausdruck der städtischen Blüte war seit 1405 das Rathaus auf dem Römerberg, wo auch die Königswahlen stattfanden.132) 1535 entschied sich die Stadt für den Protestantismus, 1562 wurde sie schließlich auch Krönungsort der deutschen Kaiser. 90
Frankfurts Autonomie war über das ganze Mittelalter unangefochten; nur wenige deutsche Städte können auf eine ähnlich lange Satzungsgeschichte ohne Brüche zurücksehen. Die Stadt blieb (von kurzzeitigen französischen Besetzungen im 18. Jh. abgesehen) bis zum Ende des Reichs 1806 reichsunmittelbar und wurde 1813 Freie Stadt im neuen Sinne einer Stadtrepublik. 91

2. Frankfurter Recht

Im Jahre 1297 wurde das bisherige Privilegien-, Gewohnheits- und Satzungsrecht zusammengefaßt. Zahlreiche Städte wurden mit Frankfurter Recht bewidmet (ua. Hanau, Limburg und Wetzlar); als Folge entwickelte sich das Frankfurter Schöffengericht zum Oberhof für eine Vielzahl von Orten bis Trier und Schwäbisch-Hall. Ab 1330 existieren "Gerichtsbücher", ab 1349 werden auch die zahlreiche Verordnungen des Rates in den "Gesetzbüchern" verzeichnet. 1417 erstellte man dann ein neues, systematischeres Buch mit allerlei Einträgen zum Stadtrecht; hierzu entstand 1456 ein Register. Um 1400 begann man mit dem Baculus iudicii secularis, der die Frankfurter Gerichtsverfassung, Schöffengerichts- und Prozeßordnung enthält. Ab dem 16. Jh. verteilte sich das stark anwachsende Schriftwesen auf eine Mehrzahl von spezielleren Büchern.133) 92
Wenn auch ein Drittel des Frankfurter Stadtarchivs 1944 vernichtet wurde, ergibt sich aus der noch verbleibenden Menge an Quellen ein begrifflich nur wenig durchgearbeitetes, nicht auf Vollständigkeit zielendes schriftliches Recht, das in den Jahren um 1500 fast unmerklich mit einzelnen romanistischen Elementen durchsetzt wurde. Neben den halbgelehrten Prozeßvertretern verpflichtete die Stadt schon seit 1399 Advokaten zur Rechtsberatung, die zumeist akademische Grade hatten. 1464 erscheint dann mit Ludwig Marburg der erste doctor legum als Schöffe, der auch eine umfangreiche Privatbibliothek besaß. Er wurde 1478 Mitglied einer Kommission, die einen ersten Anlauf zur Setzung von "Statuten und Gewohnheit des Gerichts" unternimmt, aber nicht zum Ziel gelangt.134) 93
Ab 1482 schienen dann in Frankfurt einzelne römische Rechtssätze. Auch wenn sich die Schöffen zunächst noch gegen die Subsumtionstechnik wehrten, setzte sich in den Jahren um 1500 auch der römisch-kanonische Prozeß durch. Dies steht wohl auch im Zusammenhang mit der nahen, 1478 gegründeten Mainzer juristischen Fakultät. Schließlich hatte der Frankfurter Syndicus ab 1495 die Urteilssprüche für das Reichskammergericht vorzubereiten; seit Ende des 15. Jhs. mußte sich unter Einfluß der Syndici die Rechtsentwicklung aufgrund römischen Rechts vollzogen haben.135) 94

3. Die Reformation von 1509

So wurde 1498 der Ratsbeschluß gefaßt, die Schöffen mit einer Neufassung der Stadtrechte gemäß den kaiserlichen Rechten zu beauftragen, die wiederum 1499 eine Kommission einsetzten ("die frunde die gerichtsordnung zu Reformeren mit hilff der gelereten und Nurenberg und Wormser Statuten und reformacion ansehen"),136) die 1500 mit der Arbeit begann. Aus ihrer Mitte erarbeitete Adam Schönwetter von Hainbach, der 1483 Stadtadvokat und 1495 Advokat am Reichskammergericht war, einen ersten Entwurf einer Ordnung, der 1500-02 von der Kommission beraten wurde. Offenbar wurde die weitere Entwicklung durch die Schöffen verzögert, so daß erst 1509 der handschriftliche Entwurf dem Rat vorgelegt werden konnte. In der Ratsbehandlung wurde dann die noch 1509 in 700 Exemplaren gedruckte Version erarbeitet.137) 95
Die Reformation von 1509 ist im Privatrecht unvollständig. Sie stellt hauptsächlich eine Prozeßordnung mit materiellrechtlichen Anhängseln dar und setzt in bestimmten Bereichen den Weiterbestand alten Rechts voraus.138) Indem sie aber andererseits gezielt das einheimische Recht umgestaltete, stellt sie den deutlichen äußeren Wendepunkt in der Frankfurter Rechtsgeschichte dar.139) Vereinzelt wird gar auf das römische Recht verwiesen;140) sogar das Ehegüterrecht, das in fast allen Gesetzgebungen der Zeit den heimischen Gewohnheiten treu bleibt, wird römischrechtlich neu gestaltet. Das Werk ging ua. auch nach Wetzlar, in dem Frankfurter Recht galt, und löste dort 1548 eine Teilreformation aus, die fast wörtlich identisch war.141) 96
Im Vergleich zum "gelehrten" Wormser Werk hat die Frankfurter Reformation eine sehr nachhaltige Wirkung hinterlassen. An juristischer Treffsicherheit konnte sie sich durchaus mit der späteren Freiburger messen, wenn sie diese auch an "schöpferischer Kraft" nicht erreichte.142) 97

4. Die Reformation von 1578

Die Reformation von 1571-1578, die in Teilabschnitten veröffentlicht wurde und die umfassendste aller Stadtrechtsreformationen mit dem Anspruch einer vollständigen Darstellung von Prozeßrecht, Strafrecht und Privatrecht darstellt, darf als persönliches Werk Johann Fichards (1470-1530) gelten, der seine Ausbildung 1530-31 bei Zasius in Freiburg und in Basel empfangen hatte; 1530/33 arbeitete er als Advokat bzw. Syndicus in Frankfurt, 1536-37 studierte er noch in Padua, bevor er 1538 nach Frankfurt zurückkehrte und mit der Neufassung des Solmser Landrechts von 1571 begann.143) Ihm gehörte ein heute im Stadtarchiv befindliches Exemplar der Reformation von 1509, das interessanterweise mit der Freiburger von 1520 zusammengebunden ist und das er mit zahlreichen handschriftlichen Zusätzen versah.144) 98
Die erneute Frankfurter Neufassung von 1611, die nur wenige Ergänzungen erfuhr, blieb bis zum Ende des 19. Jhs. in Geltung.145) 99

V. Das Gutachten Amerbachs für Breslau

1577 wurden die Neuen Statuten der Stadt Breslau publiziert. Sie stellten zwar keine vollständige Kodifikation dar (sie bestanden aus 20 Artikeln über Einzelprobleme und Kontroversen146)), waren aber, ohne jemals vom böhmischen König bestätigt worden zu sein, bis zum 1. Januar 1840 in Geltung - ab 1794 unter dem subsidiären Preußischen ALR.147) 100
Der Rat der Stadt hatte zuvor von mehreren juristischen Fakultäten Gutachten zur Statuargewalt eingeholt. In den Anfragen, denen ein Entwurf der Statuten beigefügt wurde, stellte er seinen Standpunkt vor: 1343 hatte ein Privileg Johannes' von Böhmen (zu dem Breslau seit 1335 gehörte) der Stadt den Erlaß von Willküren erlaubt; eine Reihe von weiteren Privilegien hatte sich dem angeschlossen. Breslau hatte außerdem die hohe und niedere Gerichtsbarkeit in Stadt und Umland erworben. Damit müsse ein Satzungsrecht existieren, da der Erlaß von Statuten "dem gemeinen nuts zum besten" sei. Allerdings ist es hier der Verfasser der Statuten selbst, Andreas Reuss, der schon in der Anfrage einige Quellen zusammenstellt, die sich mit dem Statuarrecht befassen, ua. Bartolus und Baldus, und sich also im Gegensatz zur Argumentation des Nürnberger Rates als juristisch befaßt erweist.148) 101
Basilius von Amerbach (1533-1591) aus Basel, Sohn des Nachlaßverwalters des Erasmus, verfaßte eine juristische Stellungnahme, die besonders wegen ihrer dialektischen Argumentation interessant ist:149) 102
Jurisdiktionstheorie. Bemerkenswerterweise verurteilt Amernach zunächst die zeitgenössische Vermischung von Rechtsprechung und Gesetzgebung. Dem römischen Kaiserrecht wohne unbeschränkte Geltung inne, die Gesetzgebung lasse sich von der obersten Gewalt nicht trennen. Dann aber verkündet er im Gegenteil, daß der Corpus Iuris weder allgemeingültig noch aktuell sei; auch schon die Völker, die früh dem römischen Recht unterworfen wurden, hätten dieses Recht weiterentwickelt. Schließlich würden jene Gesetze am eifrigsten befolgt, die auf der Billigung der Untertanen beruhten. Aus der Jurisdiktionstheorie folgert er schließlich ebenfalls, daß Städte mit imperium merum et mixtum auch das Gesetzgebungsrecht haben müßten. 103
Zum römischen Recht. Böhmen gehöre wegen seiner Kurwürde unzweifelhaft zum Reich, das römische Recht habe also Geltung erlangt. Wer nun das Statuarrecht erlangt habe, dürfe es zunächst nicht gegen den verwenden, von dem er es erlangt hat. Aber wiederum vertritt Basilius anschließend das Gegenteil: Schon Justinian habe den Corpus ergänzen müssen, um ihn neuen Arten von Geschäften anzupassen. Wenn dies möglich sei, dann müsse doch Breslau, das weder jemals römisch besetzt war noch explizit auf römisches Recht verpflichtet worden sei, dem römischen Recht nicht mehr verpflichtet sein als die Kleinasiaten und Afrikaner unter türkischer Hoheit!150) Folglich dürfe Breslau vom römischen Recht abweichen, solange es allerdings nicht gegen göttliches oder natürliches Recht oder Fürsteninteresse verstoße. 104
Unter vielen Entschuldigungen und Vorbehalten scheint sich hier schon eine freiere Stellungnahme zum römischen Recht zu entwickeln. Vielleicht hat Basilius aus seinen Erfahrungen mit Basel151) und der Stellung der Schweiz zur Rezeption heraus argumentiert.152) 105

VI. Freiburg i. Br.

1. Freiburger Rechtsgeschichte

Freiburg spielt rechtsgeschichtlich im mittelalterlichen Deutschland in vielfacher Hinsicht eine Sonderrolle. Schon das erste Stadtrecht von 1120 machte die Siedlung zur Vorreiterin der modernen Gründungsstädte im Reich, also derjenigen Städte, die als "fertige Gebilde freiheitlichen Rechts" planmäßig gegründet wurden.153) Konrad von Zähringen hatte den Bürgern die freie Wahl des Vogtes (hohe Gerichtsbarkeit) zugestanden und sich nur die Bestätigung vorbehalten, während die Bürger den rector, den Markt- und Niederrichter ohne Bestätigung bestimmen konnten - also eine sehr frühe Trennung von stadtherrlicher und innerstädtischer Gerichtsbarkeit. 1152 wurde der Schultheiß erwähnt, der von den Bürgern frei gewählt werden kann. Für Freiburg ist außerdem anscheinend schon für 1178 ein Rat erwähnt, was ihn zum frühesten städtischen Ratsgremium im deutschen Sprachgebiet machen würde;154) er könnte sich aus den Marktgeschworenen bei der Stadtgründung entwickelt haben. Im Gegensatz zu den Stadtherren vieler anderer Städte scheinen die Zähringer jedenfalls die consules geradezu gefördert zu haben.155) 106
Mit dem Tod Bertolds V. am 1218 ging die Zähringer Herrschaftsdynastie unter. Die Grafen von Urach übernahmen die Teile des zähringischen Hausguts im Breisgau, im Schwarzwald und auf der Baar, auch wenn König Friedrich II. die heimgefallenen Reichslehen beanspruchte: Zähringer und Staufer trennte eine lang gepflegte Feindschaft. Nach einem Krieg 1219 fiel jedenfalls Freiburg an den Grafen Egino, der sich fortan "Graf von Urach und Herr der Burg Freiburg" nannte.156) 107
1273 wurde Rudolf von Habsburg zum König gewählt. Im Zuge seiner Revindikationspolitik, die im Interregnum verlorengegangenen Reichsgüter zurückzuerlangen, forderte er auch das Zähringergut. Nach längeren Auseinandersetzungen hierüber mit dem Grafen von Urach, der ua. die Steuern verdoppelt hatten, erlangen die Freiburger Bürger 1282 unter Umgehung des Stadtherrn vom König direkt die Bestätigung, daß die Stadt die Rechte der Reichsstädte haben solle, ua. die Exemtion von auswärtigen Landgerichten.157) Auch die folgenden Jahre waren durch eine Vielzahl von Fehden geprägt, in der sich Freiburg meist den Habsburgern anschloß, bis 1368 in einem Sühnevertrag zwischen Graf Egino, Freiburg, einer Reihe anderer Städte und Habsburg die Habsburger schließlich endgültig die Herrschaft über weite Teile des Oberrheins einschließlich Freiburgs erlangten.158) Dabei installierten die Habsburger eine eigene Regierung für Vorderösterreich in Ensisheim (Elsaß). 108
Die erlangten reichsstädtischen Rechte wurden der Stadt 1311 und 1339 bestätigt. Die kurze Phase, in der Freiburg auch formal Reichsunmittelbarkeit erlangte (1415-27),159) brachte also faktisch kaum noch Vorteile in bezug auf die Autonomie der Stadt.160) 109
Ein umfangreicherer Bestand an Rechtssätzen des Rates muß um 1175 bereits in schriftlicher Form existiert haben, denn er wurde 1178 an Dissenhofen verliehen. Es folgten diverse Neufassungen des Stadtrechts: ua. 1218 der "Stadtrodel", in dem der Rat die bisherigen Privilegien und Rechtssätze verarbeitete (1275 auf deutsch),161) sowie beim Übergang an Habsburg 1368 eine Urkunde von Albrecht und Leopold von Österreich. 110
Während des 15. Jahrhunderts erlebt Freiburg eine wirtschaftliche Schrumpfung und kann sich erst gegen Ende des Jahrhunderts erholen.162) 1490 brechen schließlich blutige Zunftkämpfe auf.163) Vielleicht auch deswegen tritt in der schriftlichen Zusammenfassung der Satzungen eine Pause von fast 150 Jahren ein, bis die Reformation des Zasius 1520 in Kraft tritt.164) Der allmähliche Wiederaufstieg Freiburgs wurde zweifelsohne durch König Maximilian (1508 Kaiser) wesentlich gefördert.165) 111

2. Die Freiburger Stadtrechtsreformation

Die Freiburger Stadtrechtsreformation darf als persönliches Werk von Ulrich Zasius gelten,166) das vielfach als gelungenste Verbindung von einheimischem und römischem Recht bezeichnet wird, jedenfalls in der Reihe der Stadtrechtsreformationen.167) 112
Zasius wurde 1461 in Konstanz geboren (+ 1535) und studierte ab 1481 in Tübingen. 1489 wurde er Stadtschreiber von Baden im Aargau, wo auch der Kontakt mit dem Baseler Humanistenkreis (ua. Erasmus von Rotterdam) begann.168) 1494 erhielt er das erste Amt als Stadtschreiber in Freiburg, seit 1502 war er dort Stadtgerichtsschreiber und Rechtsberater (syndicus).169) Als solcher erhielt er vom Rat die Aufgabe, unter Sichtung der älteren Rechtsquellen die Rechtsordnung sinnvoll anzupassen.170) 1506 lehrt Zasius an der Freiburger Universität Zivilrecht,171) 1507 wird er königlicher Rat - also Rechtsberater.172) 113
In der Verbindung des gelehrten Juristen und Humanisten liegt der Grund, warum Zasius deutsches und römisches Recht erfolgreich verknüpfen konnte, denn unter dem Eindruck der Humanisten konnte er sich von der scholastischen Methode lösen und einen freieren Blick auf das römische Recht erhalten. Hierin war er ein Vorreiter der deutschen Rechtswissenschaft.173) 114
Die genaue Entstehung der Freiburger Reformation ist unklar, auch inwieweit die Ensisheimer Regierung Einfluß auf den Inhalt genommen hat.174) Gesichert ist nur, daß die Regierung die Vorrede beanstandet hat, als das Stadtrecht bestätigt werden sollte (dazu sogleich). 115
Daß sich die Stadt ihrer vergleichsweise hohen Autonomie - als Landstadt! - bewußt war, spricht aus einem Vorgang von 1504: Die Stadt erhielt ein Privileg, auf daß der Rat bei einem Streitwert unter 20 Gilden nunmehr selbst die Kompetenz als Berufungsgericht habe. Der Rat zweifelte jedoch selbst an seiner Kompetenz; erst nach erneuter Konsultation am Hofe nahm er die Berufungstätigkeit auf. Das vorsichtige Lavieren in dieser Frage, der ja ein neues, unbestrittenes Privileg zugrundelag, läßt jedenfalls vermuten, daß man sich bei den viel älteren, unbestätigten Privilegien nicht in einer Grauzone bewegen wollte.175) 116
Zasius selbst hingegen hielt die Autonomie Freiburgs durch die verliehenen Privilegien für das Projekt der Reformation für ausreichend, wollte aber aus Hochachtung vor dem Stadtherren ("propter veneratio principis") um eine Bestätigung nachkommen.176) Diese "politische Kompromißformel" haben auch Reichsstädte verwendet, jedoch sollte die Wirksamkeit der Rechtsetzung von einer Bestätigung nicht abhängen.177) - Da allerdings von seiten des Freiburger Klerus, dem durch die Reformation einige Rechte beschnitten werden sollten, Proteste befürchtet wurden, scheint die Bestätigung auch eingeholt worden zu sein, um mögliche Eingaben an den Stadtherrn abzuschneiden. So befürchtete der Rat, die "geistlichen mechten sich von anfang zu vil hart dawider setzen".178) Außerdem scheint bei der Entwicklung des Stadtrechts die Gefahr eines Eingriffs von seiten Habsburgs, was die Ratsverfassung betrifft, wegen einer städtischen Opposition mit "Beziehungen" größer als üblich gewesen zu sein: die Aufstände von 1490-92 lagen noch nicht lange zurück.179) 117
Der Kaiser machte jedenfalls die Vorlage des Stadtrechts an die Regierung zu Ensisheim zur Bedingung für die Bestätigung.180) In dem Brief des Rates an Ensisheim wird zunächst nur gebeten, das Stadtrecht "abzuhören" - als Bitte um Beratung, das Wort "Bestätigung" wird peinlichst vermieden.181) 118
Trotzdem fordert Ensisheim die Aufnahme einiger Schutzklauseln in die Vorrede: 1. daß das Stadtrecht "mit Gunst und willen der Herrschaft" in Kraft getreten sei; 2. daß künftige Veränderungen nur in derselben Form geschehen könnten; 3. daß Veränderungen zum Nachteile Österreichs unzulässig seien. Entgegen ihrer Überzeugung von ihrer Autonomie erkauft sich die Stadt die Bestätigung: Sie stimmt in der Antwort der ersten Forderung zu und gesteht zu, daß der Kaiser Schultheiß und "Zubehör" weiter bestimmen könne, unterstreicht aber ihre Privilegien; die zweite Forderung wird aus praktischen Gründen abgelehnt. 119
1519 stirbt Kaiser Maximilian; am 1. Juni 1520 wird das Stadtrecht von seinem Nachfolger Karl V. bestätigt.182) Interessant ist wiederum, daß die Reform bereits vorher in Kraft getreten war.183) 120
Daß die Ensisheimer nur ein Interesse an der Vorrede zeigten, verdeutlicht, daß sie die Bestätigung als Machtfrage verstanden - und nicht als Rechtspolitik. Sie wollten das politische Selbstbewußtsein der Stadt dämpfen. Früher konnte die Stadt gegen die sporadischen Lenkungsversuche der Regierung ihre bleibende Schlüsselstellung für Vorderösterreich einwenden; jetzt mußte sie tatsächlich einen hohen politischen Preis zahlen, indem sie formell um die Bestätigung nachkam und so ihre Privilegien wenigstens äußerlich preisgab.184) 121

VII. Fazit

Wenn auch eigentlich für Reichsstädte das Recht der Gesetzgebung unbestritten gewesen sein sollte,185) zeigen doch die obigen Ausführungen, daß ein erheblicher Aufwand getrieben wurde, um das Statuarrecht zu begründen. 122
Die juristische Argumentation ist dabei keineswegs im rein wissenschaftlichen Interesse erfolgt: die Reformationen waren ja auch ein rechtspolitischer Akt, um das heimische Recht gegenüber der zunehmend gemeinrechtlichen Reichsrechtsprechung zu bewahren. Schließlich dienten sie auch als Symbol für den Selbstbehauptungswillen der Städte (va. in Worms), die mit der inzwischen ausgeprägten Macht der Landesherrschaften konkurrierten und oft genug zurückweichen mußten, was schon die stetig abnehmende Zahl der Freien und Reichsstädte verdeutlicht. Selbst unter ihnen konnten nur die mächtigsten ihr Gesetzgebungsrecht behaupten; man betrachte nur, daß Frankfurt mit der stärksten Tradition als reichsfreie Stadt als einzige keine substantiellen Begründungsnöte gegenüber dem Stadtherren hatte - dagegen fiel sogar Nürnberg ab. 123
Es verbleibt schließlich die erstaunliche Tatsache, daß Freiburg als einzige Landstadt in der vordersten Front der städtischen Reformationen steht und mit Zasius die wohl qualitativ beste Arbeit hervorgebracht hat, was die einfühlsame Verbindung einheimischen und fremden Rechts betrifft. Freiburg scheint also eine Art Glücksfall darzustellen - mit einer von der Gründung an herausragenden Stadtentwicklung, die schließlich auch zu besonderen Persönlichkeiten und Leistungen führte. 124

Fußnoten:

* Dieser Aufsatz ist die überarbeitete Fassung einer Seminararbeit, die im Sommersemester 1996 an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Rahmen eines Seminars zur Freiburger Stadtrechtsreformation von 1520 (Prof. Nehlsen-van Stryk und Prof. Kroeschell) entstand.

1 Auf die frühere Kölner Stadtrechtsreformation, die sich allein auf deutschrechtliche Grundlagen stützte (vgl. Eisenhardt, Deutsche Rechtsgeschichte, 2. Aufl. 1995, Rdz. 260), soll hier nicht eingegangen werden.

2 Näher Kroeschell, Deutsche Rechtsgeschichte, Band II (Opladen 1980), S. 232 ff.

3 Zum Begriff näher Karl Kroeschell, Deutsche Rechtsgeschichte, Band I (Opladen 1978), S. 287 ff..

4 Heinrich Mitteis / Heinz Lieberich, Deutsche Rechtsgeschichte (19. Aufl. München 1992), S. 289.

5 Eberhard Isenmann, Die deutsche Stadt im Spätmittelalter: 1250-1500 (Stuttgart 1988), S. 109 f., 114 f.; Otto Stobbe, Geschichte der deutschen Rechtsquellen, Band 2 (1864), S. 224 f.; Wilhelm Ebel, Geschichte der Gesetzgebung in Deutschland (2. Aufl. Göttingen 1958), S. 63 Fn. 6.

6 Christine van der Heuvel, Städtisch-bürgerliche Freiheit und fürstlicher Absolutismus. Verfassung und Verwaltung der Stadt Osnabrück in der Frühen Neuzeit, in: Michael Stolleis (Hg.), Recht, Verfassung und Verwaltung in der frühneuzeitlichen Stadt (Städteforschung A 31, Köln 1991), S. 159 ff., 171.

7 Isenmann (wie Fn. 5), S. 107 f., 114.; Mitteis / Lieberich (wie Fn. 4), S. 288 f.

8 Dazu Laufs, Reichsstädte und Reichsreform, in: Savigny-Zeitschrift für Rechtsgeschichte, Germanistische Abteilung (ZRG GA) 84 (1967), S. 172, 179.

9 Isenmann (wie Fn. 5), S. 117.

10 Isenmann (wie Fn. 5), S. 118-120; Kroeschell Bd. 2 (wie Fn. 2), S. 184; Ebel (wie Fn. 5), S. 50.

11 Isenmann (wie Fn. 5), S. 108, 112; Eberhard Isenmann, Reichsrecht und Reichsverfassung in Konsilien reichsstädtischer Juristen (15.-17. Jh.), in: Roman Schnur (Hg.), Die Rolle der Juristen bei der Entstehung des modernen Staates (Berlin 1986), S. 545 ff., 550.

12 Mitteis / Lieberich (wie Fn. 4), S. 289.

13 So mußte Freiberg in Sachsen 1572/73 die landesherrlichen constituciones Saxoniae auch in der Stadt publizieren, da "in ganz Sachsen gleichmäßiges Recht" gelten solle (nach Stobbe Bd. 2 (wie Fn. 5), S. 227).

14 Isenmann (wie Fn. 5), S. 137, 146-165.

15 Isenmann (wie Fn. 5), S. 131 f.; Ebel (wie Fn. 5), S. 53 f.

16 Stellvertretend: Utrecht 1196, Lübeck 1201, Erfurt 1212, Soest 1213, Köln 1216.

17 Mitteis / Lieberich (wie Fn. 4), S. 303.

18 Isenmann (wie Fn. 5), S. 78; vgl. Schulze, Stichwort "Regalien", in: Handwörterbuch der Rechtsgeschichte.

19 Ebel (wie Fn. 5), S. 39 ff.; Mitteis / Lieberich (wie Fn. 4), S. 304; Otto Stobbe, Geschichte der deutschen Rechtsquellen, Band 1 (1860), S. 483 f.

20 Stobbe Bd. 1 (wie Fn. 19), S. 484 f.

21 Mitteis / Lieberich (wie Fn. 4), S. 254.

22 Isenmann (wie Fn. 5), S. 89 ff.

23 Ebel (wie Fn. 5), S. 54; Wolf, in: Helmut Coing (Hg.), Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, Band II / 2 (München 1976), S. 609 f.

24 Nur zB. 1258 Köln; die Rechtsetzung wird erst 1259 bestätigt.

25 Stv. Bern durch Friedrich II. 1218 bei Bestätigung der Handfeste, 1273 Aachen, 1276 Augsburg, 1290 Nordhausen, 1360 Frankfurt am Main; bei Landstädten zB. 1243 Bonn durch Erzbischof von Köln (nach Stobbe Bd. 1 (wie Fn. 19), S. 491 Fn. 23).

26 Isenmann (wie Fn. 5), S. 131.

27 Ebel (wie Fn. 5), S. 53, 63 ff. - Vgl. zu alledem und zum Streit um das "gute alte Recht", welches als Begriff von Kern (Recht und Verfassung im Mittelalter, in: HZ 120 (1919), 1 ff., Buchausgabe Basel 1952) geprägt wurde, näher Gerhard Köbler, Zur Frührezeption der consuetudo in Deutschland, in: Historisches Jahrbuch 89 (1969), 337 ff.; Karl Kroeschell, Recht und Rechtsbegriff im 12. Jh., in: ders., Studien zum frühen und mittelalterlichen Recht (Berlin 1995), 177-309.

28 Isenmann (wie Fn. 5), S. 89 f.; Hans Planitz, Die deutsche Stadt im Mittelalter (Graz 1954), S. 251 ff., 336 ff.

29 Isenmann (wie Fn. 5), S. 143 ff., 166 ff.; Kroeschell Bd. 2 (wie Fn. 2), S. 60 ff.

30 Stobbe Bd. 2 (wie Fn. 5), S. 12, 40 f.

31 Gerhard Köbler, Reformation der Stadt Nürnberg (Arbeiten zur Rechts- und Sprachwissenschaft, Gießen 1984), S. XXI.

32 Isenmann (wie Fn. 11), S. 554.

33 Stobbe Bd. 2 (wie Fn. 5), S. 7.

34 Franz Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit (2. Aufl. 1967), S. 141.

35 Köbler, Deutsche Rechtsgeschichte, 137.

36 Näher Kroeschell Bd. 1 (wie Fn. 3), S. 254 f.

37 Hans Thieme, Das Privatrecht der deutschen Städte, in: Recueils de la Société Jean Bodin, Band VIII, 165 ff., 170.

38 Ebel (wie Fn. 5), S. 69 f.

39 Stobbe Bd. 2 (wie Fn. 5), S. 237 ff., 241 ff.; Kroeschell Bd. 2 (wie Fn. 2), S. 232 ff.

40 Wieacker (wie Fn. 34), S. 192.

41 Kunkel/Thieme/Beyerle (Hg.), Quellen zur Neueren Privatrechtsgeschichte Deutschlands. Band 1: Stadtrechte, S. XV.

42 Stobbe Bd. 2 (wie Fn. 5), S. 236 f.

43 Ebel (wie Fn. 5), S. 72.

44 Vgl. Eisenhardt (wie Fn. 1), Rn. 261.

45 Weiß, Stichwort "Reformation (Rechtsquelle)", in: Handwörterbuch der Rechtsgeschichte.

46 Köhne Worms, 52 Fn. 1; anders noch Stobbe Bd. 2 (wie Fn. 5), S. 289 Fn. 4.

47 Köbler (wie Fn. 70), S. 108; Köbler (wie Fn. 31), S. XXI.

48 Weiß (wie Fn. 45).

49 Kroeschell Bd. 2 (wie Fn. 2), S. 232; Weiß (wie Fn. 45).

50 Heinz Angermeier, Die Reichsreform 1410-1555 (München 1984), S. 15.

51 So zumindest noch Carl Koehne, Die Wormser Stadtrechtsreformation vom Jahre 1499 (Berlin 1897), S. 53; vgl. auch Hermann Krause, Kaiserrecht und Rezeption (Heidelberg 1952), S. 147.

52 Für das folgende Köbler (wie Fn. 31), S. XVI f.; vgl. auch die obigen Nachweise zu Isenmann (wie Fn. 5), der häufig Nürnberg anführt.

53 Isenmann (wie Fn. 5), S. 118.

54 Wieacker PrRG, 193; Köbler (wie Fn. 31), S. XVIII.

55 "Neu" wahrscheinlich wegen einer Gerichtsordnung von 1473, die aber zunächst so nicht betitelt war (Köbler (wie Fn. 31), S. XXI-XXIII).

56 Für das folgende Köbler (wie Fn. 31), S. XX-XXV.

57 Wieacker PrRG, 193.

58 Ebd.

59 Köbler (wie Fn. 31), S. XXIV.

60 Köbler (wie Fn. 31), S. XXVI.

61 Kunkel / Thieme / Beyerle (Hg.), Quellen zur Neueren Privatrechtsgeschichte Deutschlands (Berlin 1936), S. XXV.

62 Köbler (wie Fn. 31), S. XXVI.

63 Isenmann (wie Fn. 11), S. 576.

64 Isenmann (wie Fn. 11), S. 571 Fn. 114: der Originaltext des Mandats liegt nicht vor, kann aber aus dem Gutachten rekonstruiert werden. Stobbe (II, 299 Fn. 6) spricht davon, daß die Juden 1480 generell Widerstand gegen die Reformation leisteten.

65 Vgl. Eberhard Isenmann, Reichssteuern und Reichsfinanzen im 15. Jh., in: Zeitschrift für historische Forschung (ZHF) 7 (1980), S. 1, 47 ff.

66 Isenmann (wie Fn. 11), S. 571.

67 Stobbe Bd. 1 (wie Fn. 19), S. 616; Bd, 2 (wie Fn. 5), 62 f.; Ebel (wie Fn. 5), S. 43 f.

68 Wieacker (wie Fn. 34), S. 135; Dieter Wyduckel, Princeps legibus solutus. Eine Untersuchung zur frühmodernen Rechts- und Staatslehre (Berlin 1979), S. 63; Angermeier (wie Fn. 50), S. 13. Vgl. das berühmte Wort von Samuel Pufendorf, das Reich sei ein "irregulare aloquod corpus et monstro simile" (Kroeschell, Deutsche Rechtsgeschichte, Band III (Opladen 1989), S. 24, 34).

69 Der Begriff des dominus terrae taucht erstmals 1231 im Statutum in favorem pricipum auf; näher Kroeschell Bd. 1 (wie Fn. 3), S. 187 f.

70 Köbler Deutsche Rechtsgeschichte, 109 f.

71 Stobbe Bd. 1 (wie Fn. 19), S. 468 f.; vgl. auch Kroeschell Bd. 1 (wie Fn. 3), S. 187 f.

72 Ebel (wie Fn. 5), S. 44.

73 Köble (wie Fn. 70), 110 f.; Koehne (wie Fn. 51), S. 15; Stinzing RG, 58.

74 Der Begriff entstand allerdings erst 1850 durch Constantin Höfler; vgl. Laufs, Stichwort "Reichsreform", in: Handwörterbuch der Rechtsgeschichte; Angermeier (wie Fn. 50), S. 55 ff.

75 Laufs (wie Fn. 74).

76 Köbler (wie Fn. 70), 145 ff.; Ebel (wie Fn. 5), S. 45 f.

77 Stobbe Bd. 2 (wie Fn. 5), S. 185 f.

78 Ebel (wie Fn. 5), S. 69 ff.

79 Stobbe Bd. 2 (wie Fn. 5), S. 185, 210 f.; Ebel (wie Fn. 5), S. 70 ff.

80 Mitteis / Lieberich (wie Fn. 4), S. 294 ff.

81 Ebel (wie Fn. 5), S. 48.

82 Ebel (wie Fn. 5), S. 48.

83 Kroeschell Bd. 2 (wie Fn. 2), S. 227 ff.

84 Ebel (wie Fn. 5), S. 47 ff.

85 Stobbe Bd. 1 (wie Fn. 19), S. 486 Fn. 8.

86 Isenmann (wie Fn. 11), S. 563 ff.

87 Mitteis / Lieberich (wie Fn. 4), S. 228; Ebel (wie Fn. 5), S. 64 f.

88 Stobbe Bd. 2 (wie Fn. 5), S. 125-133.

89 Stobbe Bd. 2 (wie Fn. 5), S. 4, 113, 125 f.

90 Köbler (wie Fn. 70), S. 137; Wieacker (wie Fn. 34), S. 138.

91 Ebel (wie Fn. 5), S. 64; Stobbe Bd. 2 (wie Fn. 5), S. 8.

92 Stobbe Bd. 1 (wie Fn. 19), S. 464; Schulze (wie Fn. 18).

93 Ebel (wie Fn. 5), S. 64.

94 Krause (wie Fn. 51), S. 147; vgl. auch noch Stobbe Bd. 1 (wie Fn. 19), S. 467; II, 7.

95 Stobbe Bd. 1 (wie Fn. 19), S. 262, 611 ff..

96 So aber noch Stobbe Bd. 1 (wie Fn. 19), S. 620 ff.

97 Von Hermann Conring (1606-1681) in seinem Hauptwerk "De origine iuris germanici"; vgl. Eisenhardt (wie Fn. 1), Rn. 246 mwN.

98 Wieacker (wie Fn. 34), S. 140 f.; Ebel (wie Fn. 5), S. 12, 63; Köbler (wie Fn. 70), S. 143. Kroeschell (wie Fn. 27) führt hier als Beispiele Barbarossas Bremer Weichbildprivileg von 1186 und die Dienstrechtsfälschungen an; im 13. Jahrhundert die Landrechtsbücher.

99 Krause (wie Fn. 51), S. 13.

100 Zur Begrifflichkeit näher Eisenhardt (wie Fn. 1), Rn. 124 ff.

101 Für die folgenden Ausführungen Wyduckel (wie Fn. 68), S. 63-78.

102 Kroeschell Bd. 2 (wie Fn. 2), S. 20 f.

103 Wyduckel (wie Fn. 68), S. 66. In Fn. 16 Verweis auf die Gegenmeinungen.

104 Ebel (wie Fn. 5), S. 69.

105 Baldus: "Imperator est ipsum Imperium" - vgl. das spätere "l'état, c'est moi".

106 Bartolus: "Populus liber qui habet omnium iurisdictionem".

107 Wyduckel (wie Fn. 68), S. 85 ff..

108 Begriff vom Verfasser.

109 Vgl. auch Isenmann (wie Fn. 5), S. 131.

110 Isenmann (wie Fn. 11), S. 577.

111 Isenmann (wie Fn. 11), S. 570.

112 Ebd. 597-603; auf welche Weise der Widerstand Nürnbergs letztlich erfolgreich ist, bleibt unerörtert.

113 Zu alledem näher Isenmann (wie Fn. 5), S. 118 ff.; Köbler (wie Fn. 70), S. 110.

114 Für die folgende Darstellung des Gutachtens Isenmann (wie Fn. 11), S. 619-623.

115 Isenmann (wie Fn. 11), S. 625 ff.

116 Isenmann (wie Fn. 11), S. 565, 577 f., 577 Fn. 132.

117 Isenmann (wie Fn. 5), S. 133; Planitz (wie Fn. 28), S. 302 ff.

118 Koehne (wie Fn. 51), S. 22 f., 44 ff.

119 Vgl. Isenmann (wie Fn. 11), S. 550

120 Battenberg, Stichwort "Worms", in: Handwörterbuch der Rechtsgeschichte; Koehne (wie Fn. 51), S. 20, 23; vgl. Isenmann (wie Fn. 11), S. 550.

121 Koehne (wie Fn. 51), S. 24-26.

122 So noch Stobbe Bd. 2 (wie Fn. 5), S. 332.

123 Koehne (wie Fn. 51), S. 35 f.

124 Stichwort "Wormser Reformation", in: Handwörterbuch der Rechtsgeschichte.

125 Stobbe Bd. 2 (wie Fn. 5), S. 234.

126 Koehne (wie Fn. 51), S. 38.

127 Koehne (wie Fn. 51), S. 18; Kunkel / Thieme / Beyerle (wie Fn. 61), S. XXI.

128 Stobbe Bd. 2 (wie Fn. 5), S. 331, 334 f.

129 Wieacker (wie Fn. 34), S. 194.

130 Koehne (wie Fn. 51), S. 66 mit Stobbe Bd. 2 (wie Fn. 5), S. 335; hingegen meint Wieacker sogar "ausschließlich" als Lehrbuch (wie Fn. 34, S. 194).

131 Gerhard Köbler, Reformacion der Stat Franckenfort am Meine des heiligen Romischen Richs Cammer anno 1509 (Arbeiten zur Rechts- und Sprachwissenschaft, Gießen 1984), S. VIII f., XII ff.

132 Ebd. X.

133 Ebd. XVI-XVIII.; vgl. auch Armin Wolf, Gesetzgebung und Stadtverfassung (Frankfurt am Main 1968), S. 13 ff.

134 Köbler (wie Fn. 131), S. XIX, XXIV.

135 Ebd. XXV; Helmut Coing, Die Frankfurter Reformation von 1578 und das Gemeine Recht ihrer Zeit (Weimar 1935), S. 2.

136 Köbler (wie Fn. 131), S. XXVI.

137 Ebd. XXVI f., XXX.

138 Ebd. XXVII, XXIX; Wieacker (wie Fn. 34), S. 194.

139 Coing (wie Fn. 135), S. 3; Kunkel / Thieme / Beyerle (wie Fn. 61), S. XXIV.

140 Wieacker (wie Fn. 34), S. 194.

141 Köbler (wie Fn. 131), S. XXIX.

142 Kunkel / Thieme / Beyerle (wie Fn. 61), S. XXV.

143 Stobbe Bd. 2 (wie Fn. 5), S. 315-326; Coing (wie Fn. 135), S. 4.; Köbler (wie Fn. 131), S. XXXI; Wieacker (wie Fn. 34), S. 194; Ebel (wie Fn. 5), S. 70.

144 Köbler (wie Fn. 131), S. XXX, XXXIII.

145 Ebd. XXIII, XXXIII.

146 Stobbe Bd. 2 (wie Fn. 5), S. 282.

147 Hans Thieme, Statuarrecht und Rezeption, in: Festschrift für Guido Kisch (Stuttgart 1955), S. 69 ff.

148 Ebd. S. 71, 73.

149 Zum Gutachten ebd. S. 75-86.; das behandelte Gutachten liegt als Entwurf nur in Basel vor; es ist nicht bekannt, ob es in Breslau jemals angekommen ist (ebd. S. 75).

150 Ebd. S. 82.

151 Vgl. zum Basler Stadtrecht Hans Rudolf Hagemann, Basler Stadtrecht im Spätmittelalter, in: Savigny-Zeitschrift für Rechtsgeschichte, Germanistische Abteilung (ZRG GA) 78 (1961), 140 ff.

152 Thieme (wie Fn. 147), S. 83.

153 Kroeschell Bd. 1 (wie Fn. 3), S. 219 f., 222.

154 Noch vor Basel (vor 1218), Bern und Zürich (um 1220) und Villingen (vor 1225); vgl. Heiko Haumann / Hans Schadek, Geschichte der Stadt Freiburg im Breisgau, Band 1 (Stuttgart 1996), S. 73.

155 Haumann / Schadek (wie Fn. 154), S. 46-75.

156 Haumann / Schadek (wie Fn. 154), S. 134-138.

157 Haumann / Schadek (wie Fn. 154), S. 149 ff., 167, 220 ff.

158 1469 werden die Rheinlande (außer Breisgau) nach den erheblichen Auseinandersetzungen zwischen Habsburg und der Eidgenossenschaft von Sigismund an Karl den Kühnen von Burgund verpfändet, der ein eigenes Regiment in Ensisheim errichtet. Er stirbt 1477 ohne männliche Nachkommen; Burgund fällt an Habsburg, da Kaiser Maximilian mit Karls Tochter Maria vermählt war. Damit entsteht eine völlig neue Konstellation am Oberrhein. 1455 unternimmt Habsburg zur Stärkung der Landesherrschaft eine erste Initiative zur Gründung der Freiburger Universität. 1457 wird die "Albertina" als Gründungsurkunde ausgestellt, jedoch gibt es erst 1460 erste Vorlesungen. Hier lehrt später auch Ulrich Zasius. (Vgl. Haumann / Schadek (wie Fn. 154), S. 220 ff.

159 Der simonistische Gegenpapst Johannes XXIII. flüchtete nach Schaffhausen und dann ins Dominikanerkloster nach Freiburg, als er vom Konstanzer Konzil 1415 zum Rücktritt gezwungen wurde. Herzog Friedrich (Habsburgs Stellvertreter in Vorderösterreich), der ihn protegiert hatte, wurde mit Reichsacht und Kirchenbann belegt; dadurch erhielten die breisgauischen Städte die Reichsunmittelbarkeit bis 1427. Dies brachte Freiburg jedoch eher Nachteile: König Sigismund konnte keinen wirksamen Schutz bieten, so daß die Badener Markgrafen versuchten, Freiburg ihrem Territorium einzuverleiben. 1417 wurde Markgraf Bernhard sogar die Reichslandvogtei im Breisgau übertragen. Er gründete neue Märkte im Breisgau unter Verbot, die alten in Freiburg zu nutzen. 1420 löste er die Zähringerburg (bei Freiburg, heute im Stadtteil "Zähringen") aus der Reichspfandschaft. Daher schloß Freiburg 1422 ein Bündnis mit Breisach und Endingen, dem sich auch elsässische Städte mit Straßburg anschlossen. Erst 1424 kam es zum Friedensschluß. Obwohl die Reichsacht schon 1418 aufgehoben wurde, wurde Freiburg erst 1427 wieder österreichisch durch Neubelehnung durch Sigismund. (Vgl. Haumann / Schadek (wie Fn. 154), S. 220 ff.)

160 Ebd. 149 ff.,

161 Stobbe Bd. 1 (wie Fn. 19), S. 504; Bd, 2 (wie Fn. 5), 306 ff.; Kunkel / Thieme / Beyerle (wie Fn. 61), S. XXII f.

162 Ein Zeichen hierfür kann darin gesehen werden, daß die Stadt erst 1471 den Neubau des gotischen Chores am Münster wiederaufnahm, der während der 1360er Jahre unterbrochen werden mußte. Vgl. Steven Rowan, Ulrich Zasius. A Jurist in the German Renaissance (Frankfurt 1987), S. 23 ff.

163 Ausführlich Rowan (wie Fn. 162), S. 23-27.

164 Gerhard Köbler, Nüwe Stattrechten und Statuten der loblichen Statt Fryburg im Pryszgow gelegen (Arbeiten zur Rechts- und Sprachwissenschaft, Gießen 1986), S. XVI.

165 In der älteren Freiburger Stadtliteratur wurde gerne von Maximilians "besonderer Vorliebe" zu Freiburg gesprochen (so auch Hansjürgen Knoche, Ulrich Zasius und das Freiburger Stadtrecht von 1520, S. 21), einer Stadt, die er 1473 zum ersten Mal besuchte und wo er angeblich seinen Alterssitz einzurichten gedachte. Jedoch scheint bei nüchterner Betrachtung die strategische Bedeutung Freiburgs wichtiger; die mächtigste Stadt Vorderösterreichs war wichtig für seine dynastische Hausmachtspolitik. Er selbst hielt sich vornehmend in Innsbruck auf. Auch ist nicht gesichert, daß das berühmte "Haus zum Walfisch" (in dem auch zeitweise Erasmus von Rotterdam wohnte) in seinem Auftrag gebaut wurde. Allerdings kann die Einberufung des Reichstages 1498 nach Freiburg schon als eine besondere Gunsterweisung gesehen werden, denn dieser Reichstag ist zu jener Zeit der einzige, der nicht in "des Kaisers und des Reichs Städten" stattfand. Der König hatte Freiburg als Tagungsort auserkoren, um seine Reform der österreichischen Verwaltung parallel zu den Verhandlungen mit den Reichsständen über die Eintreibung des "Gemeinen Pfennigs" fortzuführen. Der Fehlschlag der Verhandlungen mit den Schweizern über den "Gemeinen Pfennig" war Hauptanlaß für den Ausbruch des Schweizer Krieges 12 Monate später. Für die strategische Lage Freiburgs war der fundamentale Streit zwischen Reichsständen und den Schweizer Gesandten verhängnisvoll. Vgl. zu alledem Haumann / Schadek (wie Fn. 154), S. 264 ff.

166 Vielfach wird behauptet, Zasius habe von König Maximilian persönlich den Auftrag erhalten, ein neues Stadtrecht zu schaffen. Dazu wird der Entwurf der Vorrede herangezogen; dort steht aber nur, daß Bürgermeister und Rat "mit mundtlichem bevelch" von Maximilian an die Regierung in Ensisheim verwiesen wurden. Trotzdem gab es persönliche Begegnungen zwischen Zasius und dem Kaiser, spätestens beim Reichstag 1498. Zasius hatte außerdem engen Kontakt zu einer ganzen Reihe von hochrangigen am Hofe, ua. Konrad Stürzel von Buchheim, dem Kanzler. Vgl. Haumann / Schadek (wie Fn. 154), S. 297.

167 Kunkel / Thieme / Beyerle (wie Fn. 61), S. XXV; Eisenhardt (wie Fn. 1), Rn. 261; Conrad, Deutsche Rechtsgeschichte, Bd. II (1966), S. 370; Knoche (wie Fn. 165) S. 1 sogar: "bedeutendste Gesetzgebung des 16. Jahrhunderts."

168 Vgl. Kroschell Bd. 2 (wie Fn. 2), S. 242 ff.

169 Rowan (wie Fn. 162), S. 22 ff.

170 Knoche (wie Fn. 165), S. 1 ff.

171 Eisenhardt (wie Fn. 1), Rn. 242.

172 Haumann / Schadek (wie Fn. 154), S. 297.

173 Vgl. Kroschell Bd. 2 (wie Fn. 2), S. 242 ff.

174 Knoche (wie Fn. 165), S. 51.

175 Knoche (wie Fn. 165), S. 71.

176 In einer seiner Vorlesungen verkündete er: "Nostra civitas Friburgum, cum fundaretur, accepit privilegium a fundatore, quod ei liceret statuere; nihilominus propter venerationem principis nostri laboravimus pro confirmatione." - Zitiert in Riegger, Udalrici Zasii epistolae (Ulm 1884), 56 ff. Fn. 5; hier zitiert nach Theodor Zwölfer, Dr. Ulrich Zäsi und die Bestätigung des Freiburger Neuen Stadtrechts, in: Schau-ins-Land, Zeitschrift des Breisgauer Geschichtsvereins 80 (1962), S. 70, 73 Fn. 7; ebenfalls in Richard Schmidt, Zasius und seine Stellung in der Rechtswissenschaft (Leipzig 1904), S. 68 A 20.

177 Knoche Zasius, 21, Fn. 122.; Thieme (wie Fn. 147), S. 69 ff., 84.

178 Zwölfer (wie Fn. 176), S. 70, 97.

179 Rowan (wie Fn. 162), S. 27.

180 Knoche (wie Fn. 165), S. 14.

181 Zwölfer (wie Fn. 176), S. 70, 74.

182 Knoche (wie Fn. 165), S. 15.

183 Haumann / Schadek (wie Fn. 154), S. 301.

184 Knoche (wie Fn. 165), S. 22 f., 28; Haumann / Schadek (wie Fn. 154), S. 265; zur Entstehung des Stadtrechts ebd. 297-301.

185 So Stobbe Bd. 2 (wie Fn. 5), S. 234.

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